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Ist Bambus die Wunderpflanze der Zukunft?

Überall im Alltag begegnet er uns. Seine Vielseitigkeit verdankt er etlichen Einsatzgebieten und Produkten. Er steckt in Baumaterial, Möbeln, Fahrrädern, Hauswänden, Bodenbelägen, Textilien, Tragetaschen und dient als dekorativer Sichtschutz im Garten. Viele der frühesten Glühlampen wurden mit Fäden aus verkohlten Bambusfasern zum Leuchten gebracht. Thomas Edison stellte fest, dass Bambusfasern bis zu 1000 Stunden lang glühen – während Baumwolle nach einigen Stunden durchbrennt. In Asien hat die Pflanze eine lange Tradition und ist hier ein selbstverständlicher Begleiter des Alltags.

Allerdings wächst Bambus nicht in dieser Menge in Deutschland und muss deshalb oft über sehr weite Strecken transportiert werden. „Die niedrigen Umweltauswirkungen hat die Pflanze also nur, wenn sie in der Nähe ihres Anbaugebietes bleibt. Eine positive Ökobilanz scheitert deshalb vor allem am Transport“, sagt Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation beim Ökoversender memo. Bambus wird mittlerweile zwar auch in Ländern wie Äthiopien angepflanzt, aber das Hauptexportland dafür ist China, wo die Umwelt- und Sozialstandards oft deutlich niedriger als in Europa sind. Derzeit sind die Strukturen so, dass viele Bauern nur geringe Mengen Bambus anbauen und selbst ernten können. Es ist deshalb sinnvoll, auf nachhaltigen Anbau zu achten, sich gegebenenfalls beim Händler nach den Produktionsbedingungen zu erkundigen oder auf der Website der Anbieter von Bambus-Produkten nach entsprechenden Informationen zu suchen.

Ausführlich wird beispielsweise auf der Website des Öko-Pioniers memo die Kooperation zwischen dem deutschen Unternehmen my Boo und seinem Partner Yonso Project, einem sozialen Projekt in Ghana, erläutert. Beide stellen Fahrräder mit Rahmen aus Bambus her: Die besten Stangen werden von innen behandelt, bis sie bereit für den Aufbau sind. Sie sind so präpariert, dass sie optimal in die Einspannvorrichtung passen. Mithilfe von Harz werden die Bambusrohre an den Aluminiumkomponenten fixiert und über Nacht getrocknet. Die Verbindungsstellen werden mit in Harz getränkten Hanfseilen umwickelt. Nach dem Trocknen sind die Rahmen sehr stabil. Anschließend folgt der aufwändige Abschliff per Hand, damit der Rahmen auch optisch die höchsten Ansprüche erfüllt. Lackierung und Prüfung der Bambusrahmen erfolgen in Deutschland. Aufgebaut werden die Räder in der Manufaktur in Kiel. Seit 2013 arbeitet die my Boo GmbH mit dem Yonso Project zusammen, das sich in Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghansa, für mehr Bildungschancen für Kinder, gegen Jugendarbeitslosigkeit und für Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen einsetzt. Der Verkauf der Bambusfahrräder finanziert Stipendien, die Kindern aus armen Verhältnissen den Schulbesuch ermöglichen. Auch wurde durch die Zusammenarbeit mehreren jungen Ghanaern eine Ausbildung und damit ein fester Job mit fairer Bezahlung und Sozialversicherung ermöglicht.

Angeboten wird das Produkt auch über verschiedene ökologische Onlineshops. Als erster deutscher Groß- und Einzelhändler wird memo seit 2005 nach den Kriterien des FSC® zertifziert (GFA-COC-001238). Durch die Produktkettenzertifizierung, d.h. die Überprüfung der gesamten Verarbeitungskette beginnend bei der Waldbewirtschaftung bis zum Einzelhändler, verpflichtet sich der Onlineversender, dass Holzprodukte aus den Bereichen Büro- und Schulbedarf, Haushaltswaren, Büro-, Wohn- und Gartenmöbel sowie Werbeartikel, die das Umweltzeichen tragen, aus verantwortungsvoller Forstwirtschaft stammen. Das FSC®-Siegel ist für Bambusprodukte allerdings noch sehr selten. Eine „Wunderpflanze“ wäre Bambus für uns dann, wenn sie auch in Europa angebaut wird. Da die Bambusbranche hier allerdings noch am Beginn steht, gibt es bisher nur wenige stabile Handelsbeziehungen und kaum Zertifizierungen.

Denn häufig wird damit geworben, dass das Bambus-Geschirr „umweltfreundlich“, „biologisch abbaubar“ oder „ausschließlich aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt“ werde. Das ist falsch, denn der in den Kontrollen festgestellte Kunststoff Melamin-Formaldehyd-Harz (MFH) ist nicht biologisch abbaubar. Häufig werden künstliches Melaminharz oder andere Kunststoffe beigemischt, um das Geschirr bruchfest zu machen. Bei einer Hitzezufuhr von über 70 Grad können sich diese Stoffe aus dem Geschirr lösen und gesundheitsschädlich wirken. Coffee-to-go-Becher aus Bambus werden oft als vermeintlich umweltfreundliche Alternative zu Plastikbechern angeboten. Die Stiftung Warentest kam im Sommer 2019 allerdings zu fatalen Ergebnissen: Aus mehr als der Hälfte der getesteten Bambusbecher gingen sehr hohe Mengen Schadstoffe ins Getränk über. Die „Bambus“becher enthielten nur teilweise (zermahlene) Bambusfasern und Kunststoff.

• Nicht alle als Bambusprodukte verkaufte Waren sind nachhaltig.

• Textilbereich: Bambus-Kleidung besteht vor allem aus Bambusviskose (diese aus Bambuszellulose gewonnenen Chemiefaser hat kaum etwas mit einem nachhaltigen Naturprodukt zu tun).

• Es gibt bislang nur wenige Siegel und etablierte Zertifizierungen, die für den Verbraucher faire und ökologische Produktionswege nachvollziehbar machen.

Dennoch ist Bambus ein Rohstoff mit viel Potenzial.

• Bambus ist stabil wie Stahl, leicht wie Aluminium und komfortabel wie Carbon.

• Die Halme von industriell nutzbaren Sorten können als Alternative zu Baumholz verwendet werden.

• Bambus ist widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen.

• Beim Anbau müssen keine schädlichen Pestizide oder Düngemittel eingesetzt werden.

• Jährlich können große Mengen geschlagen werden, ohne dabei den Gesamtbestand zu gefährden.

• Eine künstliche Bewässerung ist meistens nicht nötig.

• Viele Bambusarten wachsen sehr schnell (oft bis zu einem Meter täglich) und können bereits nach drei bis fünf Jahren geerntet werden.

• Die Pflanze kann viel Kohlenstoffdioxid aus der Luft aufnehmen und binden bis zu viermal mehr CO2 als andere Baumarten.

• Bambus speichert mehr CO2 als Bäume, weil auf einer gleich großen Fläche in derselben Zeit mehr davon angebaut werden kann.

• Es können jährlich große Mengen gefällt werden, ohne dass der Bestand gefährdet wird (im Gegensatz zu herkömmlichen Bäumen stirbt dabei nicht die ganze Pflanze).

Bambus boomt – aber wie grün ist der Holzersatz wirklich?

Svenja Napp: Bambus oder heimische Hölzer. In: stern (29.4.2021), S. 62.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Nachhaltigkeit begreifen: Was wir gegen die dummen Dinge im Zeitalter der Digitalisierung tun können. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2021.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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