Kulinarische Protestaktion: "Nein" zur Lebensmittelverschwendung mit der größten Schnippeldisko der Welt
„Wir haben es satt!“
Jährlich werden 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel weltweit weggeworfen. In Deutschland sind es 313 Kilogramm Lebensmittel pro Sekunde – obwohl der Großteil ist genießbar und vermeidbar wäre. Damit werden kostbare endliche Ressourcen wie Boden, Wasser und Energie vergeudet und treiben die Klimaerhitzung durch Treibhausgase in Folge von Produktion, Verpackung, Transport und Entsorgung weiter an. Um diese Verschwendung zu reduzieren, muss das Ernährungssystem grundlegend erneuert werden - angefangen bei den Wurzeln der Verschwendung: Die auf Menge und makelloses Aussehen ausgerichtete Produktion und Vermarktung, um den Handel mit ausreichend Lebensmitteln der oberen Handelsklasse versorgen zu können.
Die Bundesregierung verpflichtete sich auf der UN-Vollversammlung in New York neben den anderen 192 Mitgliedsstaaten zu den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs).
Das zwölfte von insgesamt 17 Zielen für mehr Armutsbekämpfung, inklusive Gesellschaften und Umweltschutz bis zum Jahr 2030 fordert nachhaltige Produktions- und Konsummuster (ein Unterziele davon ist, die pro Kopf-Lebensmittelverluste bis 2030 zu halbieren). Zudem braucht es rasch wirkende Politikinstrumente (verhaltensbasierte Anreize, Vorgaben für Gastronomie und Supermärkte, Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums etc.).
Die weltweite Bewegung Slow Food, die sich für ein zukunftsfähiges Lebensmittelsystem einsetzt, fordert von der Politik eine gesetzlich verankerte Strategie, die über Anreize für freiwillige Maßnahmen hinausgeht und setzt verschiedene Veranstaltungen zum Thema um. So fand unter dem Motto „Topf-Tanz-Talk“ die größte (öffentliche und kostenlose) Schnippeldisko der Welt am 17. Januar zum neunten Mal in Berlin-Tempelhof statt.
Verbraucher*innen sagten mit dieser kulinarischen Protestaktion am Vorabend der „Wir haben es satt“-Demonstration „Nein“ zur Lebensmittelverschwendung. Sie schnippelten 1,5 Tonnen krumm gewachsenes, nah am Mindesthaltbarkeitsdatum oder durch Transportschäden an der Verpackung beschädigtes Gemüse aus Brandenburg bei Musik und Tanz und verarbeiteten es zu einer Suppe. Organisiert wurde die Schnippeldisko von Slow Food Youth Deutschland und den Partnerorganisationen: Meine Landwirtschaft - Wir haben es satt!; Aktion Agrar; FIAN; Fläming Kitchen; INKOTA; jABL; Rebellion der Träumer; Save our Seeds; WWF Jugend. Hunderte engagierte Bürger*innen, Aktivist*innen sowie Besucher*innen verarbeiteten optisch nicht marktfähiges aber geschmacklich einwandfreies Gemüse wie zweibeinige Karotten und knubbelige Kartoffeln mit Sparschäler, Messer und Kochlöffel. Unterstützt wurden sie von Aktionskoch Wam Kat und der Fläming Kitchen. Auf dem Rahmenprogramm des Abends standen u.a.: Diskussionen zu „Klima und Ernährung“ sowie „Landwirtschaftliche Erzeugung der Zukunft“, Filme sowie praktische Workshops zum Fermentieren, zu handwerklich hergestellter Pasta und Honig. Während eines NGO-Slams stellten sich den Gästen verschiedene Nichtregierungsorganisationen vor. Für das Rahmen sorgten die DJs Adam Aalias, Elias Doré, Annett Gapstream und Frida Darko von Rebellion der Träumer sowie ein Überraschungs-Act (Quelle: Pressemitteilung v. 9.1.2020, Slow Food).
Es kommt heute und in Zukunft nicht nur darauf an, zum verantwortungsbewussten Konsum beizutragen, sondern auch praxisorientierte Tipps zu einem nachhaltigen Lebensstil und Orientierung zu geben.
Dazu gehören u. a. Hinweise gegen Lebensmittelverschwendung, zur fairen Verwertung, Informationen zum Einkaufen und Kochen, zu Gesundheit und Wohlbefinden, zum ökologischen Reisen, zu Lifestyle- und Outdoorthemen. All das findet sich bei u.a. auf dem Nachhaltigkeitsportal memolife. Viele Medien verweisen bei diesem Ansatz auf das Stichwort „Nudge“. Diese „Stupser“ sind hier mit drei Botschaften verbunden:
• Es braucht keinen erhobenen Zeigefinger, um Dinge zu verändern.
• Das Machbare liegt immer vor uns.
• Der Weg zu mehr Nachhaltigkeit führt auch in kleinen Schritten zum Ziel.
So wie es der Straßenkehrer Beppo in Michael Endes Märchenroman „Momo" sagt: „Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst du? Man muss nur an den nächsten Schritt denken... Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut. Und so soll es sein.“
Weiterführende Informationen:
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen von Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2016.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.