Neuanfänge: Was ich aus meinen Tiefschlägen gelernt habe
Marcell Jansen hat nach seiner Karriere als Profifußballer den Schritt ins Unternehmertum gewagt – und dabei auch die Schattenseiten des Gründens kennengelernt. Hier erzählt er, warum diese Tiefpunkte so wichtig waren.
Wenn du dein ganzes Leben lang, seit der Kindheit, den Fußball im Mittelpunkt hast und dich dann so wie ich dazu entscheidest, eine 180-Grad-Wendung hinzulegen, dann kann eine Menge schief gehen. Das fängt damit an, dass du einen komplett neuen Tagesablauf hast. Früher hatte ich feste Zeiten, wann ich aufstehe, wann ich beim Training sein muss. Als junger Unternehmer musste ich mich von einen Tag auf den anderen selbst organisieren und war alleine dafür verantwortlich meine Ideen voranzutreiben. Statt auf dem Platz stehst Du dann in einem Meetingraum und pitchst Deine Idee, mit dem Wissen, dass Du richtig Verantwortung trägst: für Mitarbeiter, für Arbeitsplätze und natürlich auch für Kapital.
Dieser Druck ist natürlich anstrengend und kann auch angsteinflößend sein, gleichzeitig setzt er eine Menge positive Energie frei.
Aller Anfang ist schwer – und unstrukturiert
Wenn ich jetzt auf die Anfänge zurückblicke, sehe ich, dass ich damals tief in der Findungsphase steckte, was ja auch dazu gehört. Gleichzeitig waren dadurch die ersten zwei bis drei Jahre als Unternehmer aber auch ganz schön unstrukturiert. Ich musste erstmal herausfinden, wo meine Kernkompetenzen lagen, was mein wirklicher Purpose war und bei welchen Themen mein Herz aufgeht. In diesen neuen Strukturen habe ich mich dann schon mal ordentlich verheddert. Heute ist mir klar, wie wichtig es ist, Schwerpunkte zu setzen und Ideen zu priorisieren, aber am Anfang möchte man natürlich am liebste alles machen. Dass das nicht geht, merkt man zum Glück relativ schnell – und kann gleichzeitig aus diesen Fehlern gute Lehren ziehen, die man später braucht.
Auch mental und körperlich war der Weg aus der Fußballerlaufbahn in ein neues Leben ein harter Prozess. Ganz am Anfang war ich total energiegeladen und wollte einfach loslegen mit dem Unternehmerdasein. Kurze Zeit ging das auch gut. Aber allein auf den Körper bezogen kann das schnell gefährlich werden, denn wenn Du aus dem Leistungssport kommst, solltest Du zunächst abtrainieren. Ich habe einfach gar keinen Sport gemacht und mich sofort ins Business gestürzt, was sicherlich nicht sehr gesund war. Auch mental hätte es dieses „Abtrainieren“ gebraucht, schließlich lastet als Profispieler und Person der Öffentlichkeit ganz schön viel Druck auf Dir. Heute würde ich sagen, dass mir sicher ein längerer Urlaub gut getan hätte, um mich zu sortieren und mit meiner Sportkarriere abschließen zu können.
Nach der Energie kam die Flaute
Ich habe das zu Beginn gar nicht gemerkt wie sehr mich dieser schnelle Übergang zerüttelt hat, ich war voller Energie und bin von Termin zu Termin gereist. Als dann unternehmerisch eine Sache richtig schiefgelaufen ist, habe ich langsam gemerkt, dass ich die Dinge anders angehen muss. Mir wurde bewusst, dass ich gerade, obwohl ich meinen vermeintlichen Traum lebe, gestresster und überarbeiteter war als je zuvor. Nachdem ich also diese Niederlage verdaut hatte – und das war gar nicht so einfach – bin ich mit mehr Konzept an die Sache gegangen. Ich habe den roten Faden in meinem Tun gesucht, diesen mit den Themen Gesundheit und Healthcare auch gefunden und habe mich mit Menschen zusammengetan, die meine Kompetenzen perfekt ergänzen.
Würde ich heute alles anders machen? Mit meinem heutigen Wissen: natürlich. Aber ohne die Niederschläge und Umwege hätte ich genau dieses Wissen ja gar nicht erlangt. Es braucht Reibung und Tiefschläge, um voran zu kommen. Man darf nur nicht vergessen, wieder aufzustehen – das gilt im Fußball genauso wie im Unternehmertum. Du kannst nicht jedes Spiel gewinnen und das ist ok. Du spielst schließlich auch nicht jedes Mal eine Weltmeisterschaft.