Ist der DFB bereit für einen Neuanfang?
Ob er dazu wirklich bereit ist, wird sich auf dem Bundestag im März 2022 zeigen. Es besteht allerdings dann eine gute Chance hin zu mehr glaubwürdigem Handeln, wenn die Delegierten sich nicht erneut zur bloßen Abstimmungsmaschine missbrauchen lassen, sondern eigene Inhalte und Personalvorschläge entwickeln.
Wie in allen Lebensbereichen sind Maß, Mitte, also Balance gefragt. Der DFB muss nicht alles machen. Er ist und bleibt ein Sportverband allerdings mit hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Anspruch und Wirklichkeit des Engagements müssen wieder mehr in Einklang gebracht werden. Das ist die zentrale Aufgabe.
Glaubwürdiges Handeln, orientiert an Inhalten, ist gefragt und keine taktischen Spielchen zum eigenen Machterhalt.
Die Antwort auf diese Frage lässt sich nicht einfach in eine mathematische Gleichung bringen. Traditionen sind wichtig, sie gehören dazu und aus der Geschichte kann man immer lernen. Neuen Herausforderungen in Sport und Gesellschaft muss man dann allerdings auch stets offen begegnen.
Der Bundestag musste vorverlegt werden, weil führende Repräsentanten ihre Glaubwürdigkeit völlig verloren hatten. Über die notwendigen Entscheidungen inhaltlicher und personeller Art will ich heute nicht spekulieren. Ich würde mich schon freuen, wenn an die Stelle der Selbstbeweihräucherung in den letzten Jahren etwas mehr Wahrheit und Wahrhaftigkeit treten würde. Und ja, ich beabsichtige als Delegierter des Fußballverbandes Rheinland anwesend zu sein.
Da müssen Sie meine Nachfolger im Amt fragen, wobei ich aus den Gesprächen mit Reinhard Grindel aber durchaus den Eindruck gewonnen habe, dass er der Thematik insgesamt sehr aufgeschlossen gegenüberstand.
Indem er sich Expertenrat intensiv zu Nutze macht und Altfunktionären (die durchaus auch jüngeren Alters sein können) eine klare Absage erteilt, wenn sie verkünden: Das haben wir doch schon immer so gemacht!
Ich sehe hier, ehrlich gesagt, bei weitem nicht die Probleme, die herbeigeredet werden. Professionalität im wirtschaftlichen Handeln und Ehrenamtlichkeit im gemeinnützigen Bereich schließen sich doch nicht aus. Im Gegenteil sie können sich durchaus gut ergänzen, wenn man es nur will und richtig lebt.
Wer aber die Arbeit der Ehrenamtlichen nur bei Festreden feiert, und es im Übrigen den Profis überlässt, gutes Geld zu verdienen, arbeitet an den Anforderungen vorbei. Mit Wahrheit, Transparenz und glaubwürdigem Handeln lässt sich Nachhaltigkeit durchaus auch in einem gemeinnützigen Verband verwirklichen.
Ich halte das geltende Vereins- und Verbandsrecht durchaus für geeignet, die Grundlage für eine effiziente Aufgaben Erfüllung zu legen, unabhängig davon, ob die Geschäfte im wirtschaftlichen Bereich, in einer eigenen Organisationsform etwa einer GmbH betrieben werden oder nicht. Es wäre aus meiner Sicht allerdings ein Treppenwitz, die Mitglieder des DFB, also gerade auch die Landesverbände, aus ihrer Verantwortung zu drängen. Dann könnten die Verantwortlichen den Verband ja auch gleich an Bertelsmann, Adidas, VW oder wen auch sonst immer verkaufen. Eine solche „schleichende Entmachtung“ der Mitglieder beobachte ich seit langem, dagegen muss man sich wehren. Es bringt nichts Gutes mit sich, wenn die Mitglieder aus der Mitsprache und Mitverantwortung weitgehend entfernt und zu bloßen Almosenempfängern degradiert werden, zugleich indes immer mehr „Externe“ die Macht ergreifen. Bedeutung erwächst aus Aufgabe und Verantwortung. Bei der sportlichen, gesellschaftlichen und medialen Bedeutung des DFB müssen Präsidenten aber nicht alles machen. Sie müssen indes auf der Grundlage der demokratisch gefassten Beschlüsse in den Gremien natürliche Autorität im Sinne umfassender Informationsrechte und zudem Richtlinienkompetenz haben. Insoweit war die Fritz Keller zugemutete Beschneidung seiner Kompetenzen eine eklatante Fehlentscheidung und muss rückgängig gemacht werden.
Die Initiative „Fußball kann mehr“ um Katja Kraus und ihre Mitstreiterinnen begrüße ich sehr. Auch sie könnte helfen, dem Verband ein neues glaubwürdigeres Gesicht zu geben.
Ja, dort wo es notwendig ist, aber ohne das Können, die Erfahrung und den Weitblick von Ehrenamtlichen zu verletzen.
Dr. Theo Zwanziger, geboren 1945 in Altendiez, war von 1992 bis 2001 Vorstandsmitglied des DFB, von 1992 bis 2001 Vorsitzender des Fußball-Verbandes Rheinland, von 2001 bis 2004 Schatzmeister des DFB, von 2004 bis 2006 Geschäftsführender Präsident des DFB und von 2001 bis 2012 Präsidiumsmitglied des DFB. Von 2003 bis 2006 war er OK-Vizepräsident und von 2006 bis 2012 Präsident des DFB. Er war Mitglied des UEFA-Exekutivkomitee und Mitglied des FIFA-Exekutivkomitee. Für sein gesellschaftliches Engagement ist er u. a. mit dem Leo-Baeck-Preis ausgezeichnet worden.
Theo Zwanziger: Fußball ist Politik – Fußball ist Gesellschaft. In: CSR und Sportmanagement. Jenseits von Sieg und Niederlage: Sport als gesellschaftliche Aufgabe verstehen und umsetzen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. 2. Auflage, SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2019, S. 11-18.