Klimawandel in der Gesellschaft: Was alle Generationen verbinden sollte
Mehr als anderen Generationen ist den jungen Menschen bewusst, dass gerade sie von den Folgen des fortschreitenden Klimawandels betroffen sein werden und dass sie selbst einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen.
Die meisten Deutschen sind allerdings nicht davon überzeugt, dass ihr persönliches Konsumverhalten einen großen Unterschied hinsichtlich der Bewältigung ökologischer und sozialer Herausforderungen machen kann. Dennoch erkennen sie eine gewisse Wirksamkeit ihres Handelns an. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der ING. Das Klischee, dass die Klimakrise einen Generationenkonflikt darstellt, bei dem sich die jungen Menschen für nachhaltige Veränderungen einsetzen und die Älteren nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ leben, wird durch die Ergebnisse nicht gestützt. Meistens sind es die mittleren Altersgruppen, die die geringste Bereitschaft zu Änderungen des eigenen Verhaltens oder der gesellschaftlichen Prioritäten zeigen, während die ältesten Umfrageteilnehmer eher an der Seite ihrer Enkelgeneration stehen.
Die Gründe dafür finden sich in der nachstehenden Zusammenfassung der Generationenkonzepte, die auch immer die Gefahr von falschen Zuschreibungen (Typisierungen) enthält – zudem können Menschen nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kohorte bzw. Altersklasse in einzelne Stereotype eingeteilt werden. Das hat etwas Künstliches und Konstruiertes. Und doch ist es oft hilfreich, sich herausgelösten Teilen zu widmen, um das komplexe Ganze besser zu verstehen. Wenn es jedoch um das gemeinsame Engagement aller Menschen geht, kommt es nicht auf das genaue Geburtsjahr an, sondern auf bestimmte Wertemuster der Generationen. So können sich Vertreter der Generation Z innerlich auch der Generation X oder Y zugehörig fühlen oder umgekehrt. Der Impuls, dies zusammenzutragen, leitete sich aus dem Ergebnis der genannten Umfrage ab, warum bestimmte Altersgruppen weniger bereit sind, sich für Nachhaltigkeit zu engagieren.
Ein Blick ins Innere der Generationen, ihre Prägung und ihre Geschichte
Nachkriegsgeneration
Die Nachkriegsgeneration (nach Klaus Hurrelmann: 1925–1940) fand ein zerstörtes und demoralisiertes Land vor. Viele Menschen haben kaum über ihre Kriegserlebnisse gesprochen. Hinter der Fassade des Aufschwungs nach dem Krieg gibt es in fast jeder Familie Geschichten von zerrütteten oder verlorenen Leben. Viele Reaktionen dieser Generation sind nur zu verstehen, wenn sie als verzweifelte Versuche betrachtet werden, eine Wiederholung solcher Katastrophen zu vermeiden. Damals waren alte Bindungen und Loyalitäten auf den Kopf gestellt. Im Chaos der Nachkriegsjahre war es deshalb auch schwer, den richtigen Beruf zu finden. Viele höhere Tätigkeiten erforderten eine Zusatzausbildung, die durch die Wiederherstellung traditioneller Normen und Standards erschwert wurde. Aufgrund der kriegsbedingten Reife der Berufseinsteiger waren Generationskonflikte mit Vorgesetzten unvermeidlich, die die autoritären Muster der Vorkriegszeit wieder einführen wollten.
68er
Die 68er-Generation (nach Hurrelmann: 1940–1955) wuchs nach den Aufbauerfolgen der Eltern in einer entspannten wirtschaftlichen Lage und in einer funktionierenden Demokratie auf. Ein Teil der Jugend setzte sich sehr kritisch mit der autoritären Haltung und der Nazi-Vergangenheit der Eltern auseinander. Dieser Konflikt gilt bis heute als politische Revolution einer jungen Generation.
Babyboomer
Die Babyboomer (nach Hurrelmann 1955–1970) sind zahlenmäßig die stärkste Generation in Deutschland und dominierend in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Tendenziell sind sie die Kinder optimistischer Eltern, beruflich sehr ehrgeizig und politisch aktiv. Vor allem die 1968er-Generation hat Dinge revolutioniert und Strukturen aufgebrochen. Zu den prägenden gesellschaftlichen Ereignissen gehörten die Mondlandung und Woodstock.
Generation X
Die Generation X (nach Hurrelmann: 1970–1985, auch Generation Golf, Generation Connected, Mauerfallkinder, Lost Generation) wuchs in der Blütezeit der Bundesrepublik Deutschland heran. Der Kanadier Douglas Coupland prägte 1992 mit seinem gleichnamigen Buch den Begriff „Generation X“. Das X ist Ausdruck der Rätselhaftigkeit und Unsicherheit. Diese wuchs mit der neuen Angst vor Aids (ab 1981) auf, wurde geschockt vom Tschernobyl-Supergau und dem Absturz der Challenger (1986), erlebte einen Börsencrash (1987), den Fall der Mauer (1989), sah den Einzug der ersten Computer in die Unternehmen und in die Privatwohnungen, die Globalisierung der Wirtschaft und um das Jahr 2000 dann den Crash der New Economy.
Diese Generation ist zum großen Teil mit Hierarchien und kontrollierten Abläufen aufgewachsen. Ihre Vertreter werden in Studien als kämpferisch und konsumorientiert, repräsentabel und busy beschrieben. Fast alle mussten sich ihre Karriere erkämpfen. Ihr Selbstbewusstsein bezieht diese Generation auch aus ihrem Status. Da ein Großteil in Konzernen oder Großorganisationen tätig war oder noch arbeitet, gab es kaum Möglichkeiten, in den auf Hierarchien und Herrschaftswissen basierenden Kulturen anders zu überleben. Für ein freiwilliges Ausscheiden aus einem System, an dem alle zur gleichen Zeit am gleichen Ort sind, fehlte es vielen an Mut, oder die Bedingungen waren für einige nicht so, dass der Sprung ins Unbekannte ohne weiteres möglich gewesen wäre. Damit hängt auch zusammen, dass sie häufig schwerer als die Generation Y Nähe aufbauen konnten. Sie zeichnen sich eher durch Vorsicht und Distanz aus.
Das vielleicht größte Problem, das die Babyboomer hinterlassen, ist die Frage nach der Zukunft unseres Rentensystems. Die über Jahrzehnte erfolgreich praktizierte Umlagefinanzierung wird zunehmend unter Druck geraten, je mehr Babyboomer aus dem Berufsleben ausscheiden und Leistungen aus der Rentenkasse beziehen.
Generation Y
Generation Y (nach Hurrelmann: 1985–1999, auch Digital Natives, Generation @, Homo Zappiens, Computer-native Generation, Generation Why, Generation Me) wird häufig vorgeworfen, dass sie Ansprüche stellt, ohne etwas leisten zu wollen, dass sie in ihren Erwartungshaltungen zu naiv ist („Null-Bock-Generation“). Anfang der 2000er-Jahre erfanden Journalisten dann den Begriff „Generation Praktikum“. Die jungen Menschen haben politische Spannungen und globale Kriege miterlebt, den Internetboom, die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die Globalisierung Schlüsselereignisse.
Sie sind weltoffen, technologieaffin und hochgradig sozial vernetzt. Der Perfektionismus ihrer Vorgänger sowie feste Orte und Organisationsformen sind für sie weniger wichtig. Sie teilen ihr Wissen, anstatt es als Machtkapital anzusehen und liefern sich gegenseitig Feedback. Sie kommunizieren vollkommen transparent. Es ist eine Generation, die nicht vom Scheitern spricht, sondern vom Ausprobieren und Experimentieren. Relevant ist für sie eher das, was sie überschauen und verändern können – in kleinen Gemeinschaften bzw. im eigenen Netzwerk. Die jungen Milden, wie sie auch oft genannt werden, weil sie sich nicht festlegen lassen wollen und viele Identitäten haben, sind sich bewusst, dass sich durch Einsatz, Wille und Hartnäckigkeit enorm viel bewirken und erreichen lässt. Benevolenz (Unterstützung nahestehender Menschen), Universalismus (Gleichberechtigung, Toleranz, Gemeinwohlorientierung) und Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung stehen auf der Werteskala der Generation weit oben, während Macht, Status und Tradition nur einen geringen Zuspruch erfahren. Charakteristisch ist ihr starker Selbstbezug und das permanente Abwägen von Alternativen.
Die Vertreter der Generation Y besitzen zumeist (Fach-)Hochschulreife und haben in der Regel eine gut behütete Kindheit durchlebt. Prozentual gesehen hat noch keine Altersgruppe häufiger das Abitur erreicht, häufiger studiert und häufiger im Ausland gelebt als die Generation Y. Das relativ hohe Bildungsniveau ist ein alleinstehendes Merkmal einer Generation, welches in diesem Maße bisher nicht erreicht worden ist. Andererseits werden sie auch als freizeitorientiert, demotiviert und unqualifiziert beschrieben.
Die Generation Y ist sich bewusst, dass sie in der Arbeitswelt keine lebenslange Beschäftigung im gleichen Berufsfeld bei ein und demselben Arbeitgeber erwarten kann, dass alte Gewissheiten wegbrechen und das Leben weniger planbar ist. Sie hat das Gefühl des Provisorischen, des Auf-alles-gefasst-Seins. Die Skills, die die Generation Y heute im Berufsleben braucht, sind deshalb nicht Gehorsam, Obrigkeitshörigkeit und akademische Weisheiten, sondern Empathie, Flexibilität und Problemlösungsfähigkeit. Die Generation macht sich das zu eigen, was der Zukunftsforscher Alvin Toffler einmal als „Adhocracy“ beschrieben hat: nach dem Baukastenprinzip aufgebaute und bewegliche Netzwerkstrukturen, die leicht zueinanderfinden und auch wieder auseinandergehen.
Generation Z
Generation Z (nach Hurrelmann: nach 1994, auch Post-Millenials, Generation Homeland, Selfie-Generation, pragmatische Generation) stellt nur ungefähr 15 Prozent der deutschen Bevölkerung. Dennoch wird ihr Einfluss enorm sein, weil in den nächsten Jahren die Generation der Babyboomer aus dem Berufsleben ausscheiden wird. Das Z ist für den Sozial- und Bildungswissenschaftler Klaus Hurrelmann bisher nur ein Arbeitstitel, „ein Buchstabe ohne symbolische Bedeutung“. Sie ist davon überzeugt, dass immer etwas geht, und dass es keinen Sinn macht, lebenslang nach Chancen zu suchen, wenn sie sie täglich nutzen können. Gesucht werden deshalb das Bodenständige, klare Strukturen und Stabilität in einer Welt, die immer mehr zerfällt. Statt Z sollte sie besser Generation Alpha heißen, weil dies ihre Suche nach positiver Freiheit besser ausdrückt. Sie ist nicht rebellisch und weiß genau, welche Probleme in unserer Umwelt relevant sind.
Die Generation sucht in unübersichtlichen Zeiten Ordnung und Struktur. Sie ist selbstbewusst, aber häufig auch unselbstständig. Der Einfluss der Eltern spielt bei ihnen eine größere Rolle als bei der Vorgängergeneration. Stabilität und Sicherheit werden vor allem im Familien- und Freundeskreis gesucht. Immaterielles und Soziales steht für sie genauso im Fokus wie Partizipation. Der „großen Politik“ steht sie mehrheitlich sehr distanziert gegenüber. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie unpolitisch sind – sie suchen nur andere Formen, um sich politisch auszudrücken. Viele Vertreter dieser Generation lassen sich nicht auf eine bestimmte Identität festlegen. Durch die Angebotsfülle in der Ausbildung ist sie häufig überfordert. Die Vielfalt der Optionen macht es ihnen nicht leichter, sondern schwerer als früheren Generationen. Viele machen die Erfahrung, dass sie sich in einer unüberschaubar gewordenen Welt nicht konzentrieren und angemessen entwickeln können. Aufmerksamkeit ist für sie deshalb ein wichtiger Aspekt in ihrem Wertesystem.
Ihre beruflichen Chancen sind deutlich besser als die der Vorgängergeneration. In den meisten Branchen und Regionen herrscht Nachwuchsmangel, und es fehlen Fachkräfte. Genau dies ist der große Unterschied zu früheren Generationen. Die jungen Menschen wachsen in einer Zeit auf, in der den Unternehmen der Nachwuchs ausgeht. Sie kann es sich deshalb leisten, anspruchsvoll zu sein.
Vom Wert der Erfahrungen: Wer Pi mal Daumen handelt, muss seinen Daumen kennen
Neumüller W (2020): Gutes Klima: Warum Unternehmen einen Kompetenzmix aller Generationen brauchen. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin.
Scholz C (2014): Generation Z. Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt. Wiley-VCH Verlag & Co.. KGaA. Weinheim.
Jarausch K. H. (2018): Zerrissene Leben. Das Jahrhundert unserer Mütter und Väter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt.
Hanisch R (2013): Das Ende des Projektmanagements. Wie die Digital Natives die Führung übernehmen und Unternehmen verändern. Linde Verlag GmbH, Wien.
Hurrelmann K (2018) Nicht ohne meine Eltern! In: DIE ZEIT (23.11.2018), S. 76.