Wolfgang Keck

Neue Lesart des Klimawandels: Menschlichkeit, die das letzte Wort spricht

Interview mit Wolfgang Keck

Herr Keck, Sie sagen, dass Unternehmen und Wirtschaftspolitik "Klimawandel in der Wirtschaft“ pandemiebedingt derzeit wohl mehr daran bemerken und bemessen, in welchem Ausmaß sich Branchen und Unternehmungen jeglicher Art und Größe in ein hybrides oder auch rein digitales Wirtschaften anzupassen vermögen, als im Sinne ökologischer Nachhaltigkeit ...

Ja, vor diesem Hintergrund ist die Neuerscheinung der Nachhaltigkeits- und CSR-Literatur von 2020 selbst im aktuellen Jahr noch seiner Zeit voraus. Eine andere Lesart freilich erinnert dabei an die weniger optimistische Tatsache des Aufschiebens von dringlichen Herausforderungen. So lautet denn auch der Untertitel des gleichnamigen Herausgeberbandes „Klimawandel in der Wirtschaft“ (SpringerGabler): Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Der Schwerpunkt auf „den“ Klimawandel versteht sich nicht ausschließlich als Fachliteratur für oder aus einer Ökobewegung. Vielmehr werden viele der Facetten eines Nachhaltigkeitsklimas im heutigen Zeitgeist beleuchtet und in einer entsprechend abwechslungsreichen wie inspirierenden Lektüre zusammengeführt.

Wie gelingt das Ihrer Meinung?

Dem hauptsächlichen Erwerb von Fachwissen und neuen Fakten (dies transportieren die einzelnen Beiträge eher eingebettet), wird immer der Anspruch an Bewusstseinshaltung vorangestellt. Ein Bewusstsein für Dringlichkeit, das die zahlreichen Mitwirkenden des Buchs auf meist sehr persönliche und damit authentische und vielfältige Weise zum Ausdruck bringen. Damit wird das Buch alles andere als trockene Fachliteratur und eignet sich für Interessierte jeglichen Alters und Vorwissens als Mutmacher und Ratgeber genauso wie für eine Leserschaft aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die darin Erfrischung erfährt oder auch Verbindungen zur eigenen inneren Haltung aufnimmt. Als besonders wertvoll empfinde ich die außergewöhnliche Mischung an Mitschreibenden. Zahlreiche unter ihnen werden aufgrund ihrer heute jungen Jahre das Nachhaltigkeitsklima wohl noch in künftigen Generationen selbst miterleben und bemessen können. Sie treten oft besonders ambitioniert für einen „Klimawandel in der Wirtschaft“ ein, was ermutigend und mahnend gleichermaßen wirkt.

Welche Rolle spielt dabei der Zweifel?

Daraus machen sie keinen Hehl, sondern beschreiben ihre eigene Rolle hinsichtlich einer an Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebens- und Arbeitsweise mitsamt den Widersprüchen, Grenzen und Reichweiten des eigenen Tuns und Lassens auf – mehr oder weniger – kleinster Ebene. Die generationenübergreifende Auswahl an Autorinnen und Autoren als ein besonderes Merkmal wird ergänzt um einen weiteren Aspekt, der der Blase, in der sich die unternehmerische Betrachtung auf Nachhaltigkeit in Literatur und digitaler wie analoger Fachwelt oft aufhält, ein wichtiges Angebot macht: Das Bewusstsein für einen Klimawandel spielt sich nicht erst seit „Fridays for Future“, aber durchaus darin bestärkt, als immer größer werdende gesellschaftliche Bewegung ab, deren Stimmen die Herausgeberin vielstimmig einzusammeln versteht. Dabei entsteht ein Buch für Zuhörende und Lauschende, befreit von Besserwisserei.

Dringlichkeit für einen Klimawandel ist freilich eine Frage des Agenda-Settings und der Prioritäten, die Verantwortliche in Wirtschaft und Politik setzen …

Gerade das betonen ja die in den letzten Jahren wieder zunehmenden und immer globaler vernetzten Umwelt-Stimmen und Nachhaltigkeits-Bewegungen unserer Gesellschaften, die nach einem rasch zu erhoffenden „Sieg“ über das Corona-Virus vermutlich bald wieder die Weltbühne und damit unser aller Aufmerksamkeit erreichen. Doch das Dringlichkeit neben all den damit verbundenen politischen und unternehmerischen Entscheidungen auch untrennbar bis in die Tiefe der Persönlichkeit der Handelnden reicht, verdeutlicht die Herausgeberin durch ihre offene Auseinandersetzung mit dem eigenen Umgang mit Abschied und Tod, also mit zeitlicher Endlichkeit des Seins, den sie in ihrer Bucharbeit im engsten familiären Kreis erfahren hat. Diesem Akzent ist zu verdanken, dass ihr Buch vor allem Menschlichkeit zum Vorschein bringt. Und vielleicht ist es gerade Menschlichkeit, die im Handeln für Klima und mehr soziale Gerechtigkeit das letzte Wort spricht?

Zur Person:

Wolfgang Keck, Jahrgang 1976, kam nach kaufmännischer Ausbildung und Mitarbeit im Familienbetrieb ab 2004 als Leiter eines österreichischen EU-Pilotprojekts zum Thema CSR. Mit dem „CSR Trainingshandbuch“ legte er 2006 eine Pionierarbeit in der Fachliteratur zur beruflichen Qualifizierung in CSR und Nachhaltigkeit vor. In Folge entwickelte Keck bei der GILDE-Wirtschaftsförderung der Stadt Detmold die Wissensplattform „www.csr-training.eu“ mit und unterstützt seither bundesweit kleine und mittlere Unternehmen bei der Erarbeitung eigener CSR-Strategien. Seit 2015 engagiert er sich in der GILDE im regionalen „CSR-Kompetenzzentrum Ostwestfalen-Lippe (OWL)“ mit aktuellem Arbeitsschwerpunkt „CSR 4.0 – Digitalisierung und Unternehmensverantwortung“. Den Deutschen Industrie- und Handelskammertag begleitete Keck bei der Konzeption und Einführung des Lehrgangs „CSR-Manager/in (IHK)“. Derzeit ist er von der DIHK-Bildungs-GmbH im Arbeitskreis „Nachhaltigkeit und Digitalisierung“ mit der Co-Entwicklung des IHK-Führungskräftetrainings „Nachhaltig Erfolgreich Führen“ beauftragt. In Büchern, Buchbeiträgen, Leitfäden, Kurzfilmen und Veranstaltungsformaten bricht er die Komplexität von CSR immer wieder auf die praktische Umsetzbarkeit in klein(st)en und mittleren Unternehmen herunter und will damit zu einem Umsteuern des Mittelstands in eine nachhaltigere menschliche und ökologische Entwicklung beitragen.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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