Klimaziele: Bewusstsein für notwendiges Handeln braucht Klarheit der Begriffe
Ende 2015 verpflichteten sich 195 Länder im Rahmen der UN-Klimakonferenz, den Klimawandel einzudämmen und die Weltwirtschaft klimafreundlich umzugestalten.
Konkret heißt es in dem Abkommen, dass der weltweite Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter möglichst auf 1,5 Grad Celsius, auf jeden Fall aber auf unter 2 Grad Celsius beschränkt werden soll. Begriffe wie „Klimaneutralität“, „Netto-Null“, „klimapositiv“ werden von vielen Unternehmen in ihrer Kommunikation zur Zielerreichung des Pariser Klimaabkommens oft nicht präzise verwendet. Das stiftet Verwirrung und schürt in vielen Fällen auch den Verdacht des Greenwashing.
Wer nicht richtig mit Begriffen umgehen kann und ihnen nicht auf den Grund geht, wird auch oberflächlich agieren. Die meisten Begriffe bedürfen ergänzender Erläuterungen. So vermittelt beispielsweise im Unterschied zu „klimaneutral“ die Verwendung von „nachträglich CO2-kompensiert“, „klimaneutral gestellt“ und „klimakompensiert“ mehr Klarheit. Dennoch sollte nur dann mit dem Begriff geworben werden, wenn durch Produkt- und Prozessoptimierungen eine Reduktion der Klimaauswirkungen erzielt wurde.
Eine Herausforderung besteht darin, dass Kund:innen denken könnten, ein klimaneutrales Produkt wäre in dessen Umweltwirkung nicht mehr kritisch zu hinterfragen. Auch der Begriff „Kompensation von Treibhausgasemissionen“ wird nicht für die Produktkommunikation empfohlen, wird aber leider noch immer häufig in der Unternehmenskommunikation, um die eigenen Klimaaktivitäten zu beschreiben.
Die wichtigsten Begriffe und ihre Bedeutungen im Überblick
CO2 steht für Kohlen(stoff)dioxid und ist ein wärmespeicherndes Gas. Es entsteht beispielsweise durch die Verbrennung von Holz, Kohle oder Gas und wird durch Photosynthese umgewandelt oder in Gewässern wie den Ozeanen gespeichert. Durch den hohen CO2-Ausstoß in den vergangenen Jahrzehnten ist das natürliche Gleichgewicht zwischen Ausstoß und Bindung gestört, was zur Erderhitzung führt.
CO2-frei: Das Attribut bezeichnet Produkte oder Technologien, bei deren Herstellung oder Verwendung keine CO2-Emissionen entstehen. Möchte ein Unternehmen CO2-frei wirtschaften, genügt es nicht, entstehende Emissionen zu kompensieren. Vielmehr muss das Unternehmen seine Energie ausschließlich als erneuerbaren Energien beziehen.
CO2-neutral bedeutet, dass die CO2-Emissionen durch Emissionsreduktionsgutschriften ausgeglichen werden, ohne dass die Emissionen reduziert werden müssen. Sie ist dann gegeben, wenn eine Aktivität wie Heizen, Produzieren oder Reisen die CO2-Menge in der Atmosphäre nicht erhöht (zumindest theoretisch). Als CO2-neutral gilt es auch, wenn Emissionen durch Offsetting kompensiert werden. Carbon neutral wurde 2006 vom New Oxford American Dictionary zum Wort des Jahres gekürt und ist im Laufe der Zeit zum Mainstream geworden. Einige Länder verstehen unter CO2-Neutralität die Stabilisierung der Emissionen auf einem bestimmten Niveau.
CO2-Zertifikate geben bestimmten Unternehmen aus Bereichen wie Stromerzeugung, Eisen- und Stahlverhüttung oder Zement- und Kalkherstellung das Recht, eine bestimmte Menge CO2 auszustoßen. Nur einen Teil dieser Zertifikate, die jeweils eine Tonne CO2 abdecken, wird von der EU kostenlos ausgegeben. Wer mehr verbraucht, muss CO2-Zertifikate kaufen; wer klimafreundlich wirtschaftet, kann sie verkaufen. Durch den Emissionshandel soll ein ökonomischer Anreiz entstehen, weniger CO2 zu produzieren (allerdings umfasst dieser Handel derzeit nur einen Teil der Treibhausgasverursacher.
Dekarbonisierung bedeutet die Verringerung des Anteils der Kohlendioxid- oder aller Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit der Primärenergieerzeugung. Der Begriff bedeutet nicht dasselbe wie Null-Emissionen, da die Emissionen ausgeglichen oder kompensiert werden können.
Klimaneutralität ist dasselbe Konzept wie CO2-Neutralität, umfasst jedoch zusätzlich die Beseitigung oder Kompensation anderer Treibhausgasemissionen (THG) als Kohlendioxid. Der Begriff bezeichnet den Zustand, wenn entstandene klimarelevante Gase, die entlang aller Stufen der Wertschöpfungsketten entstanden sind, durch Kompensationsmaßnahmen ausgeglichen wurden. Für einen ganzheitlichen Ansatz bedarf es einer vorherigen Reduktion der Emissionen auf ein Minimum.
Klimapositiv (auch CO2-negativ) bedeutet, dass mehr klimaschädliche Emissionen ausgeglichen als verursacht wurden (eine Aktivität geht über das Erreichen von Netto-Null-Kohlendioxidemissionen hinaus und schafft einen Umweltnutzen, indem zusätzliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt wird). Dieser Begriff ist für die Produktkommunikation allerdings eher ungeeignet, weil er Endkonsument:innen suggeriert, dass ein klimapositiv gestelltes Produkt keine negativen Klimafolgen hat.
Klimareporting: Systematische Analyse der mit dem Energie- und Rohstoffeinsatz verbundenen Treibhausgasemissionen und Identifizierung von Hebeln zu deren Reduktion (Ermittlung des CO2-Fußabdrucks). Dazu gehören auch Informationen zum Managementansatz, zu Reduktionszielsetzungen sowie zum Umgang mit wesentlichen Risiken und Chancen durch den Klimawandel. Auch gehört dazu, Impulse, Prozesse und Produkte zu überdenken, Innovationen zu entwickeln und das Risikomanagement zu verbessern sowie zusätzliche Effizienzpotenziale zu ermitteln.
Kompensation von Treibhausgasemissionen beschreibt die Finanzierung von Projekten zur Minderung von Treibhausgasen in der Atmosphäre (z. B. anerkannte Klimaschutzprojekte), die nicht mit dem Produkt bzw. Produktionsprozess verknüpft sind. Zu diesem Zweck können Zertifikate von qualifizierten Unternehmen erworben werden, welche entsprechende Standards erfüllen. Im ersten Schritt ist die Reduktion von Emissionen durch Prozess- und Produktoptimierung der Kompensation vorzuziehen. Nur unvermeidliche Emissionen sollen kompensiert werden.
Nachhaltigkeit (engl. „sustainable developement“) stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und wurde 1713 von Oberberghauptmann Hannß Carl von Carlowitz im sächsischen Freiberg erstmals verwendet. Er beinhaltet die Maxime, dass nur so viel Holz pro Periode geschlagen werden darf, wie auch nachwachsen wird. Wer einen Wald bewirtschaftet, darf zwar Bäume fällen und verkaufen, muss aber auch wieder neue anpflanzen für die nächsten Generationen. Diese Idee wurde 1987 im so genannten Brundtland-Bericht durch die UN World Commission on Environment and Development unter der Leitung der damaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland weiterentwickelt: Nachhaltig ist eine Lebensweise, die „den Bedürfnissen heutiger Generationen entspricht, ohne die Chancen zukünftiger Generationen zu gefährden.“ So entstand das neue Leitbild einer langfristig tragfähigen, nachhaltigen Entwicklung, welche es ermöglichen soll, «heutige Bedürfnisse decken, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ 1992 haben die Vereinten Nationen bei einer Konferenz in Rio de Janeiro das Prinzip der Nachhaltigkeit auf die internationale Gesellschaft übertragen: Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik sollen darauf ausgerichtet sein, die Bedürfnisse heutiger Generationen zu befriedigen, ohne die Chancen künftiger Generationen zu schmälern. Aus den drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales leitet sich das so genannte "Drei-Säulen-Modell" der Nachhaltigkeit ab, drei gleich gewichtete Dimensionen als solide Basis für eine zukunftsfähige, langfristige Entwicklung.
„Net Zero“ das bedeutet, dass die CO2-Emissionen auf ein Minimum reduziert und die verbleibenden und die verbleibenden Restemissionen dann durch Emissionsabbaugutschriften ausgeglichen werden.
Relevanz: Eine Treibhausgasbilanz erreicht Relevanz, wenn sie ein realistisches Bild der gesamten THG-Emissionen des Unternehmens abbildet, auf dessen Grundlage interne und externe Stakeholder Entscheidungen treffen können. Eine größtmögliche Aussagekraft wird dadurch erlangt, dass Unternehmen, deren Treibhausgasemissionen zum größten Teil in der vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette entstehen, diesen eine entsprechende Gewichtung in der Berichterstattung geben.
Science Based Targets ist ein methodischer Berechnungsansatz für die Entwicklung eines unternehmerischen Klimaziels, das im Einklang mit dem 2°C-Limit des Paris Abkommens steht. Der Ansatz wurde gemeinsam von CDP, UN Global Compact, World Resources Institute und dem WWF im Rahmen der Science Based Targets Initiative entwickelt.
Scopes
Scope 1 umfasst alle direkten THG-Emissionen, die aus der eigenen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens resultieren.
Scope 2 umfasst die indirekten THG-Emissionen, die aus der Erzeugung der von einem Unternehmen beschafften Energie resultieren, die leitungsgebunden sind.
Scope 3 umfasst alle sonstigen indirekten THG-Emissionen, die aus vor- und nachgelagerten Unternehmenstätigkeiten resultieren.
Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan und Lachgas sind natürlicher Bestandteil der Atmosphäre. Sie werden durch menschliche Aktivitäten jedoch enorm erhöht und haben einen ähnlichen Effekt wie Glas im Gewächshaus. Soll die globale Durchschnittstemperatur nicht um mehr als 1,5 Grad steigen müssen die Emissionen von Treibhausgasen wie CP2 oder Methan bis 2030 um 43 Prozent sinken. Ab dem Jahr 2050 dürfte die Menschheit keine Emissionen mehr produzieren. Die größten Emissionstreiber, die Sektoren mit dem höchsten Ausstoß an Treibhausgasen, sind laut Umweltbundesamt die Energiewirtschaft und die Industrie.
Treibhausgasemission wird die Freisetzung verschiedener Gase in die Atmosphäre bezeichnet, die einen Teil der von der Erde ausgehenden Wärmestrahlung reflektieren.
Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.