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Nachhaltigkeitsmanagement light: Brauchen Unternehmen einen Feel Good Manager?

Politik light, Kultur light – und nun auch Nachhaltigkeitsmanagement light?

Das gibt vielen Menschen das behagliche Gefühl, modern zu sein und an der Spitze eines Trends mitzumarschieren mit einem Minimum an intellektuellem Aufwand. Den Beruf Feel Good-Manager, auch Corporate Culture Coordinator oder Well-Being-Beauftragte, gibt es erst seit einigen Jahren. Feel Good-Manager sollen in Unternehmen für gute Laune sorgen, sie kümmern sich um ergonomische Arbeitsplätze und frisches Obst, analysieren Mitarbeiterbedürfnisse, schaffen eine optimale Arbeitsumgebung und offene Kommunikationskanäle, etablieren Lernangebote und entwickeln ein Feelgood-Management auf Basis der Unternehmenskultur. Viele Aufgaben, viel Interpretationsspielraum.

Darin sieht Ulrich F. Schübel ein Problem. Als Vorstandsmitglied der Sektion Wirtschaftspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen sagt er: "Es ist eine eher unstrukturierte Auflistung von Dingen, die in vielen Organisationen zu kurz kommen." Er sieht es kritisch, wenn Unternehmen eine Person einstellen, die das macht, was beispielsweise Führungskräfte versäumen - und dann denken, alles werde gut. Abhängig davon, für welche Aufgaben ein Feel Good-Manager eingesetzt wird, bewertet Schübel das Berufsbild als bedingt sinnvoll bis unglaublich naiv. "Es ist oft der Versuch, ein bisschen Leichtigkeit in den Arbeitsalltag zu bringen." Die Schwierigkeit daran sei: Jedes Unternehmen verstehe darunter etwas anderes, zum Teil resultieren daraus unrealistische Erwartungen.

Es sei seiner Meinung nach auch naiv zu glauben, eine Person könne sich allein um die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur kümmern, denn dabei gehe es um ein sensibles Wechselspiel von Menschen mit ihren Werten, Handlungen und Haltungen. "Das ist wie die Idee einer Organisation, die wie eine Maschine funktioniert. Wenn ich jemanden habe, der regelmäßig Öl auf die Zahnräder gibt, dann läuft die Maschine geschmiert." Aus Sicht des Unternehmensberaters ist diese Metapher schlichtweg zu vereinfacht beziehungsweise falsch.

Dennoch heißt es: Zufriedene Arbeitnehmer sind die besseren Arbeitnehmer, denn sie sind auch bereit, etwas zurückzugeben und sich für den Arbeitgeber einzusetzen. Die Kritik, Mitarbeiter würden durch Wohlfühlangebote dazu gebracht, mehr Zeit im Büro zu verbringen, entkräftet der Psychologe: "Berufstätige sind nicht blöd, sie merken, ob es kleine Anreize sind, mit denen sie bei Laune gehalten werden sollen oder ob sich die Arbeitstätigkeit tatsächlich verbessert." Wirklich zufrieden mache das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun und dafür Feedback zu bekommen.

Keine Neuerfindung

Feel Good-Management gehört zu einer ganzen Reihe von neuen Konzepten zum Thema Arbeit und Gesundheit. Ihr Ansatz ist keine Neuerfindung - früher lief vieles unter dem Dach Arbeits- und Gesundheitsschutz. Aktuelle Entwicklungen zeigen aber auch, wie beides strategisch ineinandergreift: Unter dem Namen „Take Care“ bietet der mittelständische Ingenieur- und Personaldienstleister Neumüller seinen rund 350 Mitarbeitern Gesundheitsleistungen an. Mit der festen Verankerung in die Firmenphilosophie der Unternehmen führte die Unternehmensgruppe 2012 ihr Betriebliches Gesundheitsmanagement ein. Die Mitarbeiter sind hier nicht nur eingebunden, wenn es um die Auswahl der Bausteine von Fitness- oder Gesundheitsprogrammen geht, sondern benoten auch jede einzelne Maßnahme.

Das Credo des Geschäftsführers Werner Neumüller steht für Pragmatismus: „Tun - nicht reden!" Es genügt nicht, lediglich Maßnahmen zur Gesunderhaltung zu „entwickeln" und theoretisch zu vermitteln. Vielmehr müssen Unternehmen in der Belegschaft auch dafür werben und sie fest in der Unternehmenskultur verankern. Es gibt hier täglich frisches Obst in den Büroräumen, Ernährungsworkshops, Gesundheitsuntersuchungen, einen Gesundheitspass, Fitnessstudiogutscheine, Ergonomie am Arbeitsplatz, Suchtprävention oder Maßnahmen zur Arbeitssicherheit. Im Nachhaltigkeitsbericht der memo AG findet sich ebenfalls ein Hinweis zur systematischen Förderung der Mitarbeitergesundheit: „Fester Bestandteil sind dabei seit Jahren kostenloses Obst und Gemüse aus regionalem, saisonalem und biologischem Anbau für alle Mitarbeiter.“

Das Firmengebäude westlich von Würzburg wurde 1995 nach gesundheits- und umweltverträglichen Kriterien geplant und gebaut. Die Arbeitsplatzgestaltung richtet sich nicht nur nach den gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz, sondern geht darüber hinaus. Claudia Silber, die hier die Unternehmenskommunikation verantwortet, bemerkt zu Recht, dass ein gutes Gefühl immer aus uns selbst kommen muss: „Wenn bei mir persönlich oder an meinem Arbeitsplatz etwas nicht in Ordnung ist, muss ich mich doch erst einmal selbst fragen, ob ich etwas daran ändern kann. Soll das ein Außenstehender tun?“ Das Argument für das Feel Good-Konzept, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern durch die Einstellung eines Feel Good-Managers Wertschätzung signalisieren, wirkt im Vergleich zu professionellen Nachhaltigkeitsansätzen für sie recht dünn.

Strategische Verankerung

Der Bedarf der Beschäftigten wird bei Neumüller durch den Einsatz von Partizipationsinstrumenten (Mitarbeiterbefragungen, Gesundheitszirkel oder Arbeitssituationsanalysen) ermittelt. Die Vernetzung der innerbetrieblichen Verantwortlichen und Experten aus Personalabteilung, Arbeitssicherheit, Arbeitsmedizin sowie weiteren Personengruppen gewährleistet den übergreifenden Austausch und garantiert kurze Kommunikationswege. Kontinuierlich arbeitet ein Arbeitskreis an der Weiterentwicklung des Systems. Im September 2015 erfolgte bei Neumüller eine Spezialisierung durch die Einführung zweier sogenannter „Gesundheitslotsinnen" für die Bereiche Gesundheit und Bewegung: Zwei Mitarbeiterinnen der Unternehmensgruppe geben themenspezifische Beratung sowie geben Tipps und Hilfestellungen bei Fragen und Problemen rund um Ernährung und Fitness. Anfang 2016 wurde der Fokus erweitert um psychische und soziale Komponenten im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements zur Stärkung und Steigerung des Wohlbefindens der Mitarbeiter. Im Rahmen der kontinuierlichen Verbesserung entstand an eine Umfrage zur psychischen Belastung am Arbeitsplatz anschließend die Idee, den Feel Good-Bereich auszubauen.

Wie viele Unternehmen erkannte auch die Unternehmensführung, dass zufriedene Mitarbeiter für Produktivität, Motivation, gute Kommunikation und Teamgeist und Teamgeist sorgen. Allein deshalb kann ein Beschäftigter mit einer positiven Grundeinstellung (auch wenn er vielleicht fachlich nicht der allerbeste ist) sehr wertvoll für das Unternehmen sein, denn er hält das Team zusammen, spricht Dinge offen an, legt auch mal den Finger in die Wunde. Die Werkzeuge eines Feel Good-Managers, der die Wahrnehmung bei den Mitarbeitern verändert, hängen nach Neumüller von seinen eigenen Qualifikationen und Erfahrungen ab. Das Beispiel zeigt, dass eine solche Funktion organisch aus der Organisation herauswachsen und auch von den Mitarbeitern angenommen werden muss.

Feel Good Manager im Fußball: Ein Vorbild für Unternehmen?

Als Lukas Podolski als Nationalspieler in den EM-Kader 2016 berufen wurde, bezeichnete ihn die ZEIT als „Maskottchen“ des DFB. Auch andere Medien stellten seine Fähigkeiten in Frage. Dennoch setzte Jogi Löw auf ihn als guten Spieler und Stimmungsmacher im Team. „Solche Menschen werden auch in Unternehmen gebraucht, auch wenn sie nicht immer die besten Zahlen liefern. Ein schlagfertiger Spaßmacher, der auf ganz außergewöhnliche Weise die Dinge einfach und positiv auf den Punkt bringen konnte“, bemerken Karin Helle und Claus-Peter Niem (Coaching for Coaches), die mit zahlreichen prominenten Sportlern, unter ihnen Jürgen Klinsmann, Joachim Löw, Stefan Kuntz und Sebastian Kehl, arbeiten. Der US-amerikanische Basketballtrainer Mike Krzyzewski spricht in diesem Fall von Unterschied, der den Unterschied ausmacht, vom „Herz der Mannschaft“, das durch die eigene Vorbildfunktion das Beste aus anderen herausholen kann. Sein oberstes Ziel zu Beginn einer jeden Saison: Eben dieses zu finden.

Das Herz der Mannschaft macht sich nach Helle und Niem in willensstarken Spielern bemerkbar, die durch Leistung vorwegmarschieren und andere mitreißen, genauso wie durch empathische Sportler, die sich um die Belange anderer kümmern - bis hin zu Athleten, die durch ihr positives Wesen für eine gute Grundstimmung sorgen. Die Sportberater verweisen auch auf Jürgen Klinsmann, der rückblickend auf die WM 2006 von einer Art Feel Good-Manager berichtet - damals in Person von Thomas Hitzlsberger: „Auch dieser spielte in der ersten 11 keine große Rolle, sorgte dafür aber im Hintergrund der Ersatzbank für echte Wohlfühlatmosphäre. Ganz gezielt entschied sich Klinsmann daher für die Nominierung von Hitzlsberger.“ Er wusste auch aus eigener Erfahrung vergangener Weltmeisterschaften, was gute Stimmung für Energien im Team freisetzen konnte: „Ein Glücksfall, dass ich einen Spieler hatte, der auf den Plätzen 13 bis 23 für Balance sorgen konnte,“ so Klinsmann.

Weiterführende Unternehmen:

Wie die Unternehmenskultur unsere Gesundheit beeinflusst

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2017.

Alexandra Hildebrandt, Werner Neumüller (Hg.): Visionäre von heute – Gestalter von morgen. SpringerGabler Verlag 2018.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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