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Ingenieur der Zukunft: Zum Wandel eines Berufsbildes

Berufsbilder sind nicht statisch, sondern unterliegen einem steten Wandel, an dem sich auch die Ausbildung orientieren muss.

„Das wird durch die immer schneller werdenden technologischen Veränderungen im Zuge der Industrie 4.0 umso relevanter“, sagt Stefan Hofer, Abteilungsleiter Marketing bei der NEUMÜLLER Unternehmensgruppe. Ingenieure müssen heute nicht unbedingt mehr Qualifikationen aufweisen können als früher, sondern andere. So hat beispielsweise ein Maschinenbauingenieur vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 zumindest Grundkenntnisse der Informatik. Von Mechatronik-Ingenieuren wird erwartet, dass sie mit breitem Ingenieurwissen aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Informationstechnik sowie vertieftem Detailwissen und hoher Methodenkompetenz in der Lage sind, komplexe Fragestellungen mit innovativen Lösungen zu meistern und auf diese Weise neue Prozesse, Systeme und Produkte unter Nutzung von mechatronischen Synergiepotenzialen konzipieren können. Auch mit Blick auf Zukunftsfelder wie IoT oder Big Data werden immer neue Herausforderungen auf das Berufsfeld des Ingenieurs zukommen.

„Doch das Fachwissen ist für den Ingenieur der Zukunft nur die eine Seite der Medaille. Die technische Expertise ist zwar unabdingbar und wird völlig zu Recht mit entsprechender Spezifikation in der Ausbildung oder im Studium gelehrt. Unternehmen fordern aber mehr als das. Ein Ingenieur der Zukunft muss den Blick über den Tellerrand wagen können“, so Hofer. Schon seit Jahren wird gefordert, dass Ingenieure ein besseres Verständnis für ihnen fremde Fachdisziplinen mitbringen sollten. Dies führt schließlich zu einer Veränderung der Qualifizierungsbedarfe angehender Berufseinsteiger – vor allem in den Ingenieurwissenschaften. „Die Interdisziplinarität, die unter anderem Elektro- und Informationstechnik, Mechatronik, Maschinenbau und Informatik berücksichtigt (das Fundament für das System Engineering), muss dabei auf einem Niveau erreicht werden, in dem bestehende Ausbildungsgänge und verschiedene Fachdisziplinen nachhaltig miteinander verbunden sind. Bereits die Anpassung der Grundausbildung (zum Beispiel Fächermix) ist dabei von enormer Bedeutung“, betont der Personalexperte Werner Neumüller, Chef der gleichnamigen Unternehmensgruppe. Dabei verweist er auch auf die spezifischen Anforderungen an die Ausbildung von Ingenieuren. Dazu gehören vernetztes Denken und interdisziplinäres Verständnis, Fach-, Methoden- und Führungskompetenz, Spezialwissen kombiniert mit daran orientiertem Breitenwissen sowie Interagieren in interdisziplinären Teams.

Der Ingenieur der Zukunft ist auch ein Wirtschaftler und Kommunikator.

„Die Hierarchien werden in den Unternehmen immer flacher, die Entscheidungswege kürzer. Für den Ingenieur bedeutet das, dass auf ihn auch eine kommunikative Rolle zukommt“, bemerkt Stefan Hofer. Der Ingenieur fungiert als wichtige Schnittstelle mit relevanten Bezugsgruppen, beispielsweise im Kontakt mit Kunden, Zulieferern, Mitarbeitern oder Führungskräften aus anderen Bereichen. „Diese Kommunikation wird immer näher und transparenter geführt. Der Ingenieur der Zukunft benötigt also ein entsprechendes Know-how und Feingefühl dafür“, so der Marketingexperte. Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Ingenieure bilden die zweithäufigste Gruppe an Absolventen, die in den Vorstandsetagen zu finden sind. Allerdings kennen die meisten nicht die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen.

Dass die Anforderungen an Bauingenieure stetig steigen, bestätigt auch das Beispiel der Krieger + Schramm Gruppe, die sich seit 1992 von einem reinen Bauunternehmen zu einem modernen und leistungsfähigen Wohnungsbau-Spezialisten mit Niederlassungen in Dingelstädt/Eichsfeld, Lohfelden/Kassel, Frankfurt/Main, München und Berlin entwickelt hat. „Mit der fachlichen Kompetenz ist es meist aber nicht getan. Es bedarf in der heutigen Zeit und in Zukunft einer ausgeprägten Führungs- und Kommunikationskompetenz“, bestätigt Michael Fuhlrott, verantwortlich für den Bereich Personalwesen. So gehört zum Anforderungsprofil der Fachingenieure in TGA/HLS hier ein abgeschlossenes technisches Studium im Bereich Versorgungstechnik, Haustechnik oder vergleichbar Erfahrung in der Projektabwicklung, Erfahrung in herstellerneutralen Ausschreibungen und Vergaben, gute VOB- und HOAI-Kenntnisse, unternehmerisches Denken und Vertragsverständnis, gewerkeübergreifende Denkweise und die Bereitschaft, andere Gewerke zu unterstützen sowie ausgeprägte Team- und Kommunikationsfähigkeit.

Das Baugewerbe ist multikulturell und auch die (privaten) Kunden haben die verschiedensten Ansprüche. „Ein Bauleiter beispielsweise muss in alle Richtungen als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Die Herausforderung besteht dabei in der Ausbildung. In einem klassischen Ingenieur-Studium spielen die Themen Führung und Kommunikation eine sehr untergeordnete Rolle. Die Studierenden lernen häufig nicht, wie man gut, zielorientiert und wertschätzend mit verschiedenen Menschen umgeht“, so Fuhlrott. Aus Unternehmenssicht ist es unbedingt notwendig, nicht nur die fachlichen Kenntnisse zu vermitteln, sondern auch die zwischenmenschlichen. „Vor allem der Baubereich ist geprägt durch Menschen, schließlich ist es (noch) ein echtes Handwerk, wo Menschen zusammentreffen. Hier spielt eine gute Kommunikation eine extrem hohe Rolle.“

Unternehmen hoffen auf ein entsprechendes Umdenken in der Ausbildung.

Eine gute Lehre muss beispielsweise angehende Ingenieure befähigen, innovative Produkte zu kreieren und fundierte Ingenieurleistungen zu erbringen. Ein Schlüsselfaktor einer berufsbefähigenden Hochschullehre ist das Sammeln von Erfahrung in einer industrieorientierten Arbeitsumgebung. „Die Praxiserfahrung ist eine der größten Schwachstellen der Ingenieurwissenschaften. Um die Probleme gemeinsam zu lösen, sollten Unternehmen ihre Verbindung zu den Universitäten und Fachhochschulen vertiefen“, sagt Werner Neumüller. Auch Inhalte der Curricula müssen in regelmäßigen Abständen zwischen einer soliden Grundausbildung und sinnvollen Spezialisierungen in gesellschaftlich relevanten Bereichen immer wieder neu ausbalanciert werden. Um den steigenden Bedarf an qualifizierten Ingenieuren und technischen Fachkräften zu decken, ist eine gezielte Förderung von an Technik interessierten jungen Menschen notwendig. Werden beispielsweise für Schülerinnen und Schüler schon im Schulunterricht die Tätigkeiten und Inhalte von Ingenieuren und technischen Berufen nachhaltig erlebbar, so wirkt sich das auch auf die spätere Studienwahl aus.

Weiterführende Informationen:

Ingenieur der Zukunft: So drastisch wandelt sich das Berufsbild

Sven Matthiesen, Kevin Hölz, Sandra Drechsler und Tim Bruchmüller: Universitäre Ausbildung von Konstrukteurinnen und Konstrukteuren im Kontext des industriellen Wandels.

Werner Neumüller: Rekrutierungsunterstützung über Personaldienstleistung und Arbeitnehmerüberlassung. Am Beispiel der Neumüller Unternehmensgruppe.

Beide in: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Auflage Heidelberg Berlin 2021.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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