Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Mütter und Karriere: Alles oder nichts?

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Warum Kinder und Karriere für viele Mütter (noch) nicht vereinbar sind

Von arbeitenden Müttern wird erwartet, „dass sie arbeiten, als hätten sie keine Kinder, und Mütter sind, als hätten sie keinen Job“, sagt die Drehbuchautorin Sharon Horgan, die mit der schwarzen BBC-Serie „Motherland“ satirisch den Finger in die Wunde der modernen Mutterschaft legt. Beschrieben wird die ständige Anspannung zwischen Job und Kind. Als Marissa Mayer Chefin von Yahoo wurde, obwohl sie schwanger war, wurde dies als Durchbruch – nicht nur in der männerdominierten Internetbranche – gefeiert. Neben ihrem Büro richtete sie ein Kinderzimmer ein und arbeitete fast ohne Babypause durch. Doch sie blieb die Ausnahme. Viele Mütter haben noch immer Nachteile im Beruf und sind häufiger arm. Bei den Unternehmen im deutschen Leitindex Dax gibt es keine einzige Frau. Oft müssen sie Geringverdiener-Jobs annehmen, obwohl sie teilweise besser qualifiziert sind als manche Männer.

Es gibt aber auch erwähnenswerte Ausnahmen: So ist die interne Besetzung verantwortungsvoller Positionen von Frauen bei den Neumüller Unternehmungen in Nürnberg überdurchschnittlich hoch: angefangen beim Spitzenmanagement (die weibliche und männliche Geschäftsführung haben Regina und Werner Neumüller), über das obere Management (je ein Mann und eine Frau bis zum Mutterschutz) und das mittlere (mehr Frauen als Männer) bis zur Belegschaft, wo der Frauenanteil in den MINT-Fächern etwa doppelt so hoch ist, wie bei den Kunden von Neumüller. Intern werden jene Frauen gefördert und ermutigt, die sich für eine weiterführende Aufgabe interessieren. So sind z.B. die ehemalige Buchhalterin oder Empfangsdame mittlerweile beide Führungskräfte im HR-Umfeld, sagt Neumüller, der allerdings auch betont, dass Frauen generell anders Karriere machen als ihre männlichen Kollegen: „mehr kollegial, weniger egoistisch". Für ihn ist die Gleichbehandlung von Frauen und Männern selbstverständlich - alle werden entsprechend ihrer Qualifikationen und Fähigkeiten entlohnt, unabhängig ob Mann oder Frau. Angeboten werden familienverträgliche Teilzeitarbeit für Mütter, Teams von Voll- und Teilzeit-MA/innen garantieren gegenseitige Vertretung. Aufgaben werden nach Absprache familienfreundlich umorganisiert (z. B. durch Homeoffice). „Zusätzlich wird über Work Life Efficiency berufliche Entwicklung, familiäre Verpflichtungen und persönlich Notwendiges verstärkt in Einklang gebracht", sagt der Geschäftsführer. Damit würden nicht nur zusätzliche berufliche Erfolgserlebnisse entstehen, sondern es wird auch das persönliche Wohlbefinden gefördert, das sich wiederum auf das private und familiäre Wohlergehen positiv auswirkt.

Vor einigen Jahren befragte ich für einen Artikel Frauen zum Thema Kind und Karriere. Alle, die damals zu Wort kamen, wollten arbeiten und nicht nur daheim bei ihren Kindern bleiben. Sabine Riedel, Jahrgang 1975, die an der LMU München Kommunikationswissenschaften studiert hatte und in renommierten PR-Agenturen und auf Unternehmensseite für die Öffentlichkeitsarbeit – unter anderem sechs Jahre als Head of PR und Pressesprecherin beim Condé Nast Verlag – tätig gewesen war, beklagte damals, dass die Debatte, die rund um die Themenkomplexe „Arbeitende Mütter“ und „Wiedereinstieg in den Beruf“ geführt wird, „unehrlich und verkorkst“ sei, denn es werde vermittelt, dass es lediglich eine Frage der Organisation sei, Job und Kind unter einen Hut zu bringen: „Dadurch kommt ein irrer Druck auf den eh schon brodelnden Deckel aller, die ein Kind haben und zugleich Geld verdienen wollen oder müssen.“ Wer ein Kind bekommt, muss sich zunächst entscheiden: „Möchte oder muss ich aus finanzieller Not früh zurück in den Job, muss ich mein Kind früh abgeben. Möchte ich in den ersten Jahren viel Zeit mit meinem Kind verbringen, kann ich nicht Vollzeit arbeiten.“ Sie plädierte dafür, sich von der Vorstellung, alles haben zu wollen, zu verabschieden.

Sie kritisierte vor allem den Beigeschmack, den die Modelle Teilzeit und Vollzeit bekommen haben. Beides werde (vor allem von Frauen) be- und verurteilt und (vor allem von Unternehmen) bestraft. „Das Klischee: Die Vollzeit arbeitende Mutter vernachlässigt (vermeintlich) ihr Kind, die Teilzeit-Mutter vernachlässigt (in vielen Fällen leider tatsächlich) ihre Karriere.“ Teilzeit klingt für sie „nach nachmittags frei haben“, bedeutet aber tatsächlich: vormittags arbeiten, nachmittags Kinderbetreuung, einkaufen, Arzttermine, Kinderturnen oder Wäscheberge. Zudem beschrieb sie, wie Mütter heimlich auf der Bürotoilette Kinderarzttermine ausmachten oder Absurdes erfanden, nur um pünktlich aus dem Büro zu kommen.

Bei Bewerbungen lassen sich Mütter leicht aussortieren. Da es kein Gesetz gibt, das ein „Zwei-Mütter-teilen-sich-eine-Stelle-Prinzip“ (Katrin Wilkens) durchsetzt, füllen sie in Unternehmen eher unattraktive Positionen aus. Andererseits kommt es auch vor, dass Unternehmen Teilzeitanträge ablehnen, Verträge von Doktorandinnen nicht verlängern, Assistentinnen zu Vorgesetzten von Teilzeitmüttern machen, Elternzeit-Vertretungen unbefristet einstellen und „mit nicht wenigen wiederkehrwilligen Müttern vor dem Arbeitsgericht landen.“

Wer das Spiel nicht mitmacht, wird nach der Babypause oft aus der Job-Umlaufbahn gekickt und sucht sich einen eigenen Weg in der Selbstständigkeit oder macht faule Kompromisse. Hinzu kommt, dass vielen Müttern die Zeit fehlt, sich viral zu vernetzen, um sich an der Debatte zu beteiligen. Sie wollen auch keine öffentliche Inszenierung, wenn sie von Gleichberechtigung sprechen, sondern einfach nur einen Job machen, der zu ihnen passt – und sie wollen eine gerechte Rente. „Auf gut 500.000 Euro verzichtet eine durchschnittliche Mutter im Laufe ihres Lebens, wenn sie die Teilzeitlösung wählt“, schreibt Katrin Wilkens, Mutter dreier Kinder und Autorin des Buches „Mutter schafft! Es ist nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt“.

Gut ausgebildete, hochmotivierte und gut organisierte Frauen leiden häufig unter einem starren Unternehmenskorsett, Mobbing, unter kontrollsüchtigen Vorgesetzten oder unpassenden Arbeits- und Betreuungszeiten. „So wird das Ruder weiter in die Hände derer gegeben, die funktionieren und das Theater mitspielen – oder keine Kinder bekommen haben“, so Sabine Riedel. Viele andere Mütter, die ich damals befragt habe, baten darum, dass ihre Aussagen anonym erscheinen. Die Diskriminierung, die sie erfahren haben, zieht sich bis heute durch alle Branchen:

„Zum richtigen Zeitpunkt war mein Job wieder frei ... Eine hochqualifizierte Kollegin, ebenfalls Mutter, schlug Job-Sharing vor. Bedauerlicherweise waren die entscheidenden Schlüsselpositionen in der Zwischenzeit auch durch Mütter besetzt. Der entscheidende Unterschied: Sie arbeiteten Vollzeit und waren offenbar absolut flexibel. Der in Kauf zu nehmende Kostenpunkt für die Vollzeit-Kinderbetreuung lag bei 1500 Euro pro Kind, und der Stress und Schmerz war ihnen deutlich anzusehen. Für uns war das keine Option, also mussten wir uns Rechtsbeistand holen. Wir haben gewonnen, allerdings nur finanziell. Die Jobs in der Traumfirma waren weg – für immer. Das gefährlichste in der Gleichberechtigung von Frauen sind die Frauen selbst.“

„Ich habe während meines Studiums zwei Kinder bekommen. Nachdem sie aus dem Gröbstem herauswaren, hatte ich als Berufseinsteiger mit Kind zunächst keine Chance mehr, in die Arbeitswelt wieder einzusteigen. Jahrelang habe ich nicht einmal die Chance auf ein Gespräch bekommen – entweder war ich überqualifiziert oder unterqualifiziert. Nur durch persönliche Beziehungen bin ich zu meinem jetzigen (Vollzeit)-Job gekommen …“

Während meiner Zeit als Leiterin Gesellschaftspolitik bei Arcandor berichteten mir Mütter, die in der Konzernzentrale für Karstadt arbeiteten, dass um 23 Uhr zuweilen spontane Meetings einberufen wurden, da die zweite Managementebene und die Leitenden in den Ebenen darunter alle noch da waren. Die neuen Medien machten es schon damals möglich, selbst während der Geburt des Kindes im Kreißsaal (passiert bei einem Kollegen) sowie rund um die Uhr und an allen hohen Festtagen erreichbar zu sein – mehr noch, zur Verfügung stehen zu müssen. Es zeigte sich, dass die managenden Mütter täglich von Neuem die Kraft zum konsequenten Abgrenzen aufbringen mussten und die Erfüllung von drei Funktionen – Führungskraft, Mutter, Haushaltsführende – viel zu viel für sie allein waren.

Homeoffice und flexibles Arbeiten als wichtige Hilfe bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Es gibt aber auch Beispiele, die Frauen Hoffnung geben: Sabine Nixtatis, Jahrgang 1982, ist Mutter einer zweijährigen Tochter. Sie hat beruflich ähnliche Erfahrungen bei ihrem früheren Arbeitgeber gemacht wie die hier vorgestellten Mütter. Heute ist sie glücklich, weil sich Beruf und Familie perfekt vereinbaren lassen: Seit Juni 2018 ist sie bei karriere tutor® angestellt und heute als Head of Brand verantwortlich für das strategische Marketing, Corporate Design, Brand, CSR, Sponsoring und Marktforschung. In Anlehnung an das New-Work-Prinzip wurde das Unternehmen 2015, ein von der Bundesagentur für Arbeit zertifizierten Online-Weiterbildungsanbieter mit Sitz in Königstein bei Frankfurt, von Andrea Fischer und Oliver Herbig gegründet

Vor ihrem Wechsel dorthin war Sabine Nixtatis als Expert CSR & Events für einen Konzern tätig, wo sie verschiedene berufliche Stationen durchlief: Expert Marketing & Events, Manager Marketing & Events. Nach ihrer Ausbildung zur Informatikkauffrau absolvierte sie parallel ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing-Kommunikation an der WAK in Köln. Seit Ende 2015 ist sie zertifizierte CSR-Managerin (IHK). Inzwischen spart sie sich wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen durch flexiblere Arbeitszeitkonzepte den Weg ins Büro und kann sich den Tag frei einteilen. Beruf und Familie lassen sich dank der vielen digitalen Kanäle, durch die alle sehr gut miteinander verbunden sind, perfekt einteilen. Dank Skype oder Zoom kann beispielsweise problemlos der Bildschirm geteilt und gemeinsam an einer Aufgabe gearbeitet werden. Dieser Ansatz gibt den Mitarbeiterinnen größtmögliche Flexibilität und macht die Unternehmensabläufe gleichzeitig sehr effizient. Es ist sogar möglich, das Kind auf Dienstreisen mitzunehmen. „Das ist für mich gelebte Corporate Social Responsibility, die sich bei einem Unternehmen zuerst innen zeigt: daran, wie ein Unternehmen mit Frauen und Müttern, aber auch mit der gesamten Belegschaft umgeht.“

Bei karriere tutor arbeiten 38 angestellte Frauen und 12 weibliche Minijobber. 19 angestellte Frauen sind Mütter. Bei der ungarischen Tochtergesellschaft sind 15 Frauen angestellt, darunter zwei Mütter. Katharina Pavlustyk, die beim Online-Weiterbildungsexperten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, befragte Mitarbeiterinnen des Unternehmens zu ihren Erfahrungen, die sich inhaltlich decken: Nina Pietrzak ist Mutter von zwei kleinen Kindern im Alter von fast zehn und vier Jahren. Bis September 2018 arbeitete sie als Bankkauffrau bei einer Sparkasse: „Nach 15 Jahren in diesem Bereich wollte ich einfach noch mal etwas anderes ausprobieren. Und da meine beiden Kinder aus dem Gröbsten raus waren und ich bereits ein gewisses Alter erreicht hatte, habe ich meinen Plan in die Tat umgesetzt.“ Nachdem sie sich darüber klar wurde, in welchem Bereich sie arbeiten möchte, begann sie mit der Fortbildung. Dazu gehörte auch ein 14-wöchiger SAP-Kurs bei karriere tutor. Die Organisation des Lehrgangs hat sie sehr angesprochen. Als sie dann ein paar Wochen später von ihrem Tutor erfuhr, dass ein Minijobber als seine Vertretung gesucht wurde, meldete sie sich sofort dafür – und erhielt die Chance. Ende 2018 arbeitete sie zwei Monate für die Weiterbildungsplattform. Leider war diese Stelle von Beginn an befristet und auch die Stundenanzahl war für eine weitere Beschäftigung zu gering, sodass sich die Wege zunächst wieder getrennt haben. Allerdings hielt sie stets den Kontakt zu den anderen Tutoren und schließlich war eine Zusammenarbeit mit mehr Stunden doch noch möglich.

Nina Pietrzak schätzt bei karriere tutor das angenehme Teamgefüge, die kurzen Entscheidungswege, die sehr sympathischen Mitarbeiter und Vorgesetzten, die Möglichkeiten, ihr Wissen aus den Fortbildungen anzuwenden, das gute Gehalt, das eigenständige und eigenverantwortliche Arbeiten, die Wertschätzung ihrer Arbeit sowie die gute Work-Life-Balance: „Die Familie leidet nicht unter meinen Arbeitszeiten, denn ich arbeite, wenn sie außer Haus sind – aber ich bin da, sobald sie zurückkehren. Wir können ganz stressfrei in den Tag starten, ich kann sie wegbringen und auch abholen. Die verbleibende Arbeitszeit kann ich dann nachholen, sobald meine Kinder im Bett sind.“ Diese zeitliche Freiheit ist ihr viel wert. Sie kann sich um alle Belange der Familie kümmern und dennoch ihre Arbeit vollständig ausführen: „Ich habe nicht mehr das Gefühl, mich ‚zerreißen‘ zu müssen. Auch habe ich kein schlechtes Gewissen mehr, als Mutter von zwei kleinen Kindern überhaupt zu arbeiten. Ich arbeite für mich, um eben nicht nur Mutter und Hausfrau zu sein. Das gibt mir ein tolles Gefühl und das kann ich jetzt in vollen Zügen genießen.“

Das bestätigen ebenfalls die Erfahrungen von Thea Holte, die bei karriere tutor im Team Karriereberatung tätig und Mutter eines zehnjährigen Sohnes ist: „Durch die hohe Flexibilität kann ich meinem Sohn und auch der Arbeit gerecht werden. Bei Krankheit ist es möglich, Homeoffice zu machen. In Ausnahmefällen kann mein Sohn auch ins Büro kommen. Schulgespräche oder andere Termine kann ich problemlos wahrnehmen, da ich meine Arbeitszeit bis in die Abendstunden einteilen kann.“ Auch wenn es nur Einzelbeispiele sind und in vielen Unternehmen noch nicht selbstverständlich, so geben sie dennoch Anlaß zur Hoffnung und zeigen, was CSR und Digitalisierung AUCH  bedeutet.  

Weiterführende Informationen:

Frauen nach der Babypause: "Ich kann diese Stundenzahl nicht mehr kloppen" 

Sheila Heti: Mutterschaft. Aus dem Englischen von Thomas Überhoff. Rowohlt Verlag, Reinbek 2019.

Katrin Wilkens: Fehlgelenkte Bewegung. In: DIE ZEIT (25.4.2019), S. 29.

Visionäre von heute - Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag, Heidelberg und Berlin 2018.

Wer schreibt hier?

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Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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