Menschlichkeitsbilanz in Unternehmen: Warum diese Rechnung aufgeht und was unterm Strich bleibt
Über die Hälfte der Beschäftigten weltweit setzt kein großes Vertrauen in das eigene Unternehmen oder den direkten Vorgesetzten. Das ergab eine Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY). Zu den Gründen gehören fehlendes Vertrauen, unfaire Bezahlung und fehlende Chancengleichheit. Das zeigt: Neben den üblichen Unternehmensbilanzen brauchen Organisationen auch eine Menschlichkeitsbilanz, die schon im Kleinen beginnt – zum Beispiel im Erweisen von Dankbarkeit, das die Bindungen innerhalb sozialer Netze verstärkt.
Die Macht der Dankbarkeit findet sich bereits bei unseren Vorfahren und zeigte sich etwa im Tausch von Nahrungsmitteln: So teilten die Schimpansen ihr Fressen systematisch mit denen, die ihnen das Fell gepflegt haben. Mit Berührungen wurde Dankbarkeit gegenüber denen ausgedrückt, die Fressen tauschten. Das ermunterte die Gruppe zu weiteren Transaktionen. „Bei diesem Tausch ‚Fressen gegen Fellpflege‘ bilden die Schimpansen Allianzen, die starke Verbindungen zwischen Menschen ähneln“, schreibt der Psychologieprofessor der University of California, Dacher Keltner, in seinem Buch „Das Macht-Paradox", in dem er sich mit der Frage beschäftigt, wie wir Einfluss gewinnen - oder verlieren. Bleibende Macht hängt für ihn davon ab, einfache Dinge zu tun, die gut für die anderen sind: „Achten wir auf die Bedürfnisse der Machtlosen unter uns, können wir unsere Macht nutzen, um Gutes zu tun und der Gesellschaft auf nachhaltige Weise dienen."
Er bricht damit das negative Bild auf, das häufig mit Macht in Verbindung gebracht wird (z.B. Machtmissbrauch und unethisches Verhalten). Macht gedeiht für Keltner dort, wo positive Einflussnahme durch Freundlichkeit, Gemeinsinn und Gerechtigkeit wächst und Solidarität und Begeisterung spürbar sind. Wer ihr folgt, „wird beruflich glücklich“, sagt Lin Müller. Beruflich war er etabliert und entschied sich dann trotzdem dazu, seiner Leidenschaft zu folgen, die schon immer dem Prozessmanagement galt, das er als langjähriger Werks- und technischer Leiter auch ausüben konnte, dem er aber beruflich noch mehr Raum geben wollte. Er beschloss deshalb, sich noch weiter zu spezialisieren und absolvierte bei karriere tutor® die berufsbegleitenden Online-Weiterbildungen zum Six Sigma Black Belt und Lean Master Manager. Heute arbeitet er in einem Bereich, der ihn begeistert und kann diese Begeisterung und seine Expertise täglich an seine Teilnehmer weitergeben und ihnen die vielen Möglichkeiten aufzuzeigen, „die sie selbst haben, aber nicht immer sehen.“ Die Dankbarkeit, die er durch sie erfährt, bestärkt ihn in seinem Tun.
Macht ist das Ergebnis „kleiner Handlungen" und des persönlichen Engagements. Ihre Aufrechterhaltung ist Keltner zufolge davon abhängig, wie wir die innere Erfahrung der Dankbarkeit nach außen umsetzen.
Schon der Philosoph Cicero war davon überzeugt, dass nur dankbare Menschen Freundschaft und eine Gemeinschaft eingehen können. Dankbarkeit war für ihn die wichtigste Haltung des Menschen und Voraussetzung für die „concordia“ (lat. „Eintracht“). Wo sie fehlt, wird die „Humanitas“ (Menschlichkeit) bedroht. „Der Undank ist immer eine Art Schwäche. Ich habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen wären undankbar gewesen“, schrieb Goethe. Dankbare und anpackende Menschen nehmen ihre positiven Möglichkeiten wahr und gestalten ihr Umfeld entsprechend. Nach Keltners Beobachtung wächst die Möglichkeit, gegenüber anderen Menschen Einfluss zu nehmen, wenn jemand freundlich ist und andere (hier als Mentor) anerkennt und achtet, denn: „Die Macht einer Person ist nur so groß wie ihr Ansehen“. Wer andere belohnt, erhält verlässlich bleibende Macht: „Das ist möglich, indem wir teilen, ermutigen, loben, wertschätzen“ und die guten Anlagen der anderen fördern.
Dauerhafte Macht erwächst für Keltner aus Empathie („die Kombination aus Know-how, Empathie und Teamarbeit“ wird auch beim Online-Weiterbildungsanbieter karriere tutor® betont), beruht auf Geben statt Nehmen sowie darauf, Dankbarkeit zu zeigen und Geschichten zu erzählen, die zusammenführen. Die Bedeutung der Empathie wird besonders hervorgehoben, weil sie zu mehr und besserer Zusammenarbeit führt und dazu beiträgt, dass die Beteiligten über bleibende Macht verfügen. Erwiesen ist, dass junge Menschen, die gerade ins Berufsleben eingestiegen sind, zufriedener waren mit ihren Jobs, wenn sie eine ausgeprägte Empathie hatten. Der gute Ruf eines Menschen erhöht die Chancen, dass er auch künftig in einer Weise handeln wird, die für alle Beteiligten nützlich ist.
Offen gezeigte Dankbarkeit ist für den Psychologen Dacher Keltner ein Mittel, um andere anzuregen, mehr zusammenzuarbeiten und produktiver zu werden. Doch was bedeutet das konkret im Unternehmenskontext? Wo finden sich hier positive Beispiele für Wertschätzung, die die Identifikation mit der Organisation fördert und ganzheitlich auf den Menschen und aufs Unternehmen wirkt? Glaubwürdiges Wertemanagement (Management of Value) ist deshalb unverzichtbar. Aus organisationstheoretischer Sicht bedeutet es sowohl den Einsatz und die Überprüfung der Einhaltung von Normen und Standards sowie den reflexiven Umgang mit Werten. Das ist gerade in politisch instabilen Zeiten besonders wichtig, denn Werte geben eine unverzichtbare Orientierung und Sicherheit.
Stephanie Selig hat die Erfahrung gemacht, dass Mitarbeiter zu selten wertgeschätzt wurden. Sie absolvierte ein Soziologiestudium mit Schwerpunkt Personal und Organisation und bildete sich zum Business Coach sowie zur Trainerin weiter. Allerdings ermöglichten ihr ihre Anstellungen im HR-Bereich nur selten, ihre eigenen Vorstellungen guter Personalarbeit umzusetzen: „Die Entscheidungswege waren lang, die Innovationsbereitschaft niedrig und die Ressource Mitarbeiter oftmals nur ein Kostenfaktor.“ Nach ihrer SAP-Weiterbildung, ebenfalls bei karriere tutor®, wollte sie diese Spirale durchbrechen und wagte den Sprung von der Teilnehmerinnen- zur Dozentinnen-Seite, wo sie nicht nur ihr Wissen weitergibt und neue Ideen umsetzt, sondern mit jedem Kurs ein Stück mehr Wertschätzung ins HCM bringt.
Verordnete Wertschätzung, die als Alibi dient, führt in Unternehmen und Organisationen allerdings zu Unaufrichtigkeit – wo sie echt ist, sind auch die Mitarbeiter wirklich motiviert und leisten gute Arbeit. Auch Personalexperten empfehlen, dass die vielen Details und kleinen Schritte, die gut gelaufen sind, in Unternehmen wertgeschätzt werden. Das macht eine respektvolle, am Menschen orientierte Führungs- und Unternehmenskultur aus. Wann immer sich Gelegenheit dafür bietet, sollte dankbar reagiert werden.
Weiterführende Literatur:
Stephan Brockhoff, Klaus Panreck: Menschlichkeit rechnet sich. Warum Wertschätzung über den Erfolg von Unternehmen entscheidet. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2016.
Dacher Keltner: Das Macht-Paradox. Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2016.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2018.