Flamingos auf Ibiza - Nicole Simon Photpgraphy

Rosa Träume: Warum der Flamingo das Sehnsuchtstier unserer Zeit ist

Der Flamingo ist das „Wappentier“ unserer Zeit. Bereits 2016 war er „Trendmotiv der Saison“ und auf der Berliner Fashion Week zu sehen. Doch was ist das Faszinierende an diesem Tier, was sagt es über den Zustand unserer Gesellschaft und über uns aus? Vielleicht ist es sein unaufgeregtes Wesen in einer schnelllebigen und unruhigen Zeit: Es ist wendig, besonnen, reflektiert, hat ein stark ausgeprägtes Sozial- und Gruppenverhalten und steht mit nur einem Bein im Leben. Rainer Maria Rilke widmete den Flamingos, die „einzeln ins Imaginäre“ schreiten, sogar ein Sonett, das sie im Tiergehege-Bereich des Jardin de Plantes, Paris beschreibt.

Die ästhetischen Qualitäten des Flamingos erinnern an den Jugendstil - besonders seine langen, zerbrechlich scheinenden dünnen Beine, sein „wolkiger“ Rumpf, der kunstvoll geschwungene Halsranken, der imposante schwarz-getunkte Schnäbel. Der elegante Wasservogel knickt die Beine nach hinten ab, öffnet den Schnabel nach unten, und wenn er fliegt, bildet sein Körper eine schnurgerade Linie parallel zum Horizont. Bei der Nahrungsaufnahme hält er seinen Kopf unter Wasser, der Schnabel wird in den Schlamm gedrückt „und dann wird mit der Zunge schnabuliert und zwar ohne Publikum“ (Max Scharnigg).

Flamingo-Trend

Der anhaltende Flamingo-Trend unterscheidet sich von allen anderen darin, dass das Tier weder niedlich noch fassbar ist, sondern unnahbar. Deshalb finden sich auch nur „Spuren“ von Flamingos auf Lifestyle-Produkten. Mal wird er abstrakt auf Buchcovern, Notizbüchern, Smartphone-Hüllen und Postkarten dargestellt, mal als Foto oder Comic auf Kissen und Handtaschen gedruckt oder als Skulptur für den Wohnraum nachgebildet. Es gibt ihn aber auch als Sektglas, Badeente oder als Partydekoration.

Das Flamingo-Pink gibt es als spezifische Haartönung, als Farbe von Sitzkissen, Tapeten, Tops, Jeans oder Lippenstiften. Sogar Ökoversender bieten Markierungsbänder in dieser Farbe an, Stehsammler, Haftnotizen, Frischhaltedosen, Kugelschreiber und Tacker (Quelle: memolife). „Ob zuerst also die Farbe Trend wurde oder das ganze Tier, ist nicht mit Sicherheit zu sagen“, schreibt der Publizist Max Scharnigg in der Süddeutschen Zeitung. Er empfiehlt, es nicht nur als „kunstvolles Accessoire und temporäre Stilphilosophie“ zu sehen, sondern auch leibhaftig zu besuchen.

Das Federkleid eines jungen Rosaflamingos (Phoenicopterus roseus) lässt noch nichts von der späteren Pracht erahnen. Das Pink eines älteren Tieres entsteht, wenn es genügend Salzwasserkrebse und Algen vertilgt hat. Mit jedem Bissen davon nimmt es mehr Carotinoide auf – Farbstoffe, die es später „leuchten“ lassen. Bei der Balz bevorzugen Flamingos besonders stark kolorierte Sexualpartner. "Gegen die Reize der Farben, welche über die ganze sichtbare Natur ausgebreitet sind, werden nur wenig Menschen unempfindlich bleiben", schrieb Goethe 1791.

Die Flamingos kommen in Süd-, Mittel- und Nordamerika sowie Europa, Afrika und Südwestasien vor. Der einzige Vertreter der Ordnung, dessen natürliches Verbreitungsgebiet sich auch auf Europa erstreckt, ist der Rosaflamingo, der an der Atlantikküste Spaniens und Portugals sowie entlang des Küstenbereichs des Mittelmeers sowie auf einigen Mittelmeerinseln vorkommt.

Nicole Simon fotografierte 2018 Flamingos auf Ibiza in einem Naturschutzgebiet (“Sant Josep de Sa Talaia“), das nicht betreten werden darf. „Sie leben abgelegen und sind besonders scheu, deshalb musste ich besonders leise und vorsichtig sein, ich wanderte über einen ca. zwei bis drei Kilometer langen steinigen Wall, um sie überhaupt vor die Kamera zu bekommen.“ Sie holte sie mit ihrem Teleobjektiv heran, um sie fotografieren zu können: „Ich hatte das Gefühl, dass sich alle miteinander unterhalten und doch die Stille bevorzugen“, sagt sie rückblickend. Vielleicht ist es gerade das, was den Flamingo zum Sehnsuchtstier unserer Zeit macht.

Weiterführende Informationen:

  • Wirklichkeit in Bildern. Interview mit der Fotografin Nicole Simon. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 275-303.

  • Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Von Lebensdingen: Eine verantwortungsvolle Auswahl. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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