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Hand am Werk: Warum die Zukunft dual und digital sein sollte

Reine Spezialisten mit einem tiefen Expertenwissen sind heute nicht mehr in der Lage, einer mechatronischen Produktentwicklung sowie den aktuellen Entwicklungen im Umfeld der Industrie 4.0 nicht zielgerichtet begegnen. Ihnen fällt der Blick für den ganzheitlichen Systemzusammenhang und die Kommunikation im Team schwer, weil ein gemeinsames Ziel- und Modellverständnis fehlt. Interdisziplinäres Arbeiten in der Produktentwicklung wird vor diesem Hintergrund immer bedeutsamer. Ein Fokus der Ausbildung sollte auf einem vertieften Technikwissen liegen, das über klassisches Lehrbuchwissen hinausgeht. Leider ist allgemeine Praxiserfahrung eine der Schwachstellen unserer ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge: Nicht nur Studenten bemängeln zu wenig praktische Erfahrungen im Studium, sondern auch Absolventen und Führungskräfte.

Das sogenannte duale Studium vereint vollwertiges Studium (der Theorieanteil entspricht zu 100 Prozent dem des regulären Studiums) an einer Hochschule mit praktischer Unternehmenserfahrung. Es ist vor allem der hohe Praxis-und Wissenstransfer, der diesen Bildungsweg so nachhaltig und attraktiv macht. So werden innerhalb der Neumüller Unternehmensgruppe regelmäßig Praktikumsplätze vergeben. Zudem wird hier kontinuierlich an der Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen gearbeitet. Seit dem Wintersemester 2011 bilden die Neumüller Unternehmungen duale Studenten der Fachrichtung Dienstleistungs-/Personalmanagement als zukünftige Leistungsträger aus. Die ehemalige Berufsakademie in Mosbach ist heute ein Standort der staatlichen Berufsakademie Baden-Württemberg. „Pro DHBW Mosbach“ wurde gegründet, um die Zukunftsentwicklung der Akademie und des dualen Systems zu fördern und für die Wirtschaft zusätzliche Fachkräfte- und Führungsnachwuchs auszubilden. Als Förderpartner beteiligt sich das Unternehmen an der Finanzierung von Informationsveranstaltungen und Material für Abiturienten, der Gewinnung von zusätzlichen Ausbildungsbetrieben durch die Akademie sowie an Projekten verschiedener Fachbereiche. Werner Neumüller, Geschäftsführer der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe sowie Autor und Herausgeber, war dort zeitweise als Lehrbeauftragter tätig.

Erfolg wird die Digitalisierung in Deutschland erst haben, „wenn wir uns ernsthaft mit ihren motivatorischen Aspekten auseinandersetzen. Wenn wir beginnen, uns zu fragen, wie sie auf die Menschen wirkt, und wenn wir Verheißungen formulieren, dort wo heute nur von Verdammnis gesprochen wird“, schreibt Christoph Keese in seinem Vorwort im Herausgeberband „CSR und Digitalisierung“. Er verweist hier auch auf den Rückstand in Deutschland als direktes Ergebnis großer Erfolge bei der Produktion, die nur durch ein hohes Maß an Spezialisierung und vertikaler Vernetzung möglich waren: „Darin haben wir Meisterschaft erlangt. Im Zeitalter der Digitalisierung erweisen sich diese Stärken jedoch immer mehr als Schwächen. Heute kommt es zunehmend auf horizontale Vernetzung an. Darauf, dass Fachleute unterschiedlicher Richtungen über Branchengrenzen hinweg zusammenarbeiten und neuartige Produkte entwerfen, die alte Märkte ablösen und neue entstehen lassen. Darin ist die deutsche Wirtschaft traditionell unbegabt.“

Dass sich Ökonomen auch stärker an den Geisteswissenschaften orientieren sollten, die sich mit den Kategorien menschlichen Handelns befassen, fordert auch die Ökonomin Deirdre McCloskey, die vor ihrer Geschlechtsumwandlung als Donald McCloskey ihre wissenschaftliche Karriere startete. Schon während ihres Studiums wurden Vorlesungen zur Geschichte des ökonomischen Denkens aus dem Pflichtkanon gestrichen: „Heute rennen Ökonomen durch die Welt, die keine Ahnung von der Ideenentwicklung ihres Faches oder Wirtschaftsgeschichte, geschweige denn Philosophie haben“, sagte sie in einem Interview mit der WirtschaftsWoche (13.4.2017). Es sei höchste Zeit, dass Studenten methodisch breiter ausgebildet werden: „Wir laufen Gefahr, damit Sozialingenieure auszubilden, die zwar rechnen, aber nicht mehr ökonomisch denken können.“

Was wir brauchen, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, sind Innovationen, Flexibilität, Know-how und „Hand am Werk“. Voraussetzung dafür sind jedoch „gute Leute mit Hausverstand, die sich nicht zu fein sind, die Hände schmutzig zu machen und an der Maschine zu stehen. Bodenständigkeit ist zentral für unsere Wertschöpfung. Schließlich können wir nur dann Geld verlangen, wenn wir aus dem Garn ein fertiges Textil machen. Wer hingegen nur tolle Ideen hat, seine Mannschaft aber nicht auf die Zukunft ausrichtet, wird auf lange Sicht hinaus keinen Erfolg haben“, sagt Wolfgang Grupp, Inhaber und Geschäftsführer von TRIGEMA.

Weiterführende Informationen:

Wolfgang Grupp: Gerechtigkeit, Beständigkeit und Verantwortung: Wertarbeit „Made in Germany“. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Hg. von Alexandra Hildebrandt SpringerGabler Verlag 2018.

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2017.

Susanne Strätling: Die Hand am Werk. Poetik der Poiesis in der russischen Avantgarde. Wilhelm Fink Verlag, Brill, Paderborn 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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