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Lebenslang kompetent: Warum organisiertes Lernen und das Konzept des aktiven Lernens zusammengehören

Lernen braucht Begeisterung

Obama sagte beim Kirchentag 2017 in Berlin: "Lehrer sein ist einer der wichtigsten Berufe.“ In Skandinavien werden die besten Universitätsabsolventen Lehrer - hier lehren die Großartigsten. Kinder werden in frühester Zeit am meisten „geprägt“ (nicht nur erzogen) – von ihren ersten Bezugspersonen, den Eltern, den ersten Erziehern, den ersten Lehrern, später von Professoren und Vorgesetzten. Wer in den ersten Schuljahren von guten Lehrern für das Lernen begeistert werden kann, hat es später leichter. Wenn Professoren und Mentoren an Hochschulen und Universitäten bei ihren Studenten die Liebe für eine bestimmte Fachrichtung entflammen können, ist der richtige Weg geebnet. Wer in einem Unternehmen gefördert und respektvoll behandelt wird, bringt außergewöhnliche Leistungen und bleibt.

Nachhaltigkeit hat auch mit lebenslangem Lernen zu tun. Durch kontinuierliche Verbesserung geschehen am Ende große Dinge, so wie es der US-amerikanische Basketballspieler und –trainer John Wooden treffend zum Ausdruck bringt: „Sehnen Sie sich nicht nach der großen, schnellen Verbesserung. Streben Sie nach der kleinen Verbesserung, ein Tag nach dem anderen. Das ist der einzige Weg, wie es passiert – und wenn es passiert, hält es für eine lange Zeit an.“ Eine demokratische Gesellschaft, die sich zukunftsfähig aufstellen will, ist auf reflexions-, innovations-, urteils- und handlungsfähige Menschen angewiesen, die den Weg dorthin durch ihr Denken und Tun verantwortlich gestalten und ihre Potenziale für die Gesellschaft zu nutzen wissen. Deshalb ist lebenslanges Lernen vom Kindesalter bis ins hohe Alter hinein so wichtig.

Neues Lernen bedeutet ganzheitliche Förderung nach dem individuellen Leistungsstand. Dass überwiegend der Lehrer spricht und ihm alle Schüler zuhören, war gestern. Das Lernen der Zukunft umfasst unterschiedlichste Lernformen, bietet Abwechslung und Vielfalt. Bildungsziel ist nicht das Anhäufen von Fakten, sondern Orientierungskompetenz sowie die Umsetzung von Wissen in Handeln. Die rasanten technischen Veränderungen sowie der Prozess- und Arbeitsabläufe erfordern eine kontinuierliche Anpassung von Qualifikationen und Kompetenzen, die schon bei der Frühförderung beginnen muss. Zudem wachsen die Anforderungen der Unternehmen vor dem Hintergrund des globalisierten Wettbewerbs.

Lernzentriert statt technikfokussiert

Die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft stellt uns vor neue Herausforderungen. In einer globalisierten Welt kann nur mehr Bildung und lebenslanges Lernen die Antwort darauf sein. Bestehende Berufe müssen allerdings neu gedacht und neue Berufsfelder definiert werden, in denen Mensch und Maschine nachhaltig und leistungsstark zusammenarbeiten können. Dafür braucht es nicht neben Führungsbildung auch Können und Meisterschaft. Denn wer mit intelligenten Werkzeugen arbeitet, muss auch befähigt werden, deren Leistungen und Ergebnisse richtig einzuschätzen. „Schon heute können viele Manager, Börsenhändler und andere nicht erklären, wie die Ergebnisse der von ihnen genutzten Tools zustande kommen. Trotzdem basieren zum Teil gravierende Entscheidungen auf diesen Ergebnissen“, bemerken Thomas Klauß und Annika Mierke in ihrem Buch „Szenarien einer digitalen Welt – heute und morgen“, in dem sie sich mit den wichtigsten Fragen der digitalen Transformation beschäftigen:

• Was bedeutet digitale Transformation, wie und wo äußert sie sich?

• Wie wirken sich bereits heute Hardware, Software und digitale Services auf uns, unser privates, geschäftliches und gesellschaftliches, kulturelles und politisches Umfeld aus?

• Wie beeinflusst die Digitalisierung unsere sozialen Beziehungen, unsere Arbeit, Mobilität, unser Zuhause, Gesundheits-, Freizeit-, Medien-, Konsumverhalten und Engagement? Was verändert sich, was entsteht und was verschwindet?

• Worauf können oder müssen wir uns einstellen und was können und sollten wir tun? Welche Bedeutung haben Lernen, Wissen und Können?

„Bildung ist ihrem Wesen nach analog. Mit digitalen Medien und Methoden indes kann man sie ergänzen, vertiefen und ausbreiten“, sagt der Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, auf den im Bildungskapitel des Buches verwiesen wird. Es ist wert, besonders hervorgehoben zu werden, weil es sich einem der wichtigsten Aspekte in der Digitalisierungsdebatte widmet: der Bedeutung des Lernzentriertseins. Die Autoren verweisen auf einen israelischen Hightech-Kindergarten, in dem Robotik-Unterricht und Programmieren zum Alltag gehören. Spracherziehung kommt erst an zweiter Stelle. Einige Kinder können zwar programmieren, aber weder lesen noch schreiben.

Thomas Klauß und Annika Mierke sind davon überzeugt, dass ein schlüssiges Unterrichtskonzept wichtiger ist als der „planlose Einsatz von Informationstechnologien“. Leider wird häufig der Fehler gemacht, dass instrumentelle kindliche Fähigkeiten mit Kompetenz verwechselt werden. Kompetenz basiert jedoch auf selbst organisiertem Lernen und ist eng mit dem Konzept des aktiven Lernens verbunden. Dazu bedarf es entsprechender Lernumgebungen, die auch prominente Vertreter der IT-Elite betonen. Es ist kein Zufall, dass darunter auffallend viele Montessori-Schüler Baumeister der Digitalisierung sind, darunter Bill Gates, Mark Zuckerberg Sergey Brin, Jeff Bezos, Jimmy Wales und Google-Gründer Larry Page, der rückblickend auf seine Schulzeit bemerkt, dass es Teil des Unterrichts in der Montessori-Schule war, „nicht Regeln und Anweisungen zu folgen, sondern selbstmotiviert Fragen über die Welt zu stellen und Dinge ein bisschen anders zu machen.“

In der Steve Jobs School in Amsterdam gibt es beispielsweise eine Bibliothek mit Selbstlernraum und einen Ruheraum. Tablets werden vor allem für die Planung des Unterrichts eingesetzt und ermöglichen es den Schülern auch, selbstbestimmt zu lernen und zu entscheiden, ob sie in der Gruppe im Klassenraum lernen möchten oder im Selbstlernbereich. Diese Grundlagen werden in der aktuellen Diskussion um Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung oft vernachlässigt. Stattdessen wird die ausschließliche Förderung der MINT-Fächer und mathematisch-logischer Kompetenzen (z.B. in den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften ) betont. Das führt jedoch in die Sackgasse, wie auch zahlreiche Beispiele bei Klauß und Mierke belegen.

Personalexperten wie Dipl.-Ing. (FH) Werner Neumüller von der Neumüller Ingenieurbüro GmbH betonen nicht nur die Notwendigkeit eines breiteren interdisziplinären Ansatzes, sondern auch die Bedeutung des Tuns, „denn ohne anpackende Menschen, die klug und pragmatisch die Welt gestalten“, kann sich eine Gesellschaft nicht nachhaltig entwickeln und innovativ sein. Mit der Hand begreifen und gestalten wir die Welt. Wer dies vernachlässigt, wird die Herausforderungen unserer Zeit nicht meistern können und lediglich in der Welt „hantieren“.

In seinen Publikationen beschäftigt sich Werner Neumüller vor diesem Hintergrund nicht nur mit künftigen betrieblichen Abläufen und Organisationsstrukturen aus und betrieblichen Karrierewegen, sondern auch mit der Frage, warum Wissen ohne Können wertlos los. Dem dualen Studium mit vertiefter Praxis kommt dabei eine wesentliche Bedeutung zu: Es schafft Unternehmen die Möglichkeit, attraktive Ausbildungsprogramme für Schulabgänger mit Hochschulreife zu bieten und damit dem Fachkräftemangel entgegen zu treten sowie den richtigen Führungskräftenachwuchs für Unternehmen zu gewinnen. Denn mit Uni-Studenten von der Stange ist keine deutsche Meisterschaft zu gewinnen.

Der Schlüssel zum Erfolg

Nicht jeder hat allerdings die finanziellen Ressourcen, um sich neues Wissen anzueignen. Auf der Website der Online-Weiterbildungsplattform karriere tutor® wird beschrieben, dass die Chancen auf Weiterbildung für Lernwillige dennoch gut stehen – dank verschiedener staatlicher Fördermittel: Zunächst einmal hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Weiterbildungsberatung bei der Bundesagentur für Arbeit. Gefördert werden insbesondere Lehrgänge, die Teilnehmer für den digitalen Wandel rüsten.

In einigen Bundesländern gibt es weiterhin den Bildungsscheck, den der Europäische Sozialfonds an Mitarbeiter kleiner oder mittelständischer Betriebe vergibt, die sich beruflich weiterbilden wollen. Für Beschäftigte mit geringem Einkommen gibt es die Bildungsprämie. Für Oliver Herbig, Geschäftsführer von karriere tutor®, ist lebenslanges Lernen entscheidend, „um die digitale Transformation zu meistern und fachlich auch in Zukunft auf dem aktuellen Stand zu bleiben.“

Weiterführende Literatur:

Lebenslanges Lernen ist der Schlüssel zum Erfolg – Diese staatlichen Fördermittel gibt es

Thomas Klauß und Annika Mierke: Szenarien einer digitalen Welt – heute und morgen. Hanser Verlag. München 2017.

Werner Neumüller und Alexandra Hildebrandt: Tun statt reden.: Personalverantwortung 21.0 von A bis Z. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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