Mitarbeiter sind digital nicht fit, sagen Führungskräfte - eine Fehleinschätzung?
Es ist und bleibt ein Thema, das immer wieder – theoretisch in Studien, praktisch im Unternehmensalltag – auftaucht: Die angeblich nicht vorhandenen digitalen Kompetenzen von Mitarbeitern. Diese These stützt unter anderem auch die aktuelle „Human Capital Trendstudie 2019“ von Deloitte. Für die Studie wurden laut des Beratungsunternehmens 10.000 Menschen in 119 Ländern befragt, darunter über 600 Befragte aus Deutschland aus dem HR-Bereich, dem mittleren Management oder der Geschäftsführung.
Ein paar der zentralen Befunde: Die deutliche Mehrheit der Teilnehmer beobachtet bei den digitalen Fähigkeiten ihrer Kolleginnen und Kollegen dringenden Nachholbedarf. 92 Prozent halten es für wichtig, dass die Mitarbeitenden in den nächsten Jahren ihre digitalen Kompetenzen aufbauen und weiterentwickeln. Nur ein Drittel (34 Prozent) der Befragten sieht mehr als die Hälfte der eigenen Belegschaft als „digital ready“ an.
Ein komplett anderes Bild zeigen aber meine persönlichen Erfahrungen aus jetzt 15 Jahren Intranet-Projekten und die Ergebnisse einer Kantar EMNID-Umfrage, die wir von HIRSCHTEC 2018 in Auftrag gegeben haben. Für die Studie wurden 1.000 Berufstätige in Deutschland unter anderem im Hinblick auf ihre digitalen Fähigkeiten befragt. Interessanterweise gaben hier fast zwei Drittel (66 Prozent) der Befragten an, dass sie von sich selbst glauben, die aktuell in ihrem Unternehmen vorhandenen digitalen Werkzeuge (z. B. Intranet, virtuelle Arbeitsräume, Dateiaustausch) effizient im Arbeitsalltag einsetzen zu können. Nicht einmal ein Drittel (29 Prozent) sah hier Probleme.
Wer hat Recht? Führungskräfte oder Mitarbeiter?
Wie kommt es aber nun zu dieser starken Kluft zwischen der Selbstwahrnehmung der Mitarbeitenden und der Fremdeinschätzung durch die Führungskräfte und die Personalabteilungen? Was wir immer wieder beobachten – im Projektgeschäft und auch allgemein im Austausch mit Mitarbeitenden und Führungskräften anderer Unternehmen: Viele Manager wissen oft gar nicht genau, wie stark digitale Tools bereits im Arbeitsalltag genutzt werden, wie Menschen das aus ihrem privaten Alltag bereits vorhandene Digital-Know-how mit ins Unternehmen bringen und wie sie ihren Wissensstand kontinuierlich aktuell halten. Ich kenne viele unserer Ansprechpartner bei Kunden, die ohne Wissen der Unternehmen an Wochenenden zu Barcamps gehen, Informatik-Kurse an Fern-Unis machen oder ganz einfach Vorlesungen zu digitalen Themen an Universitäten besuchen.
Ich beobachte hier einen sich selbst verstärkenden Effekt: Je mehr Studien zu digitalem Nachholbedarf erscheinen, umso mehr glauben das auch die Führungskräfte, die dann wieder in den nächsten Studien dazu befragt werden. Getreu dem Motto: „Ach, Deutschland hinkt bei der Digitalisierung so stark hinterher, da KANN es doch auch um das digitale Know-how unserer Mitarbeiter nur schlecht bestellt sein.“ Fakt ist aber: Gerade was die interne Digitalisierung, nämlich die der Kommunikation und Zusammenarbeit in Unternehmen betrifft, sind immer mehr Unternehmen auf dem richtigen Weg – und das nicht zuletzt aufgrund von digital kompetenten Mitarbeitern, die bereit sind, sich auf Neues einzulassen, die bislang unbekannte Tools einfach ausprobieren und die sich über digitale Medien stetig vernetzen und austauschen.
Manager müssen selbst im Intranet und am digitalen Arbeitsplatz Präsenz zeigen
Das bedeutet aber auch: Wenn Manager die Realität nicht länger verzerrt wahrnehmen und die digitalen Kompetenzen ihrer Angestellten realistisch einschätzen möchten, dann ist eines unerlässlich: dass sie selbst digital engagierter werden, sich wie ihre Mitarbeiter in modernen Intranets bewegen, dort Präsenz zeigen und den Digital Workplace aktiv nutzen. Schnell werden sie dann bemerken: „Oh, unsere Mitarbeiter sind doch digital fitter als gedacht.“
Statt ihren Angestellten eine mangelnde Digitalkompetenz zu unterstellen, sollten Führungskräfte daher vielmehr hilfreiche Leitplanken formulieren und die Tool-Landschaft auf ein paar wenige Instrumente, die klar in ihren Anwendungsfällen voneinander abgegrenzt sind, reduzieren. Denn wie die Ergebnisse der Kantar EMNID-Umfrage ebenfalls zeigen: Fast ein Viertel (24 Prozent) der Berufstätigen sieht zu viele verschiedene digitale Tools als größtes Hindernis bei der internen Kommunikation und Zusammenarbeit.
Hilfestellungen leisten und den Mitarbeitern die nötige Orientierung geben, können Manager aber nur dann, wenn sie selbst
die digitalen Tools kennen,
von ihnen überzeugt sind,
und sie aktiv für eine effizientere und effektivere interne Kommunikation und Zusammenarbeit nutzen.
Und was beobachten Sie in Ihrem Unternehmen? Zeigt sich bei Ihnen auch eine Kluft zwischen der Selbstwahrnehmung der Angestellten und der Fremdeinschätzung durch die Führungskräfte? Ich bin gespannt und freue mich auf den Austausch hier unter Kommentare.