Recht auf Homeoffice? Flexibles Arbeiten erfordert Vertrauen statt neue Gesetze
Die SPD beabsichtigt, das Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern. Warum sich flexibles Arbeiten nicht staatlich verordnen lässt und wir hierfür an Vertrauen statt an neuen Gesetzen arbeiten sollten.
Die SPD verfolgt mit ihrem Anfang Februar beschlossenen Strategiepapier „Arbeit – Solidarität – Menschlichkeit“ unter anderem das Ziel, das Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice gesetzlich zu verankern. Es geht um „mehr Freiheit für die Beschäftigten, Leben und Arbeiten miteinander zu verbinden“. Sie verweist auf eine Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus 2016, nach der 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland theoretisch von zuhause arbeiten könnten, jedoch nur 12 Prozent der Arbeitnehmer ihren Wunsch nach flexibler Arbeit erfüllt bekommen.
Eines vorweg: Ich vertrete meine Meinung weder, um Arbeitgebern aus der Seele zu sprechen, noch um Parteipolitik irgendwelcher Couleur zu betreiben. Ich arbeite in der Karriereberatung überwiegend mit Angestellten, welche die Coachings privat bezahlen. Mir liegt die Zufriedenheit und Gesundheit von Arbeitnehmern in ihren Jobs am Herzen, denn ich sehe, warum sie ihre Arbeitgeber frustriert oder bereits krank verlassen und erfahre, was sie sich stattdessen stärker wünschen. Ich weiß aus vielen Coachings, was hinter ihrer Sehnsucht nach mehr Flexibilität und zeitlicher Selbstbestimmung im Beruf steckt und was es ihnen bedeutet oder wann es sie auch belastet, zeitweise zuhause zu arbeiten.
Flexibles Arbeiten ist für viele Arbeitnehmer mehr als ein gesetzliches Recht auf Homeoffice
Ja, flexible Arbeitszeiten stehen bei vielen Angestellten hoch im Kurs. Sie möchten selbst entscheiden dürfen, ob sie mal um 7 oder 9 Uhr beginnen, ob sie nachmittags zum Arzt gehen oder Ihr Kind früher aus der Kita abholen und abends die Arbeit des Tages nachholen. Sie möchten zuhause arbeiten dürfen, wenn ihr Kind oder Partner krank ist, das Auto streikt, sie Handwerker erwarten oder ein Schneechaos droht. Es geht um Vertrauen statt um starre Regeln, Kontrolle und Zeiterfassung per Stechuhr. Es geht ihnen um Flexibilität im kleinen Rahmen und in Ausnahmefällen. „Arbeiten, wo, wann und wie ich will“, das ist der Traum jedes digitalen Nomaden oder freigeistigen Solopreneurs, die Mehrheit der Festangestellten jedoch würde dieses Ausmaß an Flexibilität und damit auch Selbstverantwortung heute noch mehr überfordern als glücklich stimmen.
Natürlich spendet jeder Arbeitnehmer in diesen Wochen der SPD und anderen Befürwortern schnellen Beifall, wenn es um einen Rechtsanspruch auf Homeoffice geht. Natürlich erfährt die Presse von der breiten Masse ihrer Leser Zustimmung, wenn sie schreiben, ein solches Gesetz sei längst überfällig. Und natürlich empfindet es Frau Meier als ungerecht, wenn Herr Müller einen Tag pro Woche gemütlich zuhause arbeiten darf, jedoch bei ihrem Arbeitgeber starre Präsenzpflicht oberste Ansage ist. Natürlich ist es für die meisten von uns eine verlockende Aussicht, morgens nicht Stunden im Stau zu verbringen, im Großraumbüro nicht den Launen der nervigen Kollegen ausgesetzt zu sein, den guten Kaffee aus der eigenen Maschine zu genießen und bequem in Jogginghose vom heimischen Esstisch aus unseren Job erledigen zu können.
Doch es ist auch nicht alles Gold, was im Homeoffice glänzt: Wem etwa Kollegialität und Einfluss wichtig sind, der fühlt sich schnell außen vor. Führung auf Distanz droht, irgendwann zu verkümmern. Die Trennung von Beruf und Privatleben weicht weiter auf. Wer zuhause arbeitet, leistet schnell mehr Überstunden als im Büro. So manche jungen Eltern stresst der Gedanke, ihr Kind könnte im wichtigen Video-Call mit dem Großkunden im Hintergrund Faxen machen. Auch wenn Studien immer wieder zeigen, dass die Produktivität im Homeoffice steigt, so fällt es doch ebenso vielen "Heimarbeitern" schwer, sich selbst zu motivieren und auch zuhause einen gesunden Rhythmus aus effizientem Arbeiten und erholsamen Pausenzeiten zu finden.
Neue Arbeitsgesetze lassen den Graben zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern tiefer werden.
Was mich an der Absicht der SPD, einen Rechtsanspruch auf Homeoffice zu schaffen stört, das ist der alte Glaube von Politikern und Gewerkschaften, die vermeintlich schwachen Arbeitnehmer vor den starken Arbeitgebern beschützen und so Arbeitsgerechtigkeit per Gesetz verordnen zu müssen. Es befeuert die Vorstellung von Unterordnung, Ausbeutung und harter Lohnarbeit. Und es zeigt, dass wir selbst nach einem politischen Generationenwechsel von der seit Jahren von der Bundesregierung diskutierten Idee von Arbeiten 4.0 und „New Work“ weiter entfernt sind denn je.
Wenn Parteien derart populäre Themen nutzen, um Stimmung für Stimmen zu machen, dann sollten sie in ihrem Verantwortungsbereich bleiben. Wie sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft darauf verständigen, Homeoffice in individueller Absprache zu regeln, das ist für mich keine Frage von Recht und Gesetz, sondern von Ökonomie mit gesundem Menschenverstand.
Weil Arbeitgeber selbst erkennen, dass sie durch das Angebot von Homeoffice für Jobwechsler attraktiver werden und die Qualität der Bewerbungen steigt. Wenn sie mit der Zeit spüren, dass ihre Mitarbeiter motivierter und leistungsfähiger sind und sie sogar messen können, dass Krankenquoten und Fluktuationsraten sinken. Weil Manager verstehen, dass innovative Konzepte für flexibles Arbeiten heute und umso stärker in Zukunft strategische Wettbewerbsvorteile bedeuten.
Ist es in unserer modernen Arbeitswelt wirklich noch die Aufgabe von Politik und Staat, Angestellte vor ihren Arbeitgebern zu beschützen? Und ist es richtig, Arbeitgebern per Gesetz etwas aufzuerlegen, was ihnen eigentlich zum Vorteil dient? Ist es nicht vielmehr die gute alte Funktion von Markt und Wettbewerb, genau solche Entwicklungen mit der Zeit zu regulieren?
Und was ist mit der Mehrheit (60%) der Beschäftigten, deren Jobs kein Homeoffice erlauben? Was bringt ein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten der Arbeiterin in der Fabrik, dem Bäckereiverkäufer, der Ärztin oder dem Pfleger im Krankenhaus, dem Taxi- oder der Busfahrer, der KfZ-Mechanikerin und dem Mitarbeiter im Call-Center? Sie alle würden mit diesem Gesetz ein einklagbares Recht auf flexibles Arbeiten und Homeoffice erhalten und Arbeitgeber wären in der Pflicht, die Nichtmachbarkeit formal zu erklären.
Es wäre ein weiteres Gesetz samt zugehörigem Bürokratiemonster, das den Grabenkampf Arbeitnehmer gegen Arbeitgeber weiter befeuert, statt beide Seiten in einer modernen Arbeitswelt als Partner auf Augenhöhe vertrauensvoll näher aufeinander zuzuführen.
Flexibles Arbeiten erfordert Vertrauen statt neuer Gesetze
Gesetze verfolgen den Zweck, starre Regeln zu schaffen. Sie geben Sicherheit und sorgen für Ordnung sowie Gerechtigkeit. Keine Frage, es ist wichtig und notwendig, die alten Rahmenbedingungen von Arbeit an eine durch die Digitalisierung heute stark veränderte Arbeitswelt anzupassen. Doch hierfür benötigen wir aus meiner Sicht keine weiteren Vorschriften, sondern stattdessen eine Anpassung und Lockerung der bestehenden Gesetze, um beiden Seiten mehr Flexibilität zu erlauben und so die echten Vorteile von digitalem Arbeiten zu nutzen.
Denn ein Recht auf Homeoffice ist solange wertlos, wie sich etwa der Mitarbeiter eines Großkonzerns ab 21 Uhr nicht mehr mit seinem Laptop einloggen darf, um arbeitsschutzrechtlich definierte Ruhezeiten einzuhalten. Ebenso schädlich wäre dieses Gesetz, wenn es Arbeitgeber dazu animiert, Mitarbeiter ungefragt und regelmäßig in ihr Homeoffice zu verbannen, um Arbeitsplätze und Büromieten zu sparen.
Ich bin der Meinung, dass wir für eine bessere Arbeitswelt in Zukunft nicht nocht stärker die Rahmenbedingungen von Arbeit staatlich regulieren sollten, sondern vor allem als Gesellschaft Zusammenarbeit als vertrauensvolle und individuelle gute Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Menschen neu gestalten müssen. Dies wird mehr Zeit und Kraft erfordern, als ein Gesetz zu verabschieden. Doch nur so wird es gelingen, Arbeit in Zukunft nachhaltig gesund zu verändern. Auch hierbei kann und sollte Politik einen Beitrag leisten – jedoch anders als gewohnt.
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Was ist Ihre Meinung zum Vorhaben, ein Recht auf Homeoffice gesetzlich zu verankern? Benötigen wir ein solches Gesetz oder oder was wäre aus Ihrer Sicht erforderlich, um den Anteil von mobiler Arbeit und Homeoffice zu erhöhen?
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