So tickt Ihre biologische Uhr langsamer
Es klingt unglaublich und ist doch durch eine Studie belegt, die um die Welt ging: In einem Alter von 38 Jahren kann man den biologischen Körper eines Twens oder den eines Anfang Sechzigjährigen haben. Die mittlerweile fast schon berühmte Dunedin-Studie zeigt, wie unterschiedlich schnell Menschen biologisch altern. Und wie jeder den eigenen Alterungsprozess selbst beeinflussen kann, verstehen Wissenschaftler auch immer besser. Studien liefern damit Antworten auf Fragen, die mir in fast jedem meiner Trainings, Vorträge und Seminare zu den Themen Stressmanagement und seelische Widerstandskraft (Resilienz) gestellt werden: Wie sehr beeinflussen unsere Gene, wie gut wir mit Belastungen umgehen? Und welchen Einfluss haben wir darauf, wie gesund wir durchs Leben gehen?
Wie groß der Unterschied zwischen den Lebensjahren und dem biologischen Alter tatsächlich sein kann, das haben US-Forscher der Duke University im amerikanischen North Carolina in ihrer umfangreichen Studie mit rund 1000 Personen über vier Jahrzehnte ermittelt. Alle Testpersonen aus der neuseeländischen Stadt Dunedin, dessen Name die Studie trägt, wurden von ihrer Geburt bis zum 38. Lebensjahr regelmäßig anhand von Biomarkern sozusagen auf „Herz und Nieren“ untersucht: Organe, Immunsystem, Zähne, Stoffwechsel – es war sozusagen ein jährlicher TÜV. Das zentrale Ergebnis der "Dunedin-Studie", dessen Hauptautor der Gerontologe Dr. Daniel Belsky ist: Das biologische Alter der Testpersonen unterschied sich enorm.
Bis zu unfassbaren 33 Jahren lag das biologische Alter der 38-Jährigen auseinander. Sie konnten biologisch ein Alter zwischen 28 und 61 Jahren haben. Manche der Studienteilnehmer wurden quasi jünger: Sie alterten innerhalb eines Jahres biologisch gar nicht. Ihr chronologisches Alter war also höher als ihr biologisches. Für sie drehten sich die Uhren in jenem Jahr rückwärts...
Die Ergebnisse der „Dunedin-Studie“ muss man erst einmal sacken lassen. Denn: Wer möchte nicht lieber zu jenen gehören, die im Schneckentempo altern? Und sofort stellt sich die pragmatische Frage: Wie weit kann man das Tempo, in dem man biologisch altert, beeinflussen? Sehr weit. Auf Basis der Zwillingsforschung vermutet man, dass Gene Alterungsprozesse nur zu 20 Prozent bestimmen. Der Rest sei umweltbedingt. Will heißen: Die Prozesse sind erheblich beeinflussbar.
Chromosomen reagieren auf Lifestyle
Auch die Länge der Telomere, also der Chromosomenenden, wurde in der „Dunedin-Studie“ gemessen. Telomere verkürzen sich im Alter und sind damit ein Indikator für den fortschreitenden Alterungsprozess. Erst vor Kurzem zeigte eine Studie des „Semel Institute for Neuroscience and Human Behavior“ in Los Angeles, dass sich bei Menschen, die Yoga praktizieren, die Telomere langsamer verkürzen. Wer seinen Lebensstil für einen Zeitraum von fünf Jahren auf eine gesunde Ernährung, regelmäßige Meditation, moderaten Sport und Stretching oder Dehnübungen wie im Yoga umstellt, dessen Chromosomenenden gewinnen um rund zehn Prozent an Länge, zeigten Forscher der University of California San Francisco. So ein Lifestyle ist übrigens auch eine gute Strategie, um Stress abzubauen und die sogenannte individuelle Resilienz zu stärken, womit die seelische Widerstandskraft gemeint ist.
Unsere Gene sind nicht zwangsläufig unser Schicksal.Prof. Dean Ornish, University of California San Francisco
„Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass sich die Telomere in dem Maße verlängern können, in dem Menschen ihren Lebensstil verändern“, sagt Dean Ornish, Hauptautor der kleinen Pilotstudie der UCSF. Sein Fazit: „Unsere Gene sind nicht zwangsläufig unser Schicksal.“ Wir können selbst etwas für „gute“ Gene tun. Als relativ neues Forschungsfeld bestätigt die Epigenetik diese Auffassung. In dieser Disziplin wird die Rolle von Umwelteinflüssen für unsere Gene untersucht.
16 Jahre gewinnen mit Sport
Wer jung bleiben will, der sollte mit zunehmendem Alter seinen Stoffwechsel verstärkt ankurbeln. Dr. Eliza F. Chakravarty und ihr wissenschaftliches Team von der Stanford University konnten nachweisen, dass regelmäßiges Lauftraining den Alterungsprozess verlangsamen kann. In einem Beobachtungszeitraum von 19 Jahren waren in der vergleichenden Studie 34 Prozent der Nicht-Sportler verstorben, aber nur 15 Prozent der Läufer. "Beide Gruppen sahen sich im Laufe der Jahre zunehmend mit Einschränkungen bei alltäglichen Aktivitäten konfrontiert, beispielsweise bei der Fortbewegung, beim Ankleiden oder bei der Körperpflege. Doch machten sich diese Einschränkungen bei den Sportlern durchschnittlich 16 Jahre später bemerkbar", berichtet medibox.net.
Weniger Kalorien verjüngt
So liefern Studien immer mehr Hinweise auf etwas, dass beispielsweise auch Yoga, dem uralten System zwischen Philosophie, Mentaltraining, Sport und Ernährung immer wieder zugeschrieben wird. Diese Wirkung scheint gerade an der Ganzheitlichkeit des Systems zu liegen. Ein yogischer Ernährungs- und Lebensstil meidet zum Beispiel Alkohol, Nikotin und Fleisch. Vegetarische bis vegane Kost in moderaten Mengen sind empfohlen. „Hungern verjüngt das Herz“ betitelte das Nachrichtenportal „Focus Online“ einen Bericht über eine Studie der Washington University in St. Louis. Die Untersuchung konnte nachweisen, "dass eine konsequent kalorienarme Ernährung das Herz vor Alterungserscheinungen schützt. Die Herzen der „Hungerkünstler“ waren so fit wie die wesentlich jüngerer Vergleichspersonen." Konkret bedeutet dies: Ihre diastolischen Werte waren so gut wie bei 15 Jahre Jüngeren. Diese Werte bemessen die Fähigkeit des Herzes, sich mit Blut zu füllen.
In der Zukunft werden wir noch viel mehr darüber herausfindenDr. Daniel Belsky, Gerontologe, über den individuellen Alterungsprozess
„In der Zukunft werden wir noch viel mehr darüber herausfinden, was das Leben schnell und langsam gealterter Menschen unterschieden hat“, sagt der Hauptautor der „Dunedin-Studie“ Daniel Belsky voraus. Bis dahin halten wir uns an die bislang gewonnenen Erkenntnisse: Wir sorgen für weniger Stress im Job und privat, laufen, dehnen, meditieren und essen wenig, aber gesund. So halten wir die Zeiger der Uhren an. Nicht für immer, aber für einige wertvolle Jahre.
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