Städte als Hauptverursacher des Klimawandels: Wie kann die urbane Transformation beschleunigt werden?
Städte und Kommunen müssen jetzt und nicht in ferner Zukunft Infrastrukturmaßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung umsetzen. Das ist nicht wichtig, sondern dringlich und erfordert sofortige Maßnahmen. Vor allem Starkregen, Hochwasser sowie häufigere und intensivere Trockenperioden setzen Städte und Kommunen unter Handlungsdruck. Allerdings gibt es keine Pauschallösung, da die jeweiligen lokalen Voraussetzungen zu unterschiedlich und komplex sind. Nachhaltige Lösungsmöglichkeiten liegen deshalb vor allem in der Kombination klimagerechter Maßnahmen, die auf die jeweilige Situation zugeschnitten sind. Richtige Identifizierung und Kombinierung sowie neue Entscheidungs- und Planungsprozesse stellen Städte und Kommunen vor neue Herausforderungen. So braucht es bereits in der Vorplanungsphase eine frühzeitige Verständigung über gemeinsame Ziele zwischen Stadtentwicklung, Infrastrukturbetreibern sowie Gebäude- und Grundstückseigentümern. Im Forschungsprojekt netWORKS 4 wurde deshalb untersucht, wie die Zusammenarbeit zwischen Verantwortlichen für klimagerechte Lösungen durch einen zielgerichteten Wissenstransfer besser gelingen kann. Ein Wissenschaftsteam unter der Leitung des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) und des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) widmete sich der Frage, wie Klimaanpassung in Kommunen umgesetzt werden kann. Die graue, technische Wasserinfrastruktur soll dabei mit blauen und grünen Infrastrukturen (Dach- und Fassadenbegrünung, Entsiegelungen etc.) vernetzt werden. Auch sollten die planungs- und umsetzungsrelevanten Akteure den Mehrwert kennen, der sich aus den Investitionen für die Kopplung blau-grün-grauer Infrastrukturen ergibt. Auch wenn die Folgen des Klimawandels zwischen den einzelnen Städten und Kommunen differieren, sind alle gleichermaßen mit ähnlichen Folgen (Hochwasser, Sturzfluten, Hitze etc.) konfrontiert.
Aufklärung und Weiterbildung
Vermeidung von Barrieren
Beiträge zum Klimaschutz im Sinne einer emissionsarmen Siedlungsentwicklung (z.B. ausreichende Durchgrünung von Städten und Gestaltung von Freiflächen mit Baumbestand)
Umfassende Klima- und Nachhaltigkeitsprüfung
Strategische Netzwerke
Partizipation: Aktive Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger
Vorbeugender Schutz vor Folgen von Sturzfluten (flächenhafte Regenwasserversickerung Freihalten von möglichen Abflussbahnen in versiegelten Gebieten)
Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für den Klimawandel und seine Folgen
Räumliche Steuerung der Siedlungsflächen- und Infrastrukturentwicklung sowie Reduzierung der Flächeninanspruchnahme (Vorsorgestrategie) und Freihalten von gefährdeten Bereichen
Sicherung klimawirksamer Freiräume/Grünzüge zur Sicherung einer ausreichenden Durchlüftung und Vorsorge gegen weiter zunehmende Hitzebelastung
Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte, Rahmen- und Masterpläne, Fachgutachten, Planungswettbewerbe, Bauleitplanung, Satzungen, städtebauliche Verträge, Biodiversitäts-, Tourismus- und weitere Strategien
Effektive Synchronisation aller Bausteine des Transformationsprozesses
Anreize zur Verhaltensänderung
Förderung hoher Vielfalt klimaangepasster Gehölzarten und der Insekten-Vielfalt
Wohnraum: Konsequente Umsetzung energetischer Standards und Klimaanpassung in Neubau und Bestand.
Um das Thema Klimawandel ganzheitlich in die Stadtentwicklung einzubeziehen, sind neben diesen übergeordneter Maßnahmen auch deren Koordination über eine/n „Klimaschutz- und – anpassungsmanager/in“ sinnvoll. „Als Grundlage zur Bewertung der klimatischen Situation und möglicher Betroffenheiten ist eine Vertiefung der fachlichen Grundlagen essentiell. Helfen können beispielsweise stadtklimatische Profilmessfahrten, die Auswertung regionaler Klimaprojektionen, Stadtklima- und Starkregensimulationen sowie daraus abgeleitete Klimafunktionskarten“, schreibt die Stadtplanerin und Geografin Ilka Walljes in ihrem aktuellen Buch „Klimagerechte und nachhaltige Stadtentwicklung“. Es enthält kreative Kooperationsmethoden bis hin zu Schritt-für-Schritt-Anleitungen für effektivere Strategien (z.B. für neue Mobilitäts- und Energiekonzepte) und deren kosteneffiziente Umsetzung vor Ort.
Zur objektiven Erfolgskontrolle und als Grundlage für Nachjustierungen entwickelte Wallljes eine erweiterte Klima- und Nachhaltigkeits-Checkliste. Die Suche nach nachhaltigen Lösungen, wie urbane Systeme treibhausgasneutral mit erneuerbaren Ressourcen weiterentwickelt werden können, durchzog ihre gesamte berufliche Biografie: Sie baute eine Abteilung für Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf (bei Hyder Consulting/UK), leitete eine Studie zur klimaneutralen Wiedernutzung städtischen Bestands (veröffentlicht in »European Environment«) und erstellte Gutachten über Barrieren für Klimaschutz und Anpassung für regionale Gremien. Für ihre Forschungen erhielt sie Auszeichnungen des britischen Raumplanungsinstituts »Royal Town Planning Institute«. Da die urbane Struktur des nächsten Jahrhunderts bereits existiert, geht es ihr vor allem um nachhaltige Korrekturen und Ausbesserungen: „Die Transformation zur klimagerechten und nachhaltigen Idealstadt ist also, pragmatisch, eine kontinuierliche Weiterentwicklung mit bedarfsweiser, optimierender Nachjustierung“, so Ilka Wallljes.
Ilka Walljes: Klimagerechte und nachhaltige Stadtentwicklung. Leitfaden für einen optimierten Transformationsprozess. oekom Verlag, München 2024.
Wie Städte und Regionen zukunftsfähig werden können: Aufgaben - Synergien – Zielkonflikte
Blau-grüne Infrastrukturen: Strategische Planungsansätze zur Klimawandel-Anpassung
Für ein gutes Klima: Dachbegrünung als wesentliches Element der Städteplanung der Zukunft
Klimaneutralität in der Industrie. Aktuelle Entwicklungen – Praxisberichte – Handlungsempfehlungen. Hg. von Ulrike Böhm, Alexandra Hildebrandt, Stefanie Kästle. Springer Gabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2023.