Her mit der künstlichen Intelligenz! Warum nur ein Technologie-Push das Land aus dem Stillstand führt
Die Debatte um die wirtschaftliche Erneuerung des Landes kreist um alte Rezepte. CDU und FDP fordern, dass die Menschen wieder mehr arbeiten sollen, um das Wachstum zu stärken, und wollen gleichzeitig soziale Leistungen kürzen, damit sie das tun. SPD und Grüne wollen dagegen den Sozialstaat weiter ausbauen, um Menschen besser vor Risiken zu schützen, und dafür die Einkommen noch stärker als ohnehin schon umverteilen, also Arbeitsanreize letztlich reduzieren. Beide Ansätze werden jedoch das demografische Problem und dessen wirtschaftliche Folgen für Wachstum und Sozialsysteme nicht lösen können – weder mehr Druck noch mehr Umverteilung.
Es ist, wie fast immer, der technische Fortschritt, der neue wirtschaftliche Potenziale erzeugt und die Voraussetzungen für sozialen Fortschritt schafft, indem er der Produktivität flächendeckend einen Schub gibt.
Und dieser technische Fortschritt sitzt wie ein „Elefant im Raum“ längst am Tisch: die künstliche Intelligenz. Sie wird nur leider fast ausschließlich als Bedrohung von Arbeitsplätzen diskutiert, nicht aber als Booster für Produktivität, Effizienz und sozialen Fortschritt. Die Wirtschaftsforscher Daron Acemoglu und Simon Johnson haben unlängst gezeigt, dass die Art, wie wir technischen Fortschritt implementieren, die Form des Wachstums und seiner Verteilungswirkungen wesentlich bestimmt. Denn mindestens so wichtig wie die Frage, wie viel Wachstum wir brauchen, ist doch die Frage, wofür wir es nutzen wollen.
Gerade künstliche Intelligenz eignet sich dafür, die Produktivität der Arbeit zu erhöhen und gleichzeitig ihre sozialen Wirkungen zu gestalten, nicht indem Arbeit ersetzt wird, sondern durch Design und Implemetierung gezielt produktiver, sicherer und humaner gemacht wird. Sie kann gerade niedrige Einkommen erhöhen, und zwar gleich doppelt, denn Haushalte sind nicht nur Beschäftigte, sondern immer auch Konsumenten.
Zum einen steigen durch den gezielten Einsatz von KI am Arbeitsplatz die Produktivität der Arbeit und somit die Einkommen. Zum zweiten spielt ein oft übersehener Effekt eine wichtige Rolle: Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz können insbesondere Dienstleistungen zu geringeren Preisen angeboten werden. Gerade Dienstleistungen werden infolge des Fachkräftemangels heute immer teurer und schmälern das Realeinkommen gerade von niedrigeren Einkommen.
In anderen Ländern sind Dienstleistungen viel günstiger, wodurch es eine viel höhere Nachfrage nach ihnen gibt. Dienstleistungsgesellschaften haben, anders als in Deutschland vielfach angenommen, nicht notwendig etwas mit Ausbeutung und Würdelosigkeit zu tun, sondern können eine Gesellschaft vielfältig, freundlich und lebenswert machen. Menschen sind mobiler und interagieren im Alltag häufiger miteinander, die Gesellschaft wird inklusiver und weniger einsam. Weitere negative Folgen des demografischen Wandels werden dadurch bekämpft.
Ökonomisch passiert dabei folgendes: Niedrigere Preise für Dienstleistungen schaffen mehr Nachfrage, und zwar so stark, dass die Umsätze nicht sinken, sondern steigen. Künstliche Intelligenz steigert gleichzeitig die Produktivität, sodass trotz fallender Preise die Einkommen und die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft steigen. Ein doppelt positiver Effekt für die Realeinkommen also, der gerade bei geringeren Einkommen, bei denen der Dienstleistungsanteil besonders hoch ist, spürbar ist. Ökonomisch und sozial spricht also alles für einen offensiven Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Doch die gesellschaftliche und politische Skepsis gegenüber Technologie hat in Deutschland eine lange Tradition. Andere Länder machen vor, wie Technologie für wirtschaftliches Wachstum und sozialen Fortschritt eingesetzt werden kann. Es ist angesichts der enormen demografischen Herausforderungen und der gleichzeitigen Chancen des KI-Zeitalters höchste Zeit, dass wir in Deutschland unsere Mutlosigkeit in der gesellschaftlichen Gestaltung von Technologie endlich strukturell überwinden, also in der Politik ebenso wie in Behörden und Unternehmen. Vor uns liegt, bei allen berechtigten Fragen zur KI in Bezug auf Ethik und Mündigkeit, ein Zeitalter großer ökonomischer Chancen. Davor aber stehen zwei typisch deutsche Probleme in der Digitalisierung: ein Mentalitätsproblem und ein Lobbyismusproblem.
Das Mentalitätsproblem**:** Wir machen die Digitalisierung „industriell“, nicht digital, d.h. wir denken sie vom Prozess her und nicht vom Kunden. Digitale Lösungen sind daher zumeist komplizierter und fehleranfälliger als analoge, zum Beispiel dadurch, dass man ein früher analoges Formular nun über ein nicht funktionierendes Netz hochladen muss, um es dann genauso umständlich auszufüllen wie vorher. Digitale Lösunge sind dann gut, wenn sie einen unmittelbaren Nutzen haben.
Das Lobbyismusproblem**:** Digitalisierung und insbesondere künstliche Intelligenz greifen Privilegien und Marktmacht an. Gerade in hochregulierten Bereichen und geschützten Berufen kommt es daher zu Abwehrkämpfen und Verteidigungsstrategien. Dadurch bleiben die beispielsweise gerade in der Gesundheitsversorgung oder in der Rechts- und Finanzberatung enormen Effizienzpotenziale weitgehend ungenutzt – zu Lasten der Patienten und Kunden. Hier muss eine regulatorische Öffnung für technischen Fortschritt dringend erfolgen.
Deutschland muss aus der Spirale aus Lethargie und Negativität endlich herauskommen. Überkommene Rezepte der Politik greifen nicht mehr und gehen an der gesellschaftlichen (und technologischen) Entwicklung vorbei. Das zeigt die aktuelle Debatte schonungslos. Eine produktive, kreative und inklusive Nutzung der fantastischen Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz uns bietet, ist die wahre Chance unserer Zeit.