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In Balance: der Schlüssel für mehr Nachhaltigkeit und Stabilität

2010 veröffentlichte Prinz Charles gemeinsam mit Ian Skelly und dem Umweltpolitiker Tony Juniper das Buch „Harmonie“, in dem Themen wie Achtsamkeit, Bauen und Architektur, Kultur, Ökologie, Ökonomie und nachhaltiges Wirtschaften durch den „goldenen Faden uralter Einsichten“ miteinander verbunden sind. Das Wort Harmonie kommt aus dem Griechischen (harmonia) und bedeutet „Fügung, Klammer“, aber auch „Ebenmaß, Wohlklang“ und in der indogermanischen Bedeutung „Vereinigung von Entgegengesetztem zu einem Ganzen“. Die Natur bildet ein harmonisches System, was nicht unbedingt bedeutet, dass sie perfekt im Gleichgewicht sein muss.

Darum geht es auch im Dokumentarfilm gleichen Titels mit den US-Filmemachern Julie Bergman Sender und Stuart Sender, der 2012 Premiere hatte. Die Biomimetriker, erklärt Charles, haben erkannt, was die „materialistische Wissenschaft“ übersieht, dass die Natur seit Urzeiten ihr eigenes Forschungs- und Entwicklungsprogramm ablaufen lässt, mangelhafte Formen verwirft und nur die besten bewahrt. Wenn man sich dieser Formen bedient, können Dinge hergestellt werden, die im Einklang mit der Natur sowie energiesparender und biologisch abbaubar sind.

Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen auf Basis der Biomimetrik anbieten, werden „naturgemäß“ florieren – zum Vorteil aller: von den Mikroorganismen und potenziell gefährdeten Arten bis hin zu den kommerziellen Organisationen und Konsumenten. Dann ist das System in einem harmonischen und damit nachhaltigen Zustand. Wird dieses Gleichgewicht allerdings gestört, entsteht „Stress“ (lat. „stringere“: „anspannen“ oder „auseinanderziehen“), also ein Ungleichgewicht. Mit diesem Thema beschäftigt sich auch die Japanerin Akemi Tanaka in ihrem Buch „Die Kraft des Chowa“ („Harmonie“). Dies erfordert eine achtsame Anstrengung, die uns in Krisen hilft, denn um uns stabil und sicher zu halten, müssen wir uns austarieren. Es geht um kleine Handlungen, die uns für das Ungewisse wappnen. Einzeln betrachtet bedeuten die japanischen Schriftzeichen „die Suche nach dem Gleichgewicht“. Ziel ist eine psycho-physische Balance.

Die Autorin sieht die Notwendigkeit der Balance auch in einem größeren Kontext, denn unser Verhalten wirkt sich auch auf Natur und Umwelt aus. Das Ungleichgewicht zeigt sich auch in der heutigen Landwirtschaft: Früher sorgte ein Bauer (mittelhochdeutsch „gebure“: Nachbar, Dorfgenosse), wozu jeder Mitbewohner einer Siedlung gehörte, in einer harmonischen Gemeinschaft für den Bestand der Mitwelt. Wenn äußere Einflüsse wie Naturkatastrophen oder Klimaveränderungen diese Harmonie zerstörten, zogen alle an neue Orte, um dort wieder nachhaltige Strukturen aufzubauen. Und heute? Die industrielle Landwirtschaft hat damit kaum mehr etwas zu tun: „Jeder einzelne Faktor dieses neuen Systems ist akutem Stress ausgesetzt … In Deutschland geben jährlich fast eintausend ‚Biolandwirte‘ auf und gehen wieder zu der ‚Killerlandwirtschaft‘ über, weil sich richtige Landwirtschaft ‚nicht mehr rechnet‘.“ Umso wichtiger ist es, diejenigen zu fördern, die dennoch auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise setzen.

Beide Wörter haben ihren Ursprung im lateinischen „bilanz“ (Waage mit zwei Schalen). Bei der Aufstellung von Bilanzen im übergeordneten Nachhaltigkeitskontext geht es beispielsweise um die Fragen: Wie viel CO2 entsteht etwa jährlich, wie viel wird wieder verbraucht? Weshalb sind der Kohlenstoffkreislauf und seine Bilanz für die Debatte um den Klimawandel so wichtig? Auch der Austausch durch Diffusion trägt zur Bilanz bei.

Die Themen Harmonie und Balance werden aber auch im Rahmen nachhaltigkeitsorientierter Produktpolitik von Öko-Unternehmen aufgegriffen, etwa wenn eine Duftmischung ("Schlafwohl") aus Lavendelöl mit „harmonischem“ Neroliöl und beruhigendem Honigextrakt vorgestellt wird, ebenso Räucherstäbchen aus 100% natürlichen Duftstoffen, die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit fördern. Auch tibetischen Düfte ("Lotus beruhigend", "Mandala harmonisierend", "Himalaya entspannend" und "Buddha Meditation") gehören dazu. Bio-Tees mit dem Namen "Balance" verbinden die feine Schärfe von Sternanis mit der herben Frische von Pfefferminze und der zarten Süße von Fenchel und Süßholz: „Es entsteht ein harmonischer Teegenuss, der sich ausgleichend auf Körper und Seele auswirkt.“ (Quelle: memolife).

Sitzen und Wohlbefinden hängen eng zusammen: Wer sitzt, kann gut atmen, ruht physisch aus und befreit sich auch von kognitiver Belastung, was wiederum der Konzentration zugutekommt. So ist es kein Zufall, dass in vielen Kulturen die Bezeichnungen für Sitzen und Sitzmöbel der Silbe „sed“ entstammen, die auch für hemmen, isolieren und besänftigen steht. Im Büro sorgen Rollhocker wie "Balance Fit" oder ergonomische Bürodrehstühle mit der "Balance-Movement"-Technik für Abwechslung beim richtigen Sitzen. All diese Beispiele zeigen, dass der inneren Stabilität und Motivation als dem Bewegenden und Tragenden heute eine besondere Bedeutung zukommt, weil die Gesellschaft immer komplexer und instabiler wird.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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