Alles hängt mit allem zusammen und das Leben wird immer schneller.

New Work – wieso geht der Wandel uns alle an?

**Warum geht dieses „New Work“ uns jetzt alle an? Lasse Rheingans findet, weil uns als Gesellschaft gar nichts anderes mehr übrig bleibt!**Er selbst hat in seinem Unternehmen den 5-Stunden-Tag eingeführt, und eine Menge daraus gelernt.

Wir haben vier industrielle Revolutionen hinter uns, die unsere aktuelle Arbeitswelt mehr als geprägt haben. Die Dampfmaschine hat Licht und Strom ermöglicht, wenn die Sonne schon lange untergegangen oder noch nicht aufgegangen war, Maschinen haben angefangen, Arbeitsplätze zu ersetzen, Massenproduktionen und Fließbandarbeiten forderten einen hohen Bedarf an Arbeitskräften, Software hat Prozesse optimiert und automatisiert und künstliche Intelligenz ersetzt hier und da menschliches Nachdenken.

Das Ergebnis? Eine immer größer werdende Produktivitätsteigerung, die auch noch nicht ihr Ende erreicht hat. Zeitgleich kommen von allen Seiten weitere Themen hinzu, die Einfluss und Auswirkungen auf unsere Arbeitstage und privaten Zeiträume haben: Nicht nur die Digitalisierung (die übrigens schon seit 100 Jahren „tobt“), sondern auch schon lange Globalisierung, der immer deutlicher werdende demografische Wandel, Generationenkonflikte, fehlende Fachkräfte und eine Veränderung in der Kultur und den Ansprüchen von Kunden und Arbeitnehmern.

Mit der Folge, dass sich unser aller Leben, sowohl privat als auch beruflich, verändert hat. Seit Jahren wird das Schlagwort #VUKA durch's Dorf getrieben. Das, was damit gemeint ist, geht auch nicht mehr weg: Alles ist schnellebig, unsicher, komplex und mehrdeutig. Es gibt viele Wahrheiten. Jeder ist ständig erreichbar, Dinge werden sofort gebraucht und was gestern noch neu war ist heute schon alt. Warten ist 90er. Mitarbeiter leiden unter der Geschwindigkeit und der Belastung: Die Zahlen der AOK zu Krankheitstagen aufgrund von psychischer Belastung sind alarmierend, und steigen weiter an. Neben dem Fachkräftemangel steigen also auch die Ausfälle durch Krankheitstage.

Die Ansprüche an Arbeit und Leben haben sich geändert und wandeln sich weiter, und wir müssen ständig damit rechnen, dass in der nächsten Minute schon wieder vieles anders ist als es noch gerade war.

Für Unternehmen hält sich die Planbarkeit in Grenzen und nur wenige Aufgaben können in so feste, vordefinierbare Arbeitsabläufe gegossen werden wie es bei Fließbandarbeit zu Zeiten des German Wirtschaftswunders der Fall war. Denn: Je banaler und definierbarer der Arbeitsablauf, desto eher wird er automatisiert bzw. von Algorithmen oder Robotik übernommen.

Der Mensch kann sich auf sich selbst besinnen

Das Gute daran? Der Mensch kann sich auf das besinnen, was er ist: Ein Mensch. Wie Frederic Laloux bei der XING New Work Experience in der Elbphilharmonie sagte: Der Mensch als Wunder. (Toll! Mir gefällt das!)

Das Herausfordernde daran? Unternehmen und ihre Mitarbeiter sind mit Unsicherheiten, Komplexitäten und Mehrdeutigkeiten konfrontiert, die agiles Arbeiten und schnelle Entscheidungen in unsicheren Umfeldern erfordern. Unternehmen fehlen Antworten auf diese neue Welt – sei es im Hinblick auf Kulturwandel, den geänderten Ansprüchen der neuen Arbeitnehmer, digitale Technologien oder neue Modelle der Zusammenarbeit. Gleichzeitig gibt es zu wenige Berater und Begleiter, die bei der Suche nach Lösungen Unternehmen zur Seite stehen. Es müssen schneller und mutiger Entscheidungen auf Basis von weniger Wissen gefällt werden. Das heißt, dass Expertentum abgeschafft und sinnvollerweise durch „crowd knowledge“ ersetzt wird.

Was bedeutet das für Arbeit, und vor allem für „neue Arbeit“? Warum geht dieses „New Work“ uns jetzt alle an?

Weil uns als Gesellschaft und den Unternehmen in Deutschland gar nichts anderes mehr übrig bleibt! Das Handelsblatt hat es schon vor einiger Zeit treffend beschrieben: „Not getting it - Why german companies fail at digital innovation“.

„Innovate or die.“
Altes chinesisches Sprichwort.

Repetitive Jobs werden weniger. Der Bedarf an Flexibilität und daraus abgeleiteten kreativen Lösungen höher. Eigentlich perfekt für Menschen, die mit viel Empathie, Hirn und Herz mitten im Leben stehen. Doch diese Menschen müssen in Organisationen auf eine Art und Weise eingesetzt werden, die ihren Wünschen und Anforderungen entspricht, und das Umfeld muss es ermöglichen, dass sie ihr Potential entfalten und gemeinsam diesen Herausforderungen begegnen können – vorausgesetzt sie wollen dies.

Dieser sich immer stärker und schneller vollziehende Wandel ist offensichtlich noch nicht in allen Köpfen angekommen. Alte Strukturen, veraltete Führungsmodelle und eine Arbeitskultur aus dem letzten Jahrhundert steht einer Innovationskultur mehr als im Weg. Die Unternehmen, die sich nicht anpassen, werden vom Markt verschwinden. Und obwohl die oben geschilderten Veränderungen sich schon lange abzeichnen und deutlich zu erkennen sind, arbeiten vor allem kleine mittelständische Unternehmen immer noch mit Faxgeräten (s. WiWo, 2018), starren Hierarchien, die keine Frei- und Spielräume zulassen, und arbeiten nicht dagegen an, dass sich die Überstunden der Mitarbeiter stapeln (Überstunden! Bescheuert? Ja, hier nachlesen) oder sich die Mitarbeiter zunehmend unwohl an ihrem Arbeitsplatz fühlen.

So geht es nicht weiter, denn dann haben nicht nur die einzelnen Firmen ein Zukunftsproblem, sondern auch wir, als Gesellschaft: Wenn der Mittelstand sich nicht an äußere Notwendigkeiten anpassen möchte und dadurch nicht mehr in der Lage ist zukunftsfähig zu bleiben, weil Innovationen durch eine fehlende positive Arbeitskultur ausbleiben, weil keine Menschen mehr für Unternehmen in einem Umfeld „wie früher“ arbeiten möchten (und somit sogar bestehende Aufträge nicht mehr geleistet werden können und liegen bleiben) und Prozesse in dieser VUKA Welt einfach viel zu lange dauern, dann zahlen wir alle einen Preis dafür. Warum? Weil der Mittelstand der Motor der deutschen Wirtschaft ist. Einen Motorschaden können wir uns nicht leisten – wo sind also die Techniker?

Was muss passieren? Unternehmen müssen schneller auf Marktveränderungen reagieren können. Wir brauchen im Mittelstand Innovationen, bevor die Konkurrenz aus Asien, Amerika oder den europäischen Nachbarländern uns diese vorsetzen und uns Marktchancen nehmen. Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders und Austausches, wo jeder einzelne Mitarbeiter gemeinsam die Kollegen, ihre Teams und das Unternehmen voran bringen möchte. Mit Fokus auf Stärken, und gemeinsamem Ausbalancieren von individuellen Schwächen. Wir müssen unseren deutschen Perfektionismus im Zaum halten, und lieber schneller nutzbare Produkte als nie „perfekte Produkte“ unseren Kunden anbieten, und diese iterativ besser machen und aus dem Feedback der Nutzer lernen. Wir müssen Tools und Automatisierungen einführen und nutzen, um schneller und sinnvoller Arbeiten zu können. Weg mit Fax, weg mit Exceltapeten, weg mit bullshit jobs und Arbeiten, die Maschinen und Computer schneller, fehlerfreier und besser erledigen können. Hin zu #newwork, hin zu #futureofwork, auch mithilfe von gut nutzbaren, webbasierten Lösungen, die Prozesse massiv beschleunigen und bestenfalls aus Datenwust sinnvolle Informationen ableiten und Wissen sichtbar machen. Oder sogar schon mit wenig Aufwand Menschenleben retten.

Eine neue Sicht auf Arbeit und ein neues Denken ist dringend und zwingend erforderlich, wenn nicht sogar schon lange überfällig. Eine Arbeit und ein Denken, bei dem der Mensch, das Individuum, mit all seinen Potentialen, Interessen, Talenten und Kompetenzen im Mittelpunkt steht.

Jetzt die doofe Nachricht: Nein, es gibt keine einfache Antwort auf diese Herausforderungen und Fragen. Und nein, tiefgreifende Veränderungen sind auch sicher in keinem Unternehmen leicht einzuführen und umzusetzen. Aber Stillstand bedeutet Rückschritt, und einfach nicht anzufangen ist keine Option.

Unser Anfang war die Einführung des 5-Stunden Tages, und wir haben eine Menge daraus gelernt.

Mein Buch über unsere Erfahrungen („Die 5-Stunden-Revolution“) ist im August im Campus Verlag erschienen.

Womit fangen Sie an? An welcher Stelle stehen Sie? Was sind die größten Hürden?

Ich bin gespannt auf Ihre Erfahrungen!

Herzlich,

Ihr Lasse Rheingans

Lasse Rheingans schreibt über Kulturwandel, New Work, Digitalisierung, Wirtschaft & Management

20 Jahre Digitalbranche, Medienwissenschaftler (M.Sc.), Agentur-Gründer, Berater, Autor, Vortragsredner. CEO von Rheingans (https://rheingans.io). 5h Tag Innovator. Preisträger vom XING New Work Award, Chefsache Award, Preis der deutschen Personalwirtschaft, ….

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