Reisen ohne Barrieren – mit Start-up-Gründer Camilo Navarro, Wheel the World | Podcast
“Ich wollte mit meinem besten Freund in Patagonien wandern. Das Problem: Er sitzt im Rollstuhl. Aber ich wusste, dass wir es möglich machen mussten.“Camilo Navarro, Mitgründer von Wheel the World
Vor 30 Jahren war ich Zivildienstleistender in einer integrativen Kindertagesstätte. Wir spielten und lebten dort mit Kindern, die körperliche und geistige Beeinträchtigungen hatten. Vielleicht hat mich deshalb vor über einem Jahr die Idee dieses Start-ups sofort überzeugt: Camilo Navarro von Wheel the World erzählte auf dem Selection Day von Plug and Play in San Francisco von seiner Idee. Sein Pitch von drei Minuten war so klar und leidenschaftlich. Ich ging zu ihm, holte mir seine Visitenkarte, sprach noch zwei Mal mit ihm und investierte in dieses Start-up.
Wheel the World: das Start-up
Die Idee der beiden Gründer ist einfach phänomenal. 15 Prozent der Weltbevölkerung hat "disabilities". Viele von uns haben Freunde oder Bekannten, die gerne einmal an einen Ort reisen würden, der aber unerreichbar für diese Freunde ist. Der Grund ist oft genug, dass es keinerlei Informationen darüber gibt, ob man den Ort zum Beispiel mit einem Rollstuhl erreichen kann. Warum nicht diese Information bereitstellen und Menschen dabei helfen, diesen Tripp zu machen? Mehr zu dieser Idee erzählt euch Camilo im Podcast selbst.
Diese Podcast-Folge haben wir auf Englisch aufgenommen. Hier könnt ihr sie anhören.
Das sind die drei Hauptpunkte
Die Welt zugänglich machen
Wie das mit Übersetzungen so ist, hinkt auch diese dem Original hinterher: „Making the world accessable“, sagte Camilo wörtlich. Wheel the World macht die Welt nicht nur zugänglich, sondern erschließt sie richtiggehend für Menschen, die ständig durch Barrieren ausgeschlossen werden. Wheel the World ist eine Online-Buchungsplattform für barrierefreie Reisen mit Zielen in 15 Ländern auf fast allen Kontinenten (nur Australien und Neuseeland sind aktuell noch ausgenommen).
Ein Potenzial von 15 Prozent der Weltbevölkerung wird auf dem Reisemarkt vernachlässigt
Gut, dieser Punkt ist plakativ. Natürlich gibt es da mehr zu differenzieren. Beispielsweise können sich nicht alle Menschen, die auf Barrierefreiheit beim Reisen angewiesen wären, das auch leisten. Aber selbst, wenn die tatsächliche Zielgruppe von Wheel the World nur einen Bruchteil davon ausmacht, die Nachfrage ist ganz deutlich vorhanden: Die 13 Destinationen, die das Start-up anfänglich anbot, wurden in den ersten 18 Monaten von rund 1.000 Menschen mit Beeinträchtigungen gebucht. Die generierten Umsätze überstiegen eine Million Dollar.
Die Gründer von Wheel the World haben das gemacht, was erfolgreiche Unternehmensgründerinnen und Unternehmensgründer seit jeher tun: Sie sahen ein Problem, und zwar sogar ein solches, das für sehr viele Menschen relevant ist. Außerdem hatten Camilo und sein Geschäftspartner einen starken intrinsischen Antrieb, dieses Problem zu lösen. Sie brauchten keine Innovationlabs oder Design Thinking. Die Lösungen für das zu lösende Problem gab es ja schon – nämlich das Online-Buchen und Organisieren von spezialisierten Reisen – aber sie wurden von den großen Buchungsplattformen ignoriert oder nicht als profitabel angesehen. Erst ein motiviertes Start-up-Team – beide waren gleichzeitig auch noch Studenten – konnte es sich leisten, seine ganze Energie auf diese vernachlässigte Zielgruppe zu konzentrieren. (Lest hierzu auch meinen Blogbeitrag: „Gründen: harte Arbeit und ein Problem“.)
Leidenschaft an der Grenze zur Besessenheit
Das kann für die ein oder anderen schwer zu verdauen sein. Aber lasst es mich mit Camilos Worten sagen: „Building a startup is like raising a kid.” Man setzt es nicht einfach in die Welt und wartet, dass es sich von alleine entwickelt. Je nachdem, in welcher Phase seines Wachstums es sich befindet, braucht es unterschiedlich viel Aufmerksamkeit und zu Beginn unbestritten am meisten. Das sind die Tipps von Camilo für den Start eines Start-ups:
Viel, sehr viel recherchieren. Das heißt sehr, sehr viel lesen, um dem Problem auf den Grund zu gehen und den Businessplan zu erarbeiten.
Wieder sehr viel recherchieren, diesmal, um Investoren zu finden, weil es dafür unglaublich viele Awards und Formate gibt.
Schreiben lernen. Wer sich schriftlich nicht so gut ausdrückt und präsentiert, dass er oder sie den eigenen Plan verkaufen kann, wird das auch im Gespräch nicht können. Schreiben muss man lernen und üben.
Zu diesen Tipps empfehle ich euch aus meinem Blog: „Über das Schreiben & Gedankenfreilegen“ und „Lernen und noch mehr lernen, oder: vom Lesen ins Tun kommen“.
Was mir beim Zuhören noch klarer geworden ist: Der Trend zu nachhaltigerem Wirtschaften und zu Businessmodellen mit sozialem Impact ist nicht mehr aufzuhalten. Ich bin sehr froh, dass ich mit ein wenig Geld diese Idee unterstützen kann.
Mehr Podcast-Folgen zum Thema Unternehmensgründung und Start-ups findet ihr hier und Podcast-Folgen zum Thema Nachhaltigkeit hier.