Klimaneutralität: Welche Rolle spielen Mobilität und Verkehr?

Der Verkehrssektor ist für etwa ein Viertel aller Treibhausgase verantwortlich. Etwa zwei Drittel kommen von Personenkraftwagen, ungefähr ein Drittel von Lastwagen und Bussen.

Der weltweite Anteil der Schifffahrt wird mit etwa 2 Prozent berechnet, jener der Luftfahrt mit ca. 3 Prozent. Der Schienentransport macht etwa 0,4 Prozent aus. Allerdings sind Emissionsvergleiche zwischen Verkehrsmitteln immer schwierig, weil jeder Vergleich auf vielen Annahmen beruht. Welche Teile des Lebenszyklus werden betrachtet?

  • Reine Emissionen im Fahrbetrieb?

  • Emissionen und Energieaufwendungen für die Treibstoff oder Stromherstellung?

  • Um welchen Erzeugungsstrommix handelt es sich?

  • Welche Rolle spielt die Fahrzeug- und Batterieherstellung sowie die Infrastruktur und des Primärenergieeinsatzes und seiner Emissionen?

  • Inwiefern werden Recycling und Entsorgung berücksichtigt?

Schon diese Fragen zeigen, wie komplex, unübersichtlich und schwierig der Umgang mit diesem Thema ist. Üblicherweise werden beim Vergleich der unterschiedlichsten Verkehrsmittel hinsichtlich ihrer Umwelt- und Klimabelastung vor allem die aus der Antriebsenergie stammenden Emissionen verglichen:

  • Pkw, Lkw und Bus (Diesel- oder Benzintreibstoff)

  • Bahn oder Auto (Strom)

  • Flugzeug (Kerosin und ein Abgaszuschlag)

  • Schiff (Schwer-, Diesel- oder das Marinedieselöl).

Kaum berücksichtigt wird dagegen die Herstellung der Verkehrsmittel (am ehesten noch der zwischen E-Auto und konventionellen Auto). Bei Bahn oder Flugzeug ist das kaum der Fall. Die nötige Infrastruktur und die dafür erforderlichen Aufwendungen werden ebenfalls kaum einbezogen. Aber auch die Auslastung der Verkehrsmittel (Pkw ca. 35 %, Bahn ca. 50 %, Flugzeug ca. 80 %) spielt eine wichtige Rolle. Einige Studien sehen beim Vergleich der CO2-Bilanz pro Personenkilometer von motorisiertem Individual-, Luft- und Bahnverkehr keinen eindeutigen „Klimasieger“, während die meisten die Bahn klar an erster Stelle zeigen. Der größte Hebel zur Steigerung der CO2- und Energieeffizienz liegt nach Ansicht des Energieinfrastrukturexperten Bernd Spatzenegger:

  • in der Erhöhung der Nutzungsquoten im Individualverkehr („Mobility-as-a-Service“, autonomes Fahren in Kombination mit vernetztem Service)

  • im öffentlichen Verkehr

  • in der weitergehenden Elektrifizierung

  • im Fokus auf Recycling und Rohstoffwiederverwendung

  • in der verlängerten Nutzungsdauer der Verkehrsmittel.

  • Um die aktuellen Herausforderungen zu verstehen, braucht es eine grundlegende Transformation in Richtung nachhaltige Mobilität.

Dabei wird ein ganzheitlicher Blick auch auf Teilaspekte benötigt. So wäre es beispielsweise sinnlos, „Millionen von E-Autos zu produzieren, wenn der Strom für den Betrieb (und letztlich auch für deren Erzeugung) nicht vorwiegend aus erneuerbarer Energie stammt – auch in der Nacht und im Winter. Andernfalls wäre es umweltfreundlicher und sinnvoller, beim Diesel-Pkw oder Benziner zu bleiben“, so Spatzenegger. Eine längst überfällige Verkehrswende, bei der Klimaschutz und Lebensqualität im Fokus stehen, ist dringlich. Dazu braucht es auch den politischen Willen, die Klimafrage mit oberster Priorität anzugehen, das Bewusstsein für Dringlichkeit sowie richtige Projektorganisation und Ausbildung.

„Gemeinsam mit dem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Verbesserung der Radfahrinfrastruktur wird eine Erhöhung des Fußgänger- und Radverkehrs in dicht besiedelten Bereichen zu einer Entlastung und Verdrängung des Individual-Pkw-Verkehrs führen. Die CO2- und Klimaauswirkungen sind aufgrund der geringen Kilometerleistungen klein, aber die lokalen Auswirkungen auf Lärm, Feinstaub, Stickoxide und sonstige, vor allem bei Kurzstreckenfahrten ausgestoßene Schadstoffe werden merkbar und messbar sein“, schreibt Spatzenegger in seinem aktuellen Buch „Die Energielüge“, das in vielen Teilen den Sammelband „Fokus Mikromobilität“ des Büchner Verlages ergänzt, der auch Entwicklungen im Digitalbereich vorstellt.

Der Projekt- und Engineeringmanagement-Experte für Industrie und Anlagenbau (erneuerbare und konventionelle Energie) setzt hier mit konkreten Beispielen und kritischen Fragen an, die der Debatte neue Impulse geben: „Beim Nahverkehr werden die selbstfahrenden Fahrzeuge (Level-5-Autonomie) vielleicht noch einige Überraschungen für uns bereithalten. Wer braucht noch einen eigenen Pkw, wenn der selbstfahrende elektrische Pkw per App bestellt wird und nach Abschluss der Fahrt schon den nächsten Kunden befördert oder gleich als Sammeltaxi dient? Braucht es dann noch einen Linienbus mit 50 Sitzplätzen, der nur von Haltestelle A nach B fahren kann?“

Das Wegenetz ist kürzer und lässt sich leichter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen. Auch Versorgungsinfrastrukturen können effizienter aufgebaut werden. Am Land können verfügbare Flächen eher genutzt werden, um eine eigenständige Energieversorgung sicherzustellen. Der Energiebedarf wird eigenständig gedeckt durch Flächen für Solar, Wind, Geothermie, Wärmepumpen und Biokraftstoffe. Im Wohn- und Immobiliensektor setzt sich die Niedrigenergiebauweise immer mehr durch. Der Hauptenergietreiber Verkehr kann durch Elektroantriebe und Photovoltaik entschärft, die Lebensmittelversorgung aus eigener Fläche gewährleistet werden.

„Das Land ist damit als Lebensraum nicht besser, umwelt- oder klimafreundlicher als die Stadt, aber anders.“ Generell bleibt festzustellen, dass es für klimapolitische nachhaltige Erfolge eine Klimapolitik braucht, die langfristig Investitionen in neue, klimaneutrale Technologien fördert und auf diese Weise den Verbrauch von Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzt. Dazu werden allerdings Anreize in Richtung erneuerbare Energien, energetische Sanierung und klimafreundliche Mobilität benötigt.

  • CSR und Energiewirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2019.

  • Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.

  • Olaf Schulze: Mobilität gegen den Klimawandel. Das Mobilitätskonzept der METRO. In Klimawandel in der Wirtschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Heidelberg, Berlin 2020.

  • Bernd Spatzenegger: Die Energielüge. Warum das Klimaziel eine Illusion ist und wie wir die Wende trotzdem meistern. ecoWing Verlag bei Benevento Publishing Salzburg – München 2023.

  • Zukunft Mikromobilität. Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen. Ein Rad-Geber. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber. Büchner Verlag, Marburg 2022.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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