Schluss mit dem Start-up-Hype!
Start-up-Gründer sind die neuen Rockstars.
Gründer verlieren ihre Autonomie, sobald Kapitalgeber im Spiel sind.
Mediale und finanzielle Aufmerksamkeit sind nicht alles.
Nichts ist gerade angesagter, als mit einer Handvoll Freunden ein Start-up zu gründen. Es wird zum neuen Trend – sogar im konservativen Wien – sich auf die Bühne zu stellen und vor möglichen Investoren mehr schlecht als recht eine Geschäftsidee zu präsentieren. Angestachelt von der medialen Wirksamkeit von TV-Shows wie „Die Höhle der Löwen“ oder Events und Konferenzen wie die StartupCon oder Bits & Pretzels läuft derzeit ein gigantischer Hype rund um das Thema Gründen und die Suche nach dem einen erfolgversprechenden Produkt bzw. der einen Dienstleistung. Dabei muss die Grundidee noch nicht einmal neu sein, Bestehendes optimieren reicht auch.
Private Investoren, Privat Equity Funds, Innovationsabteilungen großer Konzerne, sie alle stecken derzeit unglaublich viel Geld in den Start-up-Markt, damit sie ihren Shareholdern wieder genügend Rendite erwirtschaften können. Laut dem Datenportal Dealroom wurden allein 2018
4,3 Milliarden Euro in deutsche Start-ups investiert, 2017 waren es nur 2,9 Milliarden Euro. Insgesamt sind in den vergangenen zehn Jahren 28 Unicorns in Deutschland entstanden. So entsteht eine Blase ungeheuren Ausmaßes.
Start-Up-Ikonen wie Florian Gschwandtner (ehemaliger Runtastic CEO) oder Martin und Mark Poreda (Gründer von Kununu) haben den Status von Popstars in der Szene. Sie werden zu Talkshows eingeladen und geben Tipps, wie es ihnen gelungen ist, aus nichts etwas zu machen, das ihnen jemand anderer wiederum für viel Geld abgekauft hat. Es wird mit Konzepten wie Lean Startup von Eric Ries oder dem Strategyzer Business Model Canvas um sich geworfen.
Im Dunstkreis dieser Industrie wachsen und gedeihen Anwaltskanzleien sowie Trash zu Kult machende Coworking Spaces wie das Beta-House. Diese super coolen fancy Büroräume werden dann von den DAX 30 Firmen angemietet, da deren eigene Gebäude nicht hip genug sind.
Mal abgesehen davon, dass es von 100 Start-ups wahrscheinlich nur einem gelingt, tatsächlich Geld zu bekommen, schafft es auch nur ein Bruchteil der Gründer ihre Seed-Investoren wirklich glücklich zu machen. Die erfolgreichsten Investoren sind am Ende tatsächlich die, die ihre Start-ups rigide kontrollieren. Die Gründer selber bleiben dabei auf der Strecke. Sie verlieren ihre Autonomie und werden zu Objekten eines starren und unerbittlichen Systems und sollen nur noch einem Ziel dienen: Geld erwirtschaften.
Die Erkenntnis kam mir, als ich im Orange County einen Kurs der Hochschule St. Gallen in Kooperation mit der UCI im Applied Innovation Center besuchte. Dort wurde thematisiert, dass ein Investor nicht daran interessiert ist, ein Life Business zu fördern, sondern ausschließlich eines mit dem Potential zum Unicorn. Jeder der Venture Capital in Anspruch nimmt, muss sich klar sein, dass er schnellstmöglich den Exit seines Unternehmens erwirken muss, um den Kapitalgeber zu befriedigen. Er muss also seinen Traum genau in dem Moment aufgeben, in dem sein Unternehmen anfängt zu funktionieren.
Prinzipiell folgten alle erfolgreichen Start-ups dem gleichen Schema. Am Anfang steht die Idee, zu deren Verwirklichung bzw. zum weiteren Fortbestehen Gründer einen Business Angel benötigen. Gemeinsam verkaufen sie die etwas reifere Idee an den Venture-Capital-Geber und mit jeder weiteren Finanzierungsrunde wird die Idee weiter aufgeblasen. Wie bei einem Pyramidensystem wird mehr und mehr Geld in eine Firma investiert, die dann zwar als Unicorn bewertet wird, aber die aufgelaufen Investitionen nur dann bedienen kann, wenn es sich tatsächlich um die absolute Break-Through-Erfindung handelt oder aber das Unternehmen den ultimativen Sprung schafft: den Gang an die Börse.
Gelingt es dann noch, die richtige Geschichte zu erzählen, so wird das noch immer unprofitable Start-up am Markt als hoch bewertet – und alle an der Spitze des Unternehmens werden unermesslich reich. Auch wenn dann, so wie beim Online-Lieferdienst HelloFresh, die Aktie nur noch eine Talfahrt hinlegt.
Der zweite Weg ist, so attraktiv oder so bedrohlich für Google, Facebook und Co. zu werden, dass man von ihnen, wie beispielsweise WhatsApp, für eine astronomisch hohe Summe gekauft wird.
Das bringt unser Wirtschaftssystem in eine Schieflage. In immer weniger Unternehmen wird immer mehr Geld und mediale Aufmerksamkeit gesteckt. Seit 2001 sinkt die Zahl der Gründungen, gleichzeitig steigt die Zahl der Finanzierungsrunden von über 500 Millionen Euro. Alle Scheinwerfer sind auf die Börsenstars in spe gerichtet – und zurück bleiben all die Start-ups, die an der ersten oder zweiten Finanzierungsrunde scheitern. Dabei sind es gerade die, die die Wirtschaft mit ihrem Pioniergeist nach vorne bringen.
Für 2019 wäre es schön, wenn solche Unternehmen für Investoren und Medien wieder stärker in den Fokus rücken. Vor allem die, die tatsächlich mit neuen und nachhaltigen Geschäftsmodellen Impulse setzen können. Copycats, die einen wahnsinnigen Rummel um sich machen, haben wir wahrlich schon genug.