Heute schon gekündigt? Wieso die Stellschraube Weiterbildung eine Alternative ist. #GreatResignation
Haben Sie schon Ihren Job gekündigt? Oder denken Sie derzeit darüber nach? Dann befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Den medialen Signalen zufolge werden nun auch deutsche Unternehmen von einer großen Kündigungswelle heimgesucht.
Schon im vergangenen Jahr sprachen die US-Amerikaner von der „Great Resignation“: Millionen Beschäftigte kündigten von sich aus ihre Jobs. Und tatsächlich scheint die Kündigungswelle auch in Deutschland anzukommen und sich das auch in Zahlen anzudeuten. Einer kürzlichen Forsa-Studie im Auftrag von XING zufolge scheint nach einer eher trägen Zeit in den vergangenen zwei Jahren der Pandemie die Wechselwilligkeit auch in Deutschland anzusteigen, nämlich um 12 Prozent auf 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mehr als ein Drittel der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer denken also akut über einen Jobwechsel nach.
Doch muss es immer direkt die Kündigung sein? „Viele gefrustet Wechselwillige unterschätzen ihre Stellschrauben beim aktuellen Arbeitgeber deutlich“, schrieb XING-Insider Bernd Slaghuis kürzlich bei Twitter. Die Verbesserung der Arbeitssituation und der Zukunftsperspektiven im aktuellen Unternehmen kann nämlich eine Alternative zur Kündigung ins Blaue sein. Wie das funktionieren und wie eine Weiterbildung dabei helfen kann, beschreibe ich in diesem Beitrag.
Warum Menschen ihre „sichere“ Arbeit kündigen
Es gibt sehr unterschiedliche Motive, weshalb Menschen mit dem Gedanken spielen, zu wechseln. Nach einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft ist für Beschäftigte „Gehalt der wichtigste Wechselgrund (49 Prozent), gefolgt von Karrieremöglichkeiten (43 Prozent). Dabei ist auch das Betriebsklima mit 38 Prozent ein wichtiges Motiv“ über den Jobwechsel nachzudenken.
Wenn es dann aber um die Gründe für eine tatsächlich erfolgte Kündigung geht, waren es laut Forsa-Studie:
schlechte Führung (28 Prozent),
Work-Life-Balance (27 Prozent) oder
Unzufriedenheit hinsichtlich der Tätigkeiten (24 Prozent).
„Finanzielle Motive spielen beim tatsächlichen Jobwechsel mit 19 Prozent eher eine nachgelagerte Rolle“, besagt die Forsa-Studie.
Alternativen zur Kündigung finden
Sofern der Druck noch nicht zu groß ist, die Führung und Kolleginnen und Kollegen ganz sympatisch und wenigstens eine grundlegende Übereinstimmung in Werten und Kultur noch vorhanden ist, kann es sich lohnen, vor einem endgültigen Abschied vom Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Trennung wirklich unumgänglich ist. Klar ist: Wenn das Porzellan zerschlagen ist und die Chemie mit Chefin, Chef, Kolleginnen und Kollegen nicht mehr stimmt, mag eine Kündigung unausweichlich sein. Gleiches gilt, wenn die Identifikation mit der gesamten Unternehmenskultur, den Werten oder gar den Produkten des Arbeitgebers einfach nicht mehr funktioniert. Dann nützt oft nur die Reißleine.
Wären Ihre Kündigungsmotive allerdings eher tätigkeitsbedingt (laut Forsa-Studie immerhin bei 24 Prozent), wäre die aktuelle Position schlichtweg (noch) nicht attraktiv genug, sind die Menschen in Ihrem aktuellen Betrieb eigentlich ganz sympathisch und auch die grundlegende Kultur im Haus verursacht Ihnen keine Bauchschmerzen, könnte es sich lohnen, wenn Sie darüber nachdenken, ob es Alternativen zur Kündigung gibt.
Job Crafting – selbst neue Perspektiven schaffen
Was können Sie also tun, wenn Sie sich im richtigen Unternehmen nur am falschen Platz fühlen? Sei es aus Unterforderung, Überforderung, Langeweile oder unpassenden oder falschen Tätigkeiten? Sie arbeiten bereits für Ihr Unternehmen und können ein gewisses Maß an Einfluss auf Ihre Stelle und Ihre Aufgabenbereiche nehmen. Dies unterstreicht auch HR-Experte Dr. Nico Rose. Er nennt das Prinzip der aktiven und initiativen Gestaltung der eigenen Arbeitsbedingungen JobCrafting. Dieser Ansatz, schreibt er, gehe davon aus, dass „Menschen prinzipiell die Möglichkeit haben, aus dem Job, den sie haben, jenen zu machen, den sie wirklich, wirklich wollen“. Karriereberaterin Ragnhild Struss betont in Bezug auf Job Crafting, „dass es immer möglich ist, kleine Anpassungen am eigenen Job vorzunehmen – mit dem Ziel, Arbeit optimal auf die eigenen Stärken abzustimmen, Zufriedenheit und Motivation zu steigern und so letztendlich auch dem Unternehmensziel zu dienen“.
Dabei können Sie Job Crafting im Alltag umsetzen, indem Sie Beziehungen knüpfen, neue Aufgaben annehmen, sich in neue Teams einbringen oder Ihre Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten und -ort optimieren. Viele Menschen machen das intuitiv, weil sie nach Aufgaben suchen, die ihnen Freude machen. Wenn Sie selbstverantwortlich Ihre Arbeitszufriedenheit in die Hand nehmen wollen, lohnt es sich die beiden vertiefenden XING-Insider-Beiträge von Nico Rose und Ragnhild Struss über Job Crafting zu lesen.
Weiterbildung als Schlüssel für geplantes Job Crafting
Job Crafting kann nämlich bisweilen sogar geplant und mit der betrieblichen Personalentwicklung abgestimmt laufen. So lohnt sich ein Gespräch mit der Teamleitung, der Abteilungsleitung oder der personalverantwortlichen Person, wenn Sie unzufrieden sind mit Aufgabenbereich und Tätigkeiten, wenn Überforderung, Unterforderung, Langeweile oder Routine die Arbeitszufriedenheit untergräbt und Sie neue Aufgaben übernehmen und Ihre beruflichen Wünsche gezielt verfolgen möchten.
Eine – idealerweise durch den Arbeitgeber unterstützte – Weiterbildung kann da wie ein Booster wirken. In einem konzentrierten und organisierten Lernprozess können oft viel schneller neue Inhalte und Kompetenzen erworben werden als über Jahre hinweg im Eigenstudium „on the job“. Diese Qualifikationen können dann im beruflichen Alltag effizienter vertieft und ausgebaut werden.
Per Weiterbildung zur Arbeitszufriedenheit
Die Spannbreite der Weiterbildungsmöglichkeiten ist dabei groß: von überschaubaren Learn-Nuggets per Video, zum Beispiel bei Udacity oder Coursera, bis hin zu institutionalisierten Weiterbildungen mit gesetzlich anerkanntem Abschluss, TÜV-, IHK- oder Scrum-Zertifikat. Wie eine Weiterbildung Sie dabei unterstützen kann, sich Ihren passenden Job zu craften, zeigen zwei reale Beispiele aus unserem Akademie-Alltag:
Bernhard beriet seit einigen Jahren mittelständische Kunden bei der Azubigewinnung und war frustriert wegen der herkömmlichen Methoden. Er erhielt von seiner Personalleitung die Chance, berufsbegleitend eine Weiterbildung zum Social-Media-Manager (IHK) zu absolvieren. Anschließend peppte er seinen routinierten Beratungsalltag mit seinem neuen Wissen auf: Er wurde in seinem Team zum Experten für Azubi-Gewinnung per Social Media.
Melanie arbeitete nach langer Familienphase als Bürokraft in einem Ingenieurbüro. Dabei kamen ihr das ursprüngliche Studium als Ingenieurin und ihre Kommunikationsfähigkeiten zugute. Allerdings fühlte sie sich als „bessere Telefonistin“ unterfordert. Gemeinsam mit ihrem Chef erarbeitete sie den Plan, sich mithilfe einer Weiterbildung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit für die Kundenbetreuung in diesem Gebiet fit zu machen. Heute betreut Melanie einige ihrer Kunden aus genau dieser Position: der Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Während das erste Beispiel belegt, wie eine Weiterbildung die bisherige Tätigkeit attraktiver für alle machen kann, geht es im zweiten Beispiel um einen völlig neuen Aufgabenbereich. Beide Alumni hatten den Mut, beim aktuellen Arbeitgeber auf Veränderung und auf neue Perspektiven zu drängen. Dadurch konnten sie die neu erworbenen Kenntnisse in den Job einbringen und sich dazu passende Aufgaben schaffen. Gewissermaßen kann dies als Job Crafting durch Weiterbildung in Absprache mit dem Arbeitgeber betitelt werden.
Weiterbildungsförderung für Arbeitgeber
Die beiden oben beschriebenen Beispiele sind von mir gezielt gewählt worden, denn in beiden Fällen wurden die Arbeitgeber durch die Qualifizierungsoffensive der Bundesagentur für Arbeit, die besonders kleine und mittlere Unternehmen anspricht, gefördert. Passende Weiterbildungen, wie der genannte „Social-Media-Manager (IHK)“ und die „Fachkraft für Arbeitssicherheit“ fördert dieses Programm bei kleinen Unternehmen gar bis zu 100 Prozent. Bisweilen sind solche Finanzspritzen für die Weiterbildung gute Argumente im Gespräch zur eigenen Personalentwicklung. Job-Crafting per Bildungsgutschein: Das funktioniert.
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Lars Hahn engagiert sich in verschiedenen Netzwerken, neben XING unter anderem bei Weiterbildung im Revier e.V, im Weiterbildungsforum Oberhausen-Mülheim und im Netzwerk Weiterbildung. Der obige Beitrag erscheint im Rahmen der Weiterbildungsoffensive Ruhr 2022 - #WeiterbildungRuhr22, das mit dem Motto „Du kannst mehr!“ wirbt. Er ist eine aktualisierte und überarbeitete Fassung eines Artikels, der zuerst auf LVQ.de erschien.