Moderne Beziehungskisten: Innovative Lösungen aus der Logistikbranche
Seit dem Jahr 2000 hat sich das Liefervolumen in Deutschland auf 3,35 Milliarden Sendungen pro Jahr nahezu verdoppelt. Laut der KEP-Studie 2018 sollen es 2022 schon 4,3 Milliarden Sendungen sein. Der Online- und Versandhandel in Deutschland wuchs auch in 2017 stetig weiter - laut E-Commerce-Verband evh um 9,3 Prozent. Da die Stadtbevölkerung weltweit nach UN-Angaben bis zum Jahr 2050 um 2,5 Milliarden Menschen anwachsen wird, sind viele Städte mit ihrer Infrastruktur (noch) nicht auf die wachsende Stadtbevölkerung vorbereitet. Deshalb werden neue, effizientere und saubere Lösungen für den urbanen und vernetzten Verkehr der Zukunft benötigt.
Derzeit stellt die letzte Meile neben hohen CO2-Emissionen, Luftschadstoffen und Lärmbelastung auch die Versandhändler und Paketdienstleister vor ein großes Problem, denn neben dem häufig sehr geringen Platz zum Parken und Rangieren sind die Kunden oft nicht zu Hause oder nicht erreichbar, auch sind Nachbarn immer weniger bereit, Pakete für andere Hausbewohner anzunehmen. Damit sinkt die Erstzustellungsquote. Da die Beschwerden der Kunden über schlechten Service zunehmen, bauen viele Unternehmen eigene Kapazitäten mit neuen lokalen Partnern auf.
Eine Zustellung per Elektro-Lastenrad schafft für viele Probleme Abhilfe: Durch das Laden der Räder mit 100 % Ökostrom fahren diese komplett emissionsfrei. Zusätzlich werden Abgase komplett und Lärm drastisch reduziert. Da die Fahrer der Lastenräder die Busspur und Fahrradwege benutzen und auch Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung befahren dürfen, ist die Zustellung häufig auch schneller als mit einem herkömmlichen Paketzustellfahrzeug. Durch eine direkte Abstimmung des konkreten Zustelltermins mit dem Kunden durch die Radlogistiker liegt die Erstzustellungsquote bei rund 96 % - im Vergleich zu rund 86 % durch herkömmliche Paketdienstleister.
Der Ökoversender memo AG hat in Berlin, Frankfurt/Main und in Stuttgart die Zustellung per Elektrolastenrad ausgebaut. In Frankfurt und Stuttgart werden regelmäßig die Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten. In Stuttgart gilt seit 1. Januar 2019 ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge bis Euronorm 4. Bisher sind u.a. Paketdienste von diesem Fahrverbot ausgeschlossen. „Es wird jedoch nicht ausbleiben, dass sich vor allem größere Städte und Ballungsräume sowie Unternehmen und speziell Versandhändler Gedanken über eine nachhaltigere Mobilität und Logistik Gedanken machen müssen“, sagt Frank Schmähling, Vorstand Logistik der memo AG. Der Versandhandel braucht eine effizientere und umweltfreundlichere Logistik.
Die Studie „Zukunftsbilder Transport und Logistik 2030“ (Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik et al. 2014) zeigt positive Zukunftsszenarien mit dem Fokus auf die Verkehrsträger Straße und Schiene im Güterverkehr auf Basis innovativer und nachhaltiger Verkehrssysteme und benennt zahlreiche Vorteile: So würde eine Verbesserung der Technik zu prozessoptimierten, energieeffizienten und sicheren Abläufen führen. Flexibles Management „unterstützt unternehmensinterne und -übergreifende Kooperationen“. Eine wesentliche Stellschraube zur Reduktion der CO2-Emissionen im Einkaufsprozess sind ganzheitliche Mobilitätskonzepte (z. B. nachhaltige City Logistik).
Das „Problempaket“ der Gegenwart beinhaltet allerdings noch viele Schwierigkeiten, denn in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung wechseln die Kunden häufig ihren Aufenthaltsort. Immer neue Kleinbestellungen machen die Belieferung der Großstadtnomaden so aufwendig, dass angestammte Kurier-, Express- und Paket-Dienste (KEP) schnell an ihre Grenzen kommen. Boomende Internet-Plattformen müssen deshalb eine eigene, hoch automatisierte Lieferkette aufbauen. Hierzu werden moderne Informations- und Kommunikationstechnologien und Analysemethoden eingesetzt.
„Smart Logistics“ vernetzt eine globale Zulieferkette und kommuniziert dabei Ort und Status ständig an eine hochperformante Datenbank. Dieses System erkennt in Echtzeit mögliche Schwierigkeiten auf dem Transportweg und die Teileversorgung kann dadurch mithilfe situationsbasierter Steuerungsverfahren umgehend darauf reagieren. Der „Smart Transport Robot“ ist ein autonomes, fahrerloses Transportsystem, das als wesentlicher Meilenstein für die Digitalisierung und Automatisierung in der Produktionslogistik verstanden werden kann und damit agile Lieferungen und eine effiziente Materialversorgung sicherstellt.
Produzierende Unternehmen wie der Küchenhersteller Häcker in Rödinghausen bieten im Partnerservice/Extranet mit dem Häcker Cockpit für Kunden einen besonderen Service, denn dort lässt sich die Position eines Lkws jederzeit per GPS anzeigen. Es gibt allerdings auch Momente, in denen die Planer des Unternehmens machtlos sind: Beispielsweise, wenn ein Lkw in Frankreich liegenbleibt. „Was man in Deutschland in vier, fünf Stunden reparieren kann, dauert hier meist vier, fünf Tage“, sagt Bernd Brömmelmeyer, der 43 Jahre für Häcker gearbeitet hat und nun die Leitung von Versand und Logistik an Thorsten Joerend abgegeben hat. Denn in Frankreich dürfen Lkw nicht auf der Autobahn und nicht in Parkbuchten repariert werden. Damit dies weitgehend ausgeschlossen werden kann, setzt das Unternehmen auf einen modernen eigenen Fuhrpark. „Anfangs haben wir nur mit Speditionen gearbeitet, und es gab viele Selbstabholer“, sagt er. Erst mit der Anschaffung des ersten 7,5-Tonners wurde eine Ära eingeleitet, welche die Logistik im Unternehmen rasch wachsen ließ. Sie ist mit dem Wissen verbunden, wo es künftig langgeht und beginnt mit dem mobilen Denken – der Antriebskraft einer Gesellschaft in Bewegung.
Weiterführende Informationen:
Auf Achse. In: WORK. kitchen. stories Nr. 16. hg. von Häcker Küchen (Frühjahr 2019), S.
Joachim Becker: Jeder Tag Weihnachten. In: Süddeutsche Zeitung (25./26.8.2018), S. 66.
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen“ Amazon Media EU S.à r.l., Kindle Edition 2017.