Informieren statt unterhalten: Warum wir dringend Klartext brauchen
Der Gewinner des Eurovision Song Contest 2017, der Jazz-Sänger-Salvador Sobral aus Portugal, setzte mit seiner Ballade "Amor pelos dois" auf eine minimalistische Performance. "Wir leben in einer Welt völlig austauschbarer Musik - Fast-Food-Musik ohne jeden Inhalt", erklärte er nach der Übergabe der ESC-Trophäe: "Musik ist kein Feuerwerk. Musik ist Gefühl. Lasst uns versuchen, etwas zu ändern und die Musik zurückzubringen!" Das hate eine enorme Symbolkraft in einer Zeit der lauten Bilderflut und des Immer-mehr. Wer das Ende sieht oder ihm nahe war (Sobral wartete auf ein Spenderherz), der weiß, dass alles, worauf es ankommt im Leben, wahrhaftig, klar und ruhig ist. Was für die Musik gilt, sollte auch für Medien und Kommunikation gelten. Gegen Hysterie und „alternative Fakten“, Reize und Signale, die unser Verstand nicht mehr verarbeiten kann, hilft nur eines: Klartext.
In diesem Zusammenhang sei auch an das letzte Interview des Publizisten Roger Willemsen erinnert: "Ich würde gerne glauben". Sein 60. Geburtstag am 15. August 2015 war für ihn Anlass für einen Blick zurück. Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht von seiner Krebserkrankung (ein halbes Jahr später war er tot). Er spricht in diesem Interview mit dem Domradio über die ganz gerührten, innigen Momente seines Lebens, die ihm zuweilen auch die Sprache verschlagen haben. Stille, „ein Loch in einer Fernsehsendung“, empfand er als Kostbarkeit, weil sich hier die Gedanken seines Gegenübers gesammelt haben und nichts abgesprochen war.
Da er sein Leben und seine Arbeit im Kommunikationsbereich als sehr privilegiert empfand, wollte er etwas tun, das anderen hilft und die gegebene Frist sinnvoll nutzen. Da für ihn zu den größten Glückszuständen der Zustand der Produktivität gehörte (etwas „hervorzubringen“), richtete sich sein Fokus vor allem auf das, was er noch hervorbringen wollte: „Ich möchte weniger unterhalten als informieren.“ Das sind seine letzten öffentlichen Sätze – und sein Vermächtnis an uns.
Information stammt vom lateinischen Verb informare ab, das so viel bedeutet wie formen, bilden oder gestalten (für Willemsen war es „hervorbringen“). Darin ist der Gedanke enthalten, dass wir aus einer Menge von Informationen etwas anderes werden lassen, das größer sein könnte als die Summe der einzelnen Teile – wir sind eben nicht nur informierte Wesen, „sondern in der Lage, Informationen zu transformieren in etwas, das wir dann Wissen nennen“, sagt die Philosophin Ina Schmidt. Durch „Informieren“ erhalten wir einen klaren Blick für das, was eine kluge Entscheidung ausmacht, denn es braucht einen Maßstab, der hilft, in lauten und unübersichtlichen Zeiten die eigene Existenz neu auszurichten.