Klimaschutz und Wohngesundheit: Wie Frauen an der Zukunft bauen
Füße am Boden – Nase im Wind
Nachhaltigkeit ist ein strategisches Konzept für Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt, das ganzheitlich ansetzt, indem es sich auf die gesamte Wertschöpfungskette bezieht. Vor diesem Hintergrund sind heute Unternehmerinnen, Unternehmer und Führungspersönlichkeiten gefragt, die ihr Handeln nicht ausschließlich in den Dienst des Geldes stellen, sondern durch soziales, ökologisch und natürlich unternehmerisch verantwortungsbewusstes Handeln Nachhaltigkeit in Produktqualität, Ökologie und Wachstum schaffen.
Dabei ist nicht allein die Transparenz über das Handeln entscheidend. „Es braucht auch verständliche Geschichten, die vermitteln, warum Unternehmen mit ihren Produkten und Dienstleistungen zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen“, sagt Gisela Rehm, die seit Dezember 2016 das Marketing bei Häcker Küchen in Rödinghausen verantwortet. Sie ist für die Marke weltweit verantwortlich und kümmert sich gemeinsam mit einem 45-köpfigen Team sowohl um den Markenauftritt in den jeweiligen Ländern, die Außendarstellung als auch um klassische Marketingmaßnahmen. Davor arbeitete sie als Marketingleiterin bei der Smeg Hausgeräte GmbH und verantwortete unter anderem die Marketing-Strategie für Deutschland und Österreich. Darüber hinaus führte sie die Smeg Academy ein, die Trainings und Schulungen für Händler anbietet. Auch der Ausbau des Online-Marketings und die Etablierung eines länderübergreifenden Marketingaustausches zwischen internationalen Organisationen fielen in ihr Aufgabengebiet. Zuvor arbeitete sie 15 Jahre bei BSH Bosch Siemens Hausgeräte: u. a. im Produktmarketing und Vertrieb bei den Marken Bosch, Siemens, Neff und Gaggenau. Auslandserfahrung sammelte sie darüber hinaus zwei Jahre lang als Vertriebsdirektorin bei Kitchen Resource in den USA.
Auch im Privatleben achtet sie auf Nachhaltigkeit: „Gesunde Ernährung mit möglichst vielen Produkten aus der Region, Ökostrom oder umweltfreundliches Verbraucherverhalten sind für mich Normalität. Achtsam mit Ressourcen umzugehen und bewusste Entscheidungen zu treffen sind einfach lebensnotwendig.“ Einerseits widerstrebt es ihr, Nachhaltigkeit als Marketinginstrument zu nutzen und laute Töne darüber zu verlieren. Andererseits ist es eine hervorragende Möglichkeit, mehr gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen. „Denn wer einmal darum weiß, kann nicht so tun, als ob er es nicht weiß. Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen halte ich für eines der wichtigsten Themen unserer Zeit.“ Wichtig ist, das entsprechende Bewusstsein dafür zu entwickeln. Auch wenn nicht alles gleich zu Beginn perfekt ist, so sollte Nachhaltigkeit ein fortwährender Prozess innerhalb eines Unternehmens sein.
Aktivitäten, Strategien sowie Maßnahmen und Ziele brauchen Sichtbarkeit. Ein effektives und systematisches Nachhaltigkeitsmanagement ist für das Familienunternehmen Häcker Küchen, in dem sie das Marketing verantwortet, „kein grünes Feigenblatt, sondern ein wichtiges Instrument zur strategischen Ausrichtung und Teil des Erfolges.“ Es ist allerdings auch mit dem Anspruch verbunden, die Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens kontinuierlich zu verbessern und die eigene Strategie weiterzuentwickeln. Der Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens mit dem Titel „Aus Tradition verantwortungsvoll“ fasst sämtliche Maßnahmen zusammen und enthält unter anderem Informationen zum Geschäftsmodell und der Unternehmensstrategie.
Was viele nachhaltig geprägte Familienunternehmen ausmacht, sind vor allem Pioniergeist und Umweltbewusstsein, eine ausgeprägte Ideenkultur und ein demokratisch geprägter Führungsstil.
Das findet man auch bei Baufritz. Als Teil einer geschäftsführenden Doppelspitze des Ökohaus-Pioniers ist Dagmar Fritz-Kramer eine glühende Verfechterin konsequent ökologischer Baubiologie und eines architektonisch hochwertigen Ökodesigns. Sie studierte an der Fachoberschule Weiden und der Fachhochschule Rosenheim Innenarchitektur und schloss ihr Studium 1998 mit dem Diplom ab. Im Anschluss trat sie in den elterlichen Betrieb Bau-Fritz GmbH & Co. KG in Erkheim als Innenarchitektin und zugleich Gesellschafterin ein. Von 1999 bis 2002 vollzog Fritz-Kramer das berufsbegleitende Aufbaustudium Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Biberach. Von 2002 bis 2004 hatte sie die Bereichsleitung Planung bei Baufritz inne. Im Jahr 2004 erfolgte Ihre Berufung zur geschäftsführenden Gesellschafterin der Bau-Fritz GmbH & Co. KG.
Als Mutter von zwei Kindern und Familienmensch hat sie ihr Unternehmen maximal auf Familienfreundlichkeit ausgerichtet und dazu flexible Arbeitsmodelle etabliert. Ihre geerdete und dynamische Art, Dinge anzupacken und damit Herausforderungen vorausschauend zu lösen, basiert auf einem ausgereiften und ausgeglichenen Wertemix. Sie ist davon überzeugt, dass seine Berufung nur findet, wer wirklich seinen eigenen Weg gehen will. Gerade in ihrem Fall - als Tochter eines Unternehmers in der dritten Generation – denken viele Menschen, dass sie ihre Berufung in die Wiege gelegt bekommen hat.
Doch das stimmt nur teilweise, denn schon in jungen Jahren wurde sie mit Themen konfrontiert, die sie bis heute beschäftigen: ein starkes Umweltbewusstsein und ein nachhaltiger Umgang mit der Natur. So werden im Unternehmen die höchsten, baubiologischen Gesundheitskriterien eingehalten. Mit größter Sorgfalt werden hier alle Baustoffe und Materialien streng schadstoffgeprüft, bevor sie verbaut werden – um zu verhindern, dass Schafstoffe, gesundheitsbelastende Materialien oder sogenannte VOC-Wohngifte in die Häusergelangen und langfristig negativ auf die Gesundheit einwirken würden.
Anfang 2017 wollte Baufritz von vier Herstellern erfahren, wie wohngesund ihr Parkettkleber ist. Alle verwiesen zunächst auf das Emicode-Label der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte e.V. (GEV). Da die GEV aber grundsätzlich verbietet, Verarbeitern Prüfberichte zur Verfügung zu stellen, wurden die vier Parkettkleber im Auftrag von Baufritz vom wirtschaftlich unabhängigen Eco-INSTITUT in Köln nach erweiterten Standards auf Emissionen geprüft. Das Ergebnis: Keiner der vier Anbieter konnte die hohen Ansprüche erfüllen. Selbst handelsübliche, vom Emicode-Label EC1-PLUS als emissionsarm ausgewiesene Produkte emittierten insbesondere in der Verarbeitungsphase eine erhöhte Konzentration krebserregender, aromatischer Kohlenwasserstoffe.
Das eco-INSITUT stellte in allen untersuchten Parkettklebern Auffälligkeiten in unterschiedlichen Bereichen fest, unter anderem auch bei den Weichmachern und bei Konservierungsmitteln. Durch Weichmacher lässt sich ein Kleber besser verarbeiten, Konservierungsmittel verlängern die Lagerfähigkeit des Klebers im Gebinde. Allerdings sind viele dieser Weichmacher potentiell gesundheitsgefährdend. Ein Skandal für den Verbraucherschutz: Denn die Bauherren können ohne chemische Expertise kaum nachprüfen, welcher Parkettkleber wirklich gesund ist und welcher nicht. "Der neue Parkettkleber ist frei von Weichmachern und dazu äußerst emissionsarm, das ist ein großer Vorteil gegenüber allen anderen Parkettklebern", bestätigt Daniel Tigges, Geschäftsführer des eco-INSTITUTS. Als bislang einziges Unternehmen im deutschsprachigen Europa, erfüllt Baufritz die höchste Qualitätsstufe von „VDB-Zert“ – dem strengsten Prüfsiegel für Wohngesundheit des Berufsverbands Deutscher Baubiologen e.V..
Geprägt hat Dagmar Fritz-Kramer vor allem ein einschneidendes Kindheitserlebnis: Ihre Mutter erkrankte in den 1970er-Jahren an Krebs. Eine Ursache dafür war auch das Wohnumfeld. Auch wenn es ihr damals noch nicht wirklich bewusst war – dieser Auslöser prägte ihre spätere Berufung. Zunächst stand für sie jedoch erst einmal das Ausleben ihrer „kreativen Ader“ im Fokus. Dazu hat sie sich als Dekorateurin ausbilden lassen und war sogar eine Zeitlang selbstständig. Auch dies verbindet sie mit Gisela Rehm, die sich vor einigen Jahren zu diesem Schritt entschieden hatte. Sie trieb vor allem die Begeisterung an, Neues zu schaffen und mit ihrem Designprodukten einen Mehrwert zu liefern. Das „eigene Ding“ umsetzen zu können und ganzheitlich in Lösungen zu denken, machte sie sehr glücklich: „Oft bedarf es gar keiner Revolution - vielmehr ist es die Kombination von zwei oder drei existierenden Komponenten, die einfach zu Ende gedacht werden müssen. Schon entsteht etwas Besseres und Neues.
Wirtschaft erfordert permanente Neugestaltung
Ihre Dynamik und Komplexität stellen Unternehmerinnen und Unternehmer vor große Herausforderungen. Innovation erfordert Offenheit für neue Wege und Methoden. Dagmar Fritz-Kramer wurde die Selbstständigkeit allerdings bald zu eng, weil sie sich eher wie eine ausführende Hand mit einer fremden Strategie gefühlt hat. Sie wollte selbst etwas bewegen und studierte Innenarchitektur, schrieb ihre Diplomarbeit im Unternehmen ihrer Familie, wo sie ihr Vater immer wieder in Projekte eingebunden hat.
Als sie 1999 ins Unternehmen eintrat, fand sie zwar ein ökologisches Fundament vor, merkte dann aber relativ schnell, dass dies ihjren Ansprüchen nicht genügte: „Ich kam gerade frisch aus dem Studium und hatte gutes Design im Kopf. Da konnte ich mit dem langweiligen, auch ein bisschen ‚verstaubten‘ Öko-Image nichts mehr wirklich anfangen.“ Das Unternehmen sollte für stilvolles Wohnen mit Komfort stehen. Form und Funktion müssen für sie eine schlüssige Einheit bilden und auch optisch und emotional ansprechen. So entstand die Idee, ökologisches Design neu zu erfinden und ansprechender zu gestalten.
Heute stellt niemand mehr die Bedeutung von Design für wirtschaftlichen Erfolg ernsthaft in Frage.
„Produkte können wunderschön und gleichzeitig nachhaltig sein“, bestätigt auch Gisela Rehm, die es liebt, Dinge zu Ende zu denken. Als Dagmar Fritz-Kramer 2004 die Leitung ihres Familienunternehmens übernahm, setzte sie vieles fort, was ihr Vater vor fast 25 Jahren initiiert hatte: dass fast ausschließlich mit Naturmaterialien ohne Chemie oder Schadstoffe gebaut wird. „Neu war, dass ich das Ganze noch in moderne Architektur und ein einmaliges, möglichst individuelles Design verpackt habe. Ich wollte immer auf Qualität setzen und mich nicht an Preisschlachten beteiligen. Nur so können wir unseren hohen baubiologischen Anspruch konsequent umsetzen“, sagt die vielfach ausgezeichnete Unternehmerin, die mit Liebe an ihre Aufgaben herangeht.
Diesbezüglich ist sie sich ebenfalls mit Gisela Rehm einig, für die Qualität auch mit der Auswahl der richtigen Lieferanten, Partner und Materialien zu tun hat und wie das Firmenkonzept gelebt wird: „Wenn etwas gemacht wird, dann gleich vernünftig und nachhaltig.“ Bei Häcker Küchen stehen das Handwerk und die Bedeutung des Haptischen noch immer im Mittelpunkt - beispielsweise bei der abschließenden Qualitätskontrolle, wenn das geschulte Auge Maserung und Oberfläche beurteilt und die fließenden Handbewegungen die Front perfekt lackieren. „Händler und Endkunden wollen Qualität und Erscheinungsbild nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Fingerspitzen wahrnehmen“, so Rehm.
Die Verbindung von Ökonomie, Ökologie, Sozialem und Kultur vermindert nicht nur Unternehmensrisiken, sondern schafft auch enorme Wettbewerbsvorteile.
Zu den wichtigsten Unternehmensaufgaben gehört es heute, im eigenen Verantwortungsbereich die gesamte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Endverbraucher sicherzustellen. Dagmar Fritz-Kramer möchte aber auch für jeden Mitarbeiter die Tätigkeit finden, die sein Herz erweckt, und mit der er andere Menschen berührt und inspiriert. Grundvoraussetzung ist die Liebe zur Natur: „Wer durch eine wild und hoch gewachsene Wiese streift, muss doch einfach spüren, wie man dabei aufblüht! Wer das nicht hat, bleibt erfahrungsgemäß nicht wirklich lange bei uns. Wenn aber Mitarbeiter für die Idee unseres Unternehmens einmal Feuer und Flamme sind, dann sind sie uns treu.“
Das gesündeste und klimaschützendste Bio-Designhaus Deutschlands
Ein neues Kapitel des nachhaltigen Bauens hat das Unternehmen gerade mit dem neuen Musterhaus „Lichtblick“ eingeläutet, das gesündeste und klimaschützendste Bio-Designhaus Deutschlands. Das Bio-Familienhaus trifft nicht nur aus Nachhaltigkeitsaspekten den Zeitgeist, sondern auch die moderne Stilvorlieben vieler junger Familien oder Paare. Es gelang den Planern, das Haus mit über 89% Holzanteil überdurchschnittlich umwelt- und klimaschützend zu realisieren, ohne ihm seiner modernen Erscheinung zu berauben. Technisch wurde auf eine zukunftsweisende Kombination aus Luft-Wärmepumpe und einer großen Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher gesetzt, wodurch dank des KfW-55-Effizienzstandards Fördermittel und Zuschüsse von bis zu 58.000 € für angehende Bauherren möglich sind.
Wie bei jedem Bio-Design-Klimaschutzhaus des Unternehmens wurden auch hier die zentralen Aspekte des „Cradle-to-Cradle“-Konzepts berücksichtigt, sodass alle verwertbaren oder recyclebaren Bau- und Dämmstoffe nach ihrer Nutzungsperiode umweltverträglich ohne Sondermüllfaktor in den Naturkreislauf zurückgeführt und sortenrein recycelt werden können - ein wichtiger Schritt zu einer herausragenden „Zero-Waste“-Produktion.
Weiterführende Informationen:
Nachhaltigkeit in den eigenen vier Wänden: Die wichtigsten Aspekte für gesundes Bauen und Wohnen
Wohngesundheit: Warum Gift häufig in der Luft liegt - und was Unternehmen dagegen tun
Wie stark belastet Formaldehyd aus Holzmöbeln die Raumluft?
Dagmar Fritz-Kramer: Pioniergeist und Umweltbewusstsein. Mit einer gemeinschaftlichen Führungskultur den Wandel zu einer wohngesunden und baubiologischen Wohnkultur gestalten. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 83-95.
Gisela Rehm: Nachhaltigkeit braucht Markenkraft. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020, S. 223-235.