Macht und Flachsinn: Warum die Generation Z auch Tiefsinnkultur braucht
„Heute gewinnt oft derjenige, der es versteht, starke positive Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – sofort und auf der Stelle!“, schreibt der Mathematiker und Publizist Gunter Dueck, der dafür plädiert, dass wir uns gemeinsam anstrengen und „die flachsinnigen und unverantwortlichen Schwankungen und den entsprechenden Rummel um nichts durch Besonnenheit und Verantwortlichkeit ablösen“ sollten. Was es heute braucht, ist die Etablierung einer neuen Tiefsinnkultur – auch in der Generationendebatte, denn die Zuschreibungen für Generationen X, Y und Z sind oft nebulös oder werden pauschalisiert. Dadurch breiten sich falsche Zuschreibungen und Unterschiede immer weiter aus.
Flachsinn statt Tiefsinn
Besonders flachsinnig ist derzeit die Debatte um die Generation Z (die zwischen 1995 bis 2010 Geborenen). Ihr gehören nur ungefähr 15 Prozent der deutschen Bevölkerung (etwa 12 Millionen Menschen) an. So wird zuweilen in den Medien gefordert, dass in jedem deutschen Unternehmen ein U25-Vorstand sitzen sollte, und die Generation Z an die „Macht“ kommen soll. Qualifikationen werden allerdings nicht erwähnt. Zudem wird einerseits das alte Statusdenken mit Titeln, Privilegien und Hierarchiestufen kritisiert, andererseits wird nach Funktionsmacht gestrebt. Es ist kaum noch die Rede davon, was jemand kann oder wie der Weg zur eigenen Meisterschaft beschritten wird. Doch ohne Gesellenstufe mit ausgebildeter Gestaltungsmacht ist das in Krisen- und Umbruchszeiten, wo Luftblasen schneller platzen, nichts wert.
Nur Lebenshandwerker haben keine Angst vor Veränderungen und können eine Gesellschaft reparieren und neu machen. Wie soll das ein junger Mensch lernen, wenn die Medien ständig suggerieren, dass es besser ist, jung in die Vorstandsetagen aufzurücken als innerlich zu wachsen und handfest die Welt zu gestalten? Ohne den Blick für das Praktische und Ganze bildet sich Schwarmdummheit aus, die dann einsetzt, „wenn sich das Erstklassige nicht mehr gegen das Zweitklassige halten kann“ (Dueck), wenn Reden mehr gilt als Tun. dabei herrscht in den meisten Branchen und Regionen herrscht Nachwuchsmangel, und es fehlen Fachkräfte. das bestätigte Ende 2017 auch Thomas Brinkmann, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, während der Mitgliederversammlung der Tischler-Innung Herford, dass sich die Jahresrechnungen der Innung und der eigenen Lehrwerkstatt zwar dank der guten Konjunkturlage gut weiterentwickelt haben - Sorgen allerdings bereiten ihm und dem Obermeisterteam die Lehrlingszahlen. Seit Jahren bilden zu wenige der Mitgliedsbetriebe aus. Dieser Abwärtstrend sei besorgniserregend. Das Unternehmen Häcker Küchen war als jahrzehntelanges Mitglied der Tischler-Innung eng verbunden. Längst zählt es zu einem der führenden Küchenmöbelherstellern in Europa. 1.738 Mitarbeiter erwirtschafteten im Jahr 2018 einen Umsatz von 602 Millionen Euro, der Exportanteil liegt aktuell bei rund 39 Prozent. Insgesamt sind aktuell 65 junge Menschen hier in der Ausbildung. Davon begannen drei Mechatroniker, sieben Industriekaufleute, vier Fachinformatiker, zehn Holzmechaniker (davon zwei junge Frauen) sowie ein Dual-Student der Wirtschaftsinformatik am 12. August 2019 ihre Ausbildung.
Zwei Drittel der für die Jugendstudie „Zukunft? Jugend fragen!“ Befragten, die 2017 im Rahmen einer Repräsentativbefragung mit über 1000 jungen Menschen zwischen 14 und 22 Jahren sowie einer qualitativen Online-Community im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) durchgeführt wurde, sehen eine gute Ausbildung als Voraussetzung für ein erfolgreiches und vor allem selbstbestimmtes Leben. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen suchen Anerkennung und Erfüllung im Beruf. Dies ist ihnen genauso wichtig, wie das Leben „in vollen Zügen genießen“ zu können. Die Berichterstattung darüber ist allerdings weniger spektakulär als über die „Generation ZEO“, die gleich auf Vorstandsebene wirken möchte.
Umso wichtiger ist es, Unternehmensbeispiele zu präsentieren, die nachhaltige Entwicklung und Tatkraft zeigen. So wurde dem Küchenhersteller aus Rödinghausen gerade erneut der Titel „zertifizierter Ausbildungsbetrieb“ nach einer Zufriedenheitsbefragung unter den Auszubildenden verliehen. Die Initiative „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“ ist die größte unabhängige und neutrale Zertifizierung für Ausbildungsbetriebe in Deutschland. Für das Gütesiegel wurden gemeinsam mit den Personalverantwortlichen zusätzlich Kennzahlen erhoben, wie die Anzahl der übernommenen Auszubildenden und die Höhe der Abbruchquote. Durch die Kombination dieser Kennzahlen mit der Beurteilung der Auszubildenden erhalten Jugendliche eine verlässliche Auskunft darüber, wie gut ein Ausbildungsbetrieb tatsächlich ist. Nur Unternehmen, die von ihren Auszubildenden gute Noten erhalten und sich in der Ausbildung besonders engagieren, dürfen sich „Ausgezeichneter Ausbildungsbetrieb“ nennen.
In Rödinghausen ist die Ausbildung besonders vielseitig, denn sie enthält Auslandsaufenthalte (Kaufleute), Projektarbeiten und Förderunterricht, gewährt aber auch einen Bonus für gute Noten und verschiedene Exkursionen/Ausflüge. Bei entsprechender Leistung übernimmt das Unternehmen im Anschluss die Auszubildenden in ein reguläres Arbeitsverhältnis mit einer Reihe von Benefits. Für das Familienunternehmen ist die Ausbildung des eigenen Nachwuchses traditionell besonders wichtig, denn es geht dabei auch um die eigene Zukunftsfähigkeit. Nachhaltigkeit gehört deshalb zum Kerngeschäft.
Was denkt die Generation Z über Umwelt- und Klimaschutz, nachhaltige Entwicklung und Konsum? Welche Erwartungen hat sie an die Politik? Die Jugendstudie „Zukunft? Jugend fragen!“, die 2017 im Rahmen einer Repräsentativbefragung mit über 1000 jungen Menschen zwischen 14 und 22 Jahren sowie einer qualitativen Online-Community im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) durchgeführt wurde, stellte die Einstellungen zu Nachhaltigkeit, Politik und Engagement vor. Leider werden diese Aspekte in der aktuellen Debatte um die Generation Z, in der die Funktionsmacht dominiert, kaum berücksichtigt.
Für die Generation Z steht Immaterielles und Soziales genauso im Fokus wie Partizipation.
Sie möchte ihrem Herzen folgen statt einem festen Lehrplan. Sie will Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung.
Der „großen Politik“ steht sie mehrheitlich sehr distanziert gegenüber. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie unpolitisch sind – sie suchen nur andere Formen, um sich politisch auszudrücken.
Verbreitete Zweifel an der Wirksamkeit des eigenen Handelns bremsen ihre Einsatzbereitschaft für abstraktere politische, soziale oder ökologische Ziele.
Die Digitalisierung wird bestimmend für die Zukunft angesehen.
Zwei Drittel der Befragten sehen eine gute Ausbildung als Voraussetzung für ein erfolgreiches und vor allem selbstbestimmtes Leben. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen suchen Anerkennung und Erfüllung im Beruf und nicht in einer „Funktion“.
Weiterführende Informationen:
Klaus Hurrelmann: Nicht ohne meine Eltern! In: DIE ZEIT (23.11.2018), S. 76.
Gunter Dueck: Schwarmdumm. So blöd sind wir nur gemeinsam. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2015.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.