Sind wir noch zu retten? Umwelteinflüsse und ihre Gesundheitsrisiken
Ist die Corona-Krise der richtige Zeitpunkt, um über Pestizide, Feinstaub und Lärm zu schreiben - Faktoren, die sich unbemerkt auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden auswirken? Ja, sagt die Journalistin Judith Langasch und der Mediziner Hans-Peter Hutter.
Die Corona-Pandemie wird vorübergehen, und dann stehen wir vor denselben Problemen wie zuvor.
Allerdings mit einem einzigen Unterschied: Wir haben Zeit verloren, denn bei vielen dieser Themen drängt die Zeit. Im Sommer 2019 haben sie sich deshalb dazu entschlossen, viele Fragen, die ihnen im Alltag gestellt werden, zusammenzufassen. Vor welchen Einflüssen müssen wir uns schützen? Welche Rolle spielt die individuelle Entscheidung der Konsumentinnen und Konsumenten? Was haben Umweltschutz und Klimakrise mit gesellschaftlicher Ungleichheit zu tun?
Judith Langasch ist Journalistin beim ORF-Magazin „konkret“. Seit 2012 widmet sie sich im ORF konsumentenrelevanten Themen wie Umweltmedizin, Datenschutz und Technik im Alltag. Hans-Peter Hutter studierte Medizin und Landschaftsökologie/Landschaftsgestaltung. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er an der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin, Medizinische Universität Wien, derzeit ist er Oberarzt und stellvertretender Leiter. Seit 2011 leitet er die Forschungseinheit „Child Public Health“. Im Zentrum seiner Arbeit stehen wissenschaftlich fundierte Risikoabschätzungen und die verständliche Vermittlung von Umweltrisiken.
In ihrem Buch „Sind wir noch zu retten?“ widmen sie sich beispielsweise Weichmachern (Phthalaten), denen nachgesagt wird, dass sie krebserregend und hormonschädigend seien. Aber auch Mikroplastik und weggeworfene Plastikteile, die irgendwann „als diffuse Partikel-Einträge in unseren Ökosystemen“ landen, stehen im Fokus. Wichtig ist hier auch der Hinweis auf nicht sachgerecht entsorgte Zigarettenstummel: „Rund 4,5 Billionen Zigaretten werden jährlich weltweit nicht ordnungsgemäß entsorgt – geraucht werden 5,6 Billionen. Von zwölf Milliarden verkauften Zigaretten in Österreich (2019) finden sich also acht Milliarden Stummel pro Jahr in der Umwelt wieder. Doch aufgrund ihrer Kleinheit werden sie nach wie vor nicht als wirklich gravierender Müll wahrgenommen – und schon gar nicht als Mikroplastikquelle.“ Zu Unrecht, wie in der Publikation nachgewiesen wird, denn sie bestehen vor allem aus dem Kunststoff Celluloseacetat, dessen biologischer Abbau sich nur langsam vollzieht. So kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis sich ein Zigarettenfilter vollständig zersetzt hat. Ein anderer Aspekt, der ebenfalls weniger im Fokus der Öffentlichkeit steht, sind biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe, die oft als mögliche Lösung für die Ansammlung von Plastikmüll angesehen werden.
Die Vielzahl der im Markt angebotenen Materialien macht es KonsumentInnen allerdings zuweilen schwer, sich zu orientieren.
So sind beispielsweise sogenannte „biobasierte“ Kunststoffe ganz oder auch nur zu einem Teil aus Biomasse hergestellte Kunststoffe (z. B. Mais, Zuckerrohr). Ein Beispiel sind Frischhaltedosen oder Gefrierdosen („greenline“) aus Kunststoff auf Basis von Zuckerrohr. Die Anbieter verweisen darauf, dass das bio-basierte Material fossile Ressourcen einspart und CO2-Emissionen reduziert (Quelle: memolife).
Hutter und Langasch verweisen allerdings darauf, dass biobasierte Kunststoffe aber nicht zwingend auch biologisch abbaubar sein müssen. „Biologisch abbaubare“ Plastiktüten bestehen dagegen aus Kunststoffen, die sich selbst zersetzen. Diese können aus pflanzlichen Rohstoffen oder aus erdölbasierten Polymeren sein. Hier wird noch zusätzlich unterschieden zwischen „biologisch abbaubarem“ und „kompostierbarem“ Kunststoff (der jeweilige Kunststoff wird dabei durch Mikroorganismen überwiegend in Wasser, Kohlendioxid und Biomasse „zerlegt“). Dies erfolgt in einem kontrollierten Prozess mit definiertem Zeitrahmen.
Bei biologisch abbaubaren Kunststoffen läuft der Abbau vergleichbar ab. Ökoversender wie memo bieten beispielsweise Frischhaltefolie an, die auf Basis von nachwachsenden und gentechnikfreien Rohstoffen hergestellt und kompostierbar nach EN 13432 sind. Die Bio-Abfallbeutel können mitsamt Beuteln aus recyceltem Spezialpapier einfach in der Biomülltonne oder auf dem hauseigenen Kompost entsorgt werden. Die Rohstoffe der Tüten gelangen durch die Kompostierung zurück in den Naturkreislauf.
Von den Autoren kritisiert werden sogenannte „oxo-abbaubare“ Kunststoffe, die zwar verhältnismäßig schneller abgebaut werden, doch es ist schwierig zu berechnen, wie lange ein oxo-abbaubares Plastiksäckchen wirklich braucht, bis es abgebaut ist. „Unter ungünstigen Bedingungen zerfällt es gar nicht oder nur in kleine Mikroplastikfragmente, die sich dann kaum weiter zersetzen. Daher finden sich auch immer mehr Stimmen, die ein generelles Verbot solcher Kunststoffe befürworten“, so Hans-Peter Hutter und Judith Langasch.
Weiterführende Informationen:
Giftige Mikrokunststoffe in Kosmetikprodukten: Was wir dagegen tun können
Versunken im Meer: Was im Plastikzeitalter von uns bleibt
Der Hauptteil ihres Buches widmet sich dem Schwerpunkt Wohngifte - schließlich verbringen wir mehr als 90 % unserer Lebenszeit in Innenräumen. So sehen sowohl der Deutsche Allergie- und Asthmabund e.V. (DAAB) als auch die Gesellschaft für Umwelt – und Innenraumanalytik (GUI) als das größte Problem nicht allein in der Außenluft, sondern vor Allem in der Innenraumbelastung. Die Autoren setzen sich dafür ein, dass das Thema mehr mediale Aufmerksamkeit erhält. Das ist auch ein wichtiges Anliegen des Geschäftsführenden Gesellschafters und Wohngesund Bauen-Visionär Matthias Krieger von der Bauunternehmung Krieger + Schramm aus Dingelstädt.
Regelmäßige Kundenbefragungen bestätigen, dass das wohngesunde Bauen immer wichtiger wird.
Allerdings ist ihm auch bewusst, dass die Wohngesundheit noch nicht so stark im Fokus steht. „Doch Dank der Digitalisierung und der sozialen Medien bekommt das Thema immer mehr Transparenz. Wir verstehen es als unsere Pflicht, unsere Mitmenschen zu schützen, indem wir sie aufklären.“ Seine Spezialisierung auf das wohngesunde Bauen verdankt sich einem einschneidenden Erlebnis: Während eines Baustellenbesuchs nahm er einen beißenden Geruch wahr und spürte, dass das nicht gesund sein kann. „Das wollte ich weder meinen Mitunternehmern, unseren Baupartnern, noch den Bewohnern dieser Wohnungen länger zumuten.“ Er wollte sofort handeln und suchte im eigenen Unternehmen nach einem fähigen Mitarbeiter, der sich zum Spezialisten entwickeln möchte.
Unterstützung fand er durch André Barthel, der seit vielen Jahren als Bauleiter im Dingelstädter Team arbeitet. Gemeinsam sensibilisierten sie das gesamte K+S Team und Baupartner für dieses Thema. Allerdings war es nicht einfach, sämtliche Bauprozesse auf das wohngesunde Bauen umzustellen. „Auf der Baustelle gab es jetzt strenge Vorgaben und Verhaltensweisen, die von allen Baupartnern beachtet werden müssen. Unter anderem das absolute Rauchverbot auf der gesamten Baustelle!“ Fachliche Unterstützung fanden sie beim Sentinel-Haus Institut, das bezahlbare, planbare und praxistaugliche Lösungen für gesündere Gebäude anbietet. So konnte das Thema Gesundheit schrittweise in die eigene Unternehmensstrategie integriert werden.
Die Mehrkosten für wohngesundes Bauen sind gering. „Durch eine gute Arbeitsvorbereitung, eine intelligente Bauplanung und kompetente Baupartner haben wir die Schlüsselthemen gut in unseren Prozess integriert“, sagt Krieger. So begleiten die Wohngesundheitskoordinatoren des Unternehmens, teils gemeinsam mit externen Spezialisten, die Bauprojekte. Als goldzertifizierte Fachplaner der Sentinel Haus Akademie Freiburg, TÜV zertifizierte Fachkräfte für Schimmelbeseitigung und geprüfte Sachkundige „Messtechnik Bauwesen“ sind sie qualifizierte Experten für das gesunde Bauen + Wohnen. Zudem gibt es auf den Baustellen strenge Vorgaben, deren Einhaltung von den Bauleitern kontrolliert wird. Die folgende Auflistung von K+S ist zugleich eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte des Buches von Hans-Peter Hutter und Judith Langasch.
Bausteine für wohngesundes Bauen
RAUMLUFTQUALITÄT – Bauprodukte können eine bedeutsame Quelle für die Belastung der Innenraumluft darstellen. Es gibt keine Pflicht, Schadstoffe bei Baustoffen zu kennzeichnen. Wohngifte machen krank und führen z.B. zu Kopfschmerzen, Asthma, Allergien. Raumluft hat deshalb eine immense Bedeutung für unsere Gesundheit. Für bestmögliche Raumluftqualität sollten ausschließlich schadstoffgeprüfte Materialien verbaut werden.
ELEKTROSMOG – Stromleitungen und Sendemasten, aber auch Elektrogeräte, Handy und Tablet erzeugen elektrische und magnetische Felder, denen sich kaum jemand entziehen kann. Das führt z.B. zu Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen.
SCHALLSCHUTZ – zu viel Lärm macht krank und führt z.B. zu Hörschäden, Bluthochdruck, Arterienverkalkung.
RADON – das natürliche Edelgas kann unter bestimmten Voraussetzungen durch Klüfte und Spalten an die Erdoberfläche dringen und bei undicht gebauten Häusern eindringen. Radon an sich ist nicht giftig. Allerdings zerfallen Radonatome in die radioaktiven Folgeprodukte Polonium, Blei und Wismut. Diese können beim Einatmen in die Lunge geraten, sich dort ablagern und diese schädigen.
Weiterführende Informationen: Radongas in Innenräumen: Wie kann man sich vor der unsichtbaren Gefahr schützen?
SCHIMMEL – Feuchtigkeit und nicht ausreichende Lüftung führen oft zur Entstehung von Schimmel. Wenn er sich ausbreitet, kann er zum Auslösen von Allergien, Atemwegsbeschwerden, chronischer Müdigkeit und sogar Herzrhythmusstörungen werden. Zur Schimmelprävention gehört bei K+S beispielsweise das Reinigen mit Spezialstaubsaugern, Essverbot auf der Baustelle, unter Dusche, Badewanne und im Küchenbereich werden Feuchtigkeitssensoren verbaut, die bei Undichtigkeiten sofort Alarm schlagen.
Weiterführende Informationen: Wohngesundheit (nicht nur) in der Corona-Pandemie: Das Wichtigste über Schimmel
Weiterführende Literatur:
Hans-Peter Hutter und Judith Langasch: Sind wir noch zu retten? Plastik, Feinstaub & Co. – was wir über Umwelteinflüsse und ihre Gesundheitsrisiken wissen sollten. Orac by Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2021.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Matthias Krieger: Praxiswissen Eigentumswohnung: Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2020.
Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.