Personaler: Bewerberfeind oder Menschenfreund?
Personaler, die professionellen Job-Verhinderer und größten Feinde für Bewerber im Kampf um die neue Stelle? Warum beide Seiten ihre Haltung hinterfragen müssen, um sich in Zukunft besser zu finden.
Eigentlich wollte ich über die „10 Personaler-Typen, auf die kein Bewerber steht“ schreiben. Denn nachdem ich die „10 schrägen Bewerber-Typen, auf die kein Personaler steht“ vor über 2 Jahren in meinem Blog vorgestellt hatte, wollte ich nun konsequent auch einen Blick auf die andere Seite des Tisches werfen. Schließlich erfahre ich im Coaching mit Bewerbern sehr viel darüber, auf welche unterschiedlichen Personaler-Typen sie treffen und welches Schauspiel in Vorstellungsgesprächen auf beiden Seiten mitunter auch gespielt wird.
Es ging um den Märchen-Onkel, der Bewerbern das Blaue vom Himmel über die Stelle und die Unternehmenskultur verspricht. Den strengen Prüfer, der detektivisch auf der Suche nach der unscheinbarsten Lücke im Lebenslauf ist. Den Herrscher, der Freude daran hat, den hilflosen Kandidaten im Kreis seiner Kollegen vorzuführen. Den Eisklotz, für den Emotionen im professionellen Vorstellungsgespräch nichts zu suchen haben. Den Schleimer, der Bewerbern nichts als Honig ums Maul schmiert und den Vergesslichen, dem nach drei Gesprächsrunden einfällt, dass er die Stelle doch lieber intern besetzen wollte.
Mein Text war fast fertig und ich konnte die Kommentare von Bewerbern „Herr Slaghuis, Sie schreiben mir aus der Seele“ förmlich schon riechen. Doch ich habe mich in letzter Sekunde entschieden, den Beitrag so nicht zu veröffentlichen, sondern diesen Text hier zu schreiben. Denn ich hätte trotz meiner Tipps zum Umgang mit solchen Personaler-Typen exakt das Bild vieler Jobwechsler befeuert, das ihnen in der Rolle als Bewerber meiner Meinung nach sehr schadet: Der Personaler als zunächst feindlicher Gegner, den es gilt, durch harte Überzeugungsarbeit für sich zu gewinnen.
Personaler, die professionell skeptischen Job Verhinderer?
In einem Radio-Interview bezeichnete neulich eine Psychologin, die heute als Coach arbeitet und früher selbst in HR-Funktionen angestellt war, Personaler als Menschen, die risikoavers das Unternehmen beschützend skeptisch auf Bewerber schauen und daher von Beruf Verhinderer seien. Wer einmal mit seiner Bewerbung im Stapel des Personalers gelandet sei, der könne es vergessen, so ihre Botschaft an Kandidaten. Schließlich seien Personaler darauf fokussiert, Menschen auszusortieren statt auszuwählen.
Das Interview an einem frühen Sonntagmorgen hat mich sehr nachdenklich gemacht. Welches Bild vermittelt sie auf diese Weise Bewerbern? Denn selbst wenn es gelingt, die Unterlagen im verdeckten Stellenmarkt über Headhunter oder über Kontakte bei einem Entscheider im Fachbereich direkt zu platzieren, so wird kein Jobwechsler im weiteren Prozess zumindest in mittelständischen und großen Organisationen um ein Gespräch mit einem Personaler herumkommen. Das Bild vom feindlichen Personaler erzeugt Angst, die ich den meisten Bewerbern heute auch ansehe, sobald es im Coaching um die Vorbereitung von Gesprächen geht.
Ich bin der Meinung, dass Angst in Vorstellungsgesprächen fehl am Platz ist, um sich auf Augenöhe zu begegnen sowie gute Entscheidungen zu treffen – und zwar auf beiden Seiten! Auch dieses Interview war ein Grund, meinen Beitrag nicht wie ursprünglich geplant zu veröffentlichen, sondern noch deutlicher eine andere Position zu vertreten.
Personaler sind Menschen wie du und ich, die ihren Job gut machen möchten.
Mal angenommen, auch Personaler haben Freude an ihrem Beruf. Es ist ihnen wichtig, mit Menschen zu arbeiten und an zentraler Stelle eines Unternehmens zur Entwicklung der Organisation beizutragen. Sie möchten ihren Job gut machen und die richtigen Mitarbeiter finden, die fachlich zur Position und menschlich in das Unternehmen passen sowie Entwicklungspotenzial aufweisen. Nur mal angenommen, diese Personaler wären also gar keine Bewerber Aussortierer und Job Verhinderer, sondern auch (nur) Menschen, die sich wirklich für andere Menschen interessieren und gute Auswahlentscheidungen treffen möchten – wie wäre das für Sie als Bewerber?
„Unmöglich, solche Personaler gibt’s doch da draußen nicht, die haben doch alle Spaß daran, mich als Bewerber zu schikanieren!“ höre ich Sie gerade schimpfen. Ja, sicher gibt es auch einige Personaler, denen Macht über andere Menschen etwas gibt oder die in ihrem Job frustriert sind, Dienst nach Vorschrift machen und fünfmal am Tag lustlos dieselbe Frage nach den größten Stärken und Schwächen abfeuern. Doch auch an der Hotelrezeption, beim Frisör oder im Supermarkt an der Kasse werden Sie immer mal wieder auf Menschen treffen, die in ihren Jobs frustriert sind. Sie kämen jedoch niemals auf die Idee, von einer mies gelaunten Kassiererin blindlings auf die Unfähigkeit aller Kassierer im Land zu schließen.
Personaler: Monster oder Menschenfreund? – Ihre Perspektive!
Ich möchte Sie zu einem Experiment einladen. Wenn Sie Lust haben - und Sie können eigentlich nur gewinnen, dann tauschen Sie Ihr selbst gemaltes Bild im Kopf vom fiesen Personaler vor dem nächsten Bewerbungsgespräch doch einmal ganz bewusst aus gegen das Bild des freundlichen und wohlwollenden Menschen, der ein echtes Interesse daran hat, Sie kennenzulernen und dessen Aufgabe es in erster Linie ist, als Arbeitnehmer eine gute Mitarbeiter-Auswahlentscheidung für seinen Arbeitgeber zu treffen.
Gelingt Ihnen dieser Perspektivwechsel in der Vorbereitung, dann erinnern Sie sich wieder daran, sobald Sie das Gebäude betreten oder auf Ihre Gesprächspartner treffen. Vielleicht sind für Sie so im Gespräch selbst manche bisher merkwürdig anmutenden Fragen besser verständlich, womöglich entdecken Sie auch einige sympathische Seiten an Ihrem Gegenüber und vielleicht bereitet es Ihnen ja sogar Freude, dort zu sein.
Wichtig: Es geht nicht darum, ab sofort jedem Personaler einen Heiligenschein aufzusetzen, alles durch die rosarote Brille zu sehen oder jegliches Verhalten schönzureden und zu akzeptieren. Sie bleiben der Chef Ihres Lebens und können entscheiden, wie Sie Ihre Gesprächspartner sehen, deren Verhalten sowie ihre Fragen und Informationen bewerten und wie Sie darauf reagieren.
Ich bin mir sicher, dass Sie mit solch einer grundsätzlich wertschätzenden Haltung Ihren Gesprächspartnern gegenüber selbst einen kühleren Kopf behalten und Ihre Energie nicht mit der Angst vor fiesen Fangfragen (die gibt es nämlich gar nicht!) verschwenden, sondern diese Energie nutzen, um ein wirklich gutes Gespräch als Dialog auf Augenöhe zu führen. Sie werden schnell bemerken, dass auch Sie als Bewerber viel hierzu beitragen können.
Und falls Sie diesen Beitrag als Personaler/in gelesen haben, dann hinterfragen Sie auch einmal Ihre aktuelle Haltung Ihrem Beruf sowie Bewerbern gegenüber. Vielleicht sind Sie im hektisch routinierten Tagesgeschäft und durch den immer stärker werdenden Druck auch auf die HR-Bereiche in Organisationen unbemerkt zum skeptischen Aussortierer geworden und es lohnt sich, die eigene Haltung neu zu justieren? - Denn am Ende werden sich beide Seiten besser finden.
* * * * *
Was ist Ihre Perspektive als Bewerber oder Personaler? Welche Erfahrungen machen Sie als Gesprächspartner auf beiden Seiten in Bewerbungsgesprächen? Ich bin gespannt auf Ihre Sichtweisen und Meinungen unten in der Diskussion. Gefällt Ihnen mein Impuls, dann freue ich mich, wenn Sie diesen Beitrag in Ihrem Netzwerk empfehlen.
About the author
Insider for Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung