Talentmanagement: Wie mittelständische Unternehmen junge Menschen an sich binden
Bildung und Ausbildung sind die wichtigsten Zukunftsinvestitionen
Der Übergang von der Schule ins Berufsleben ist dabei ein wichtiger Schritt. Talente zu finden und zu fördern ist ein wichtiger und wirkungsvoller Baustein der Arbeitgeber-Strategie von des Baudienstleisters und Projektentwicklers Krieger + Schramm. Das Unternehmen aus der kleinen thüringischen Gemeinde Dingelstädt ist als Ausbildungsbetrieb seit seiner Gründung 1992 aktiv und wurde für sein Engagement und Ausbildungsmodelle mehrfach ausgezeichnet. Jährlich werden hier rund zehn Maurer, Dachdecker, Poliere und Bauzeichner ausgebildet. Neben der klassischen Lehre werden auch ein duales Studium sowie der Einsatz in den Niederlassungen Frankfurt, Kassel, Berlin und München angeboten.
„Unsere größte Aufgabe ist es, Schüler aus der Region für das Handwerk zu gewinnen, zu entwickeln und an uns zu binden.“ Viele Unternehmen präsentieren ihr Ausbildungsprogramm in Schulen. Bei Krieger + Schramm geht das Engagement allerdings noch weiter: Mit dem Bewusstsein, dass der Fachkräftemangel ein langfristiges Problem darstellt, wurde hier 2014 das Einrichten einer TalentCompany, die für alle Aktivitäten der Berufsorientierung steht, in der Dingelstädter Regelschule entschlossen. Das Unternehmen ließ in einer Dingelstädter Schule einen Raum kernsanieren und mit Computern, Beamer, Leinwand, Arbeitsinseln und Lounge-Ecke ausstatten (Kosten: 50.000 Euro). Dort sollen sämtliche Aktivitäten zur Berufsorientierung gebündelt und Gespräche und Veranstaltungen abgehalten werden - auch mit anderen Unternehmen.
Initiiert und unterstützt hat das Projekt die gemeinnützige Strahlemann-Stiftung aus Heppenheim (K + S ist Zustifter). 33 Talent Companys gibt es derzeit bundesweit, Krieger + Schramm hat die erste in Ostdeutschland gegründet. Weitere sollen folgen. Aber auch eine Vielzahl weiterer Aktivitäten werden gemeinsam mit der Dagmar + Matthias Krieger Stiftung ins Leben gerufen, begleitet und gefördert. Sie verfolgt die Unterstützung junger Talente in den Bereichen Sport, Kultur und Bildung, die für sie ein Rohstoff ist, der über die Zukunft Deutschlands entscheidet.
„Wir möchten jungen Menschen aus Dingelstädt hier einen sicheren Arbeitsplatz bieten, aber auch die Perspektive geben, auch einmal rauszukommen“, sagt Michael Fuhlrott, Personalleiter von Krieger + Schramm. Durch die frühe Einbindung in die Unternehmenskultur, den Austausch mit erfahrenen Kollegen und das gemeinsame Wachstum erhöht die emotionale Bindung an das Unternehmen und setzt damit eine enorme intrinsische Motivation frei. Die Personalentwicklung beginnt hier schon ein der Einarbeitungsphase und setzt sich mit langfristigen Entwicklungs- und Schulungsplänen der einzelnen Mitarbeiter fort. „Dabei ist es uns wichtig, die entsprechenden Mitarbeiter einzubinden und die Perspektiven klar aufzuzeigen, ohne die Entwicklung ‚vorzuschreiben‘. Der Wille sollte vom Mitarbeiter selbst kommen, damit die entsprechenden Maßnahmen nachhaltig wirksam und zielführend sind“, so Fuhlrott.
Das Unternehmen verfolgt einen Talentmanagement-Ansatz, in dem die Mitarbeiter stärkenorientiert eingesetzt und entsprechend geschult werden.
Von der Ausbildung über die Einarbeitung bis hin zu den individuellen Schulungsplänen stehen die Stärken und Schwächen im Zuge des Polaritätenmanagements im Fokus. Die entsprechenden Stärken und Talente sind im Talentepool bzw. in der ergebnisorientierten Aufgabenbeschreibung verankert. Das Talentemanagement berücksichtigt die gegenwärtigen Kompetenzen und die zukünftig notwendigen Kompetenzen der Mitarbeiter für ihre Aufgaben. Die Selbst- und Fremdbewertung für die erforderlichen Kompetenzfelder erfolgt im Rahmen des Mitarbeiterjahresgesprächs inklusive Definition des Zielzustands und der erforderlichen Maßnahmen, um den Zielzustand zu erreichen. Für jeden Mitarbeiter wird zudem ein HBDI Profil erstellt. „Dieses Profil stellt die präferierten Denkweisen des jeweiligen Mitarbeiters dar. Es dient zur besseren direkten Ansprache sowie zum stärkenorientierten Einsatz“, so Fuhlrott. Die Kommunikation der Profile erfolgt u.a. im Mitarbeiter- sowie im TalenteKompass. Dadurch haben alle Mitarbeiter Einblick und können sich entsprechend auf das „Gegenüber“ einstellen. Die Personalstrategie orientiert sich am 7-Jahres-Zielbild, wo die Kernkompetenzen der Organisation klar definiert sind – daran orientiert sich die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter.
Die Entwicklung der Mitarbeitenden ist fester Bestandteil der Mitarbeiterjahresgespräche sowie in der folgenden Talentekonferenz, wo die relevanten Ergebnisse der Gespräche ausgewertet und entsprechende Maßnahmen definiert werden. Die Effektivität der Maßnahmen zur Mitarbeiterbegeisterung wird regelmäßig in den anonymen Befragungen sowie in den Jahresgesprächen abgefragt und bewertet.
„Damit wir auch in Zukunft als Unternehmen erfolgreich sind, müssen wir heute schon die Talente von morgen gewinnen.“
Zu lesen ist dies auf der Website des schwäbischen Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader. Der Bedarf an qualifizierten Facharbeitern ist für das innovative mittelständische Unternehmen besonders hoch. Aufgrund der unmittelbaren räumlichen Nähe und Konkurrenz zu Global Playern wie beispielsweise der Festo AG oder der Bosch-Gruppe ist die Suche nach talentierten neuen Mitarbeitern mit gefragtem Kompetenzprofil eine große Herausforderung. Es muß sich deshalb verstärkt darum bemühen, als attraktiver Ausbilder und Arbeitgeber in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. „Wo finden wir Nachwuchskräfte und wie können wir diese für uns gewinnen?“ Diese Frage steht auch hier im Fokus der Personalarbeit.
Zwar wird ein Teil der offenen Stellen mit externen Kandidaten besetzt, um neues Know-how zu integrieren. Doch ein großer Teil der benötigten Fachkräfte wird selbst ausgebildet, was nach Unternehmensangaben mit vielen Vorteile verbunden ist:
• Die Fähigkeiten von selbst ausgebildeten Mitarbeitern sind optimal auf das Unternehmen zugeschnitten.
• Die praxisorientierte Ausbildung in Betrieben motiviert Jugendliche in der Regel und steigert ihre Lernbereitschaft.
• Die Abwechslung in der Ausbildung durch den Wechsel Berufsschule und Ausbildungsbetrieb fördert die Eigenmotivation.
• Der Unterrichtsstoff der Berufsschule kann im Betrieb schnell umgesetzt werden.
• Praktische Umsetzung von Arbeitsanweisungen erhöht die berufliche Handlungskompetenz und Eigenständigkeit der Berufsanfänger.
• Eine geregelte Ausbildungsvergütung motiviert auch Jugendliche aus einkommensschwachen Familien, einen qualifizierten Beruf zu erlernen.
Viele Ausbildungen können hier schon mit einem Hauptschulabschluss begonnen werden. Angeboten wird beispielsweise die Ausbildung zum Fachlageristen, zur Fachkraft für Metalltechnik und auch zur Fachkraft für Lagerlogistik. Durch Weiterbildungen oder ein anschließendes Studium haben Jugendliche gute Chancen, in anspruchsvolle Fach- und Führungspositionen aufzusteigen.
Um nach Bewerbungseingängen die richtigen Talente auszuwählen, kommt es für das Unternehmen nicht nur auf die Schulnoten an, sondern vor allem auf die Persönlichkeit des Bewerbers und Motivation für die Bewerbung.
„Dabei ist ein Studienabbruch oder Brüche im Lebenslauf kein k.o.-Kriterium, zumal unsere Erfahrungen aufgezeigt haben, dass diese Auszubildenden im Besonderen Ehrgeiz und Disziplin in der Ausbildung mitbringen“, sagt Stefanie Kästle, die mit Peter Maier und Marco Jähnig zur Geschäftsführung der Mader GmbH & Co KG in Leinfelden-Echterdingen gehört. Durch das Angebot von Praktika und Ferienjobs haben auch hier schon Schüler die Möglichkeit, Aufgabengebiete der unterschiedlichen Berufsfelder kennenzulernen und dabei feststellen, ob das Unternehmen und die Tätigkeit ihren Vorstellungen entsprechen. „Nach einer schriftlichen Bewerbung und einem ersten Kennenlerngespräch können interessierte Schüler für mindestens eine Woche das Praktikum durchführen und werden dabei intensiv betreut. Am letzten Tag des Praktikums erhalten sie ein individuelles Feedback über den Verlauf des Praktikums und Einschätzung der Leistungen“, so Kästle. Auch das Unternehmen profitiert davon, weil sich dabei einen wesentlich besseren Eindruck vermittelt, als es Schulnoten ermöglichen.
Bildungspartnerschaften (mit der Ludwig- Uhland-Haupt- und Werkrealschule in Leinfelden-Echterdingen und dem Philipp-Matthäus-Hahn- Gymnasium) sind auch bei Mader selbstverständlich. Im Vordergrund stehen die Ziele, einen Beitrag zur Berufsorientierung zu leisten, die schulische Ausbildung qualitativ aufzuwerten und ein wechselseitiges Kennenlernen von Unternehmen und Schülern zu ermöglichen. „Die Partnerschaft gibt aber auch die Möglichkeit, uns bei den Schülern, Lehrern und auch Eltern - allesamt Multiplikatoren bei der Gewinnung von talentierten Auszubildenden- als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren“, so die Geschäftsführerin.
Die besondere Rolle der Auszubildenden
Sie motivieren Schülerinnen und Schüler beispielsweise für eine Berufsausbildung und gehen nach Absolvierung einer entsprechenden Schulung bei der IHK direkt in Schulklassen, um authentische Einblicke in ihre Ausbildungsberufe zu geben. Sie präsentieren den Schülerinnen und Schülern ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrem Beruf und ihrer Ausbildung und zeigen ihnen die Chancen einer Berufsausbildung auf. Umgekehrt erhalten sie die Chance, ihre persönlichen Kompetenzen zu stärken und ihre fachliche Kompetenz zu zeigen. Auch Messen für Auszubildende, an der das Unternehmen jährlich teilnimmt, bringt beide Seiten zusammen. Die Organisation und Teilnahme am Messestand übernehmen die Auszubildenden des 1. Lehrjahres als Projektaufgabe. Sie sind auch hier als „Gesichter“ des Unternehmens authentische Botschafter, die die gleiche Sprache sprechen wie die Schüler und so verhindern, dass mögliche Kommunikationsbarrieren aufgebaut werden.
Wie bei Krieger + Schramm wird auch hier auf gezielte Fortbildungsmaßnahmen gesetzt, die mit dem Ausbildungsberuf zu tun haben, sich aber auch der Weiterbildung der Persönlichkeit widmen. Neben den monatlich stattfindenden Inhouse-Schulungen (Vermittlung von technischem Know-how, Produktschulungen, IT-Wissen etc.) erhalten die Auszubildenden zudem individuelle Förderungen, wenn es schulische Probleme gibt. Nach Beendigung der Ausbildung können Weiterentwicklungsmöglichkeiten, z.B. durch die Aufnahme eines berufsbegleitenden Studiums, in Anspruch genommen werden.
Mit einem Trainee Programm erhalten leistungsorientierten Absolventen der technischen Fachhochschulen und Hochschulen einen ganzheitlichen Blick in die Berufspraxis. Zudem hat das Unternehmen dadurch die Möglichkeit, qualifizierte Fachkräfte nach Unternehmensbedürfnissen auszubilden, die auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der Anforderungen der Stelle bzw. des Fachkräftemangels schwer zu finden sind. Basis ist auch hier ein individueller Entwicklungsplan, mit der Nachwuchstalente optimal auf künftige Herausforderungen vorbereitet werden, dabei aber auch die Möglichkeit erhalten, Interessensschwerpunkte und Neigungen zu erkennen, an denen sie sich zukünftig beruflich zu orientieren möchten.
Ziel ist neben der Heranführung an aufgabenbezogene fachliche Aufgaben auch die Stärkung der unternehmerischen und persönlichen Kompetenz.
Durch den demografischen Wandel, eine alternde Belegschaft und einen zunehmenden Fachkräftemangel werden Unternehmen jetzt und hier zum Handeln gezwungen. Die genannten Beispiele zeigen einmal mehr, wie dringlich es ist, nachhaltige Modelle und Strategien gegen diesen Trend zu erarbeiten. Dabei geht es immer auch um CSR-Strategien, denn nur Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen und leben, werden künftig überleben. Dazu braucht es Mitarbeiter und Führungskräfte, die bereichsübergreifende Zusammenhänge verstehen, aber auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Ziele gleichzeitig im Blick behalten. Hierfür ist auch die moderne Personalpolitik zentral, mit deren Unterstützung gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsmotivation verbessert werden sollen. Dafür braucht es persönliche und fachliche Weiterbildung, die Integration des Nachhaltigkeitsmanagements in die jeweiligen Organisationsstrukturen und Prozesse sowie strategische Allianzen.
Weiterführende Informationen:
Ulrike Böhm: Die Macht der kleinen Schritte. Wie man als mittelständisches Unternehmen zum Klimaretter wird. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlicheit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Springer Gabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020, S. 145-155.
Stefanie Kästle und Werner Landhäußer: Druckluft 4.0 goes green: Herausforderungen, Chancen und innovative Lösungen am Beispiel der Mader GmbH & Co. KG. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg 2020.
Matthias Krieger: Die Lösung bist Du! Was uns wirklich voranbringt. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2011.
Matthias Krieger: Der Erfolgsmacher: Vom Leistungssportler zum Bauunternehmer. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.
Jenny von Zepelin: Die Talentschmieder von Krieger + Schramm. In: Capital (29.10.2020).
CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Aufl. SpringerGabler, Heidelberg Berlin 2020.