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Tragfähiges Unternehmensfundament: Warum “Wertearchitekten” unverzichtbar sind

„Es ist nicht schwer, Entscheidungen zu treffen, sobald du weißt, was deine Werte sind.“
Roy E. Disney

Neue Formen von „Entwicklungsenergie“

In seinem Buch „The Business Romantic“ plädiert Tim Leberecht dafür, dass Unternehmen „Wertearchitekten“ statt Manager brauchen. Dafür seien vor allem Kommunikationsexperten prädestiniert, weil sie alle Abteilungen gut kennen und neue Impulse von außen in Unternehmen und Organisationen hineintragen. Aber auch Kreativräume, in der die Grenzen zwischen interner und externer Öffentlichkeit verschwimmen, und wo die Freiheit des Denkens nicht als Bedrohung empfunden wird, erzeugen neue Formen von „Entwicklungsenergie“, die wir für die Gestaltung der Zukunft brauchen. Dabei spielt die Unternehmensführung eine wichtige Rolle, weil sie Rahmenbedingungen für das Verhalten der Organisationsmitglieder schafft, um das kongruente Verhalten mit der Markenidentität sowie eine lebendige Unternehmenskultur zu ermöglichen, die zwischen den Menschen ein Gefühl von Gemeinschaft stiftet. Damit verbundenen ist die Notwendigkeit, Veränderungsprozesse nachhaltig zu gestalten.

Kulturwandel ist allerdings nur durch innovative Lösungsfindung und Ideenentwicklung möglich, die durch die physische Nähe verschieden denkender und talentierter Menschen bestimmt wird. In einem solchen Umfeld können sich Grenzgänger, deren Treibstoff die Ideen sind, optimal einbringen. Lange sind Unternehmensbereiche wie ein geschlossener Kosmos gewesen, der in vergangenen Zeiten auch funktioniert hat, doch heute gilt das in einer Welt, „die fortwährend sammelt, vernetzt, verlinkt und somit das Wissen, das es gibt, zusammenhält“ (Hubert Burda), immer weniger. Kluge und weitsichtige Menschen verlangen nach einer Art von Umgebung, die ein humanes Umfeld bietet, wo ihre Ideen anerkannt werden, und wo sie sich als Teil einer sinnstiftenden Gemeinschaft fühlen. Sinnstiftung ist nur dann zu haben, wenn das kleinteilige Denken überwunden und eine Weitwinkelperspektive eingenommen wird – im Bewusstsein, dass es letztlich immer auf die innere geistige Freiheit und aufs Tun ankommt. Daraus entsteht auch der Schwung unternehmerisch denkender Menschen, die stets offen für die nächste Idee sind.

Darum ist die Gestaltung der Firmenkultur eine „wirkliche“ Innovation

Die Unternehmenskultur ist in Zeiten des demografischen Wandels von besonderer Bedeutung. Sie zu pflegen und dafür Sorge zu tragen, dass sie mit der Kultur der Leistung, Professionalität und Effektivität der Organisation übereinstimmt und zu deren Funktionieren beiträgt, ist eine der wichtigsten Managementaufgaben der Zukunft. Immer mehr Unternehmen bemühen sich um Familienfreundlichkeit, wollen gutes Personal halten und befürchten den Fachkräftemangel. All das hat Einfluss auf die Unternehmenskultur, die sich nicht vollständig steuern lässt und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen nicht zuwiderlaufen darf. Denn jeder Mensch bringt persönliche Überzeugungen, Normen und Wertvorstellungen aus der Kultur ein, in der er aufgewachsen ist (Mikrokulturen). Zu den zentralen Kulturbestandteilen, die nicht verordnet, sondern nur von innen gelebt werden können, gehören Wertschätzung, Offenheit, Zuverlässigkeit und Mitbestimmung. Diese Werte sind wie ein Planetensystem, das um eine Sonne kreist. Sie tragen wesentlich zur Erneuerung der inneren Haltung und Kultur von allen Beteiligten bei. Das ist für den Business-Experten Andreas Zeuch eine „wirkliche Innovation“.

Dafür braucht es eine effektive Entscheidungskultur und Rahmenbedingungen, innerhalb derer Mitarbeiter und Führungskräfte ihr Handeln als sinnvoll erachten. Fünf Prinzipien sind dafür wesentlich:

• Anfängergeist

• Fehlerfreundlichkeit

• Möglichkeitsräume

• Selbstorganisation

• Vertrauen

Hinzu kommt noch das Prinzip der Sinnkopplung.

Verantwortlich sein

Das Kerngeschäft der Neumüller Unternehmungen ist die Rekrutierungsunterstützung über die Personaldienstleistung vor allem im akademischen Umfeld und bezüglich Ingenieurqualifikationen. Nach Angaben des Geschäftsführers Werner Neumüller wird hier eine „werte- und mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur“ gelebt, die sich durch die Kernwerte „ehrlich, fleißig, nachhaltig“ auszeichnet. Sie bilden als Unternehmens-DNA die Grundlage für das wirtschaftliche und soziale Handeln und sind zugleich ein Ausdruck der Firmenphilosophie. Die Geschäftsführung ist sich bewusst, dass Werte nur dann langfristig wirksam sind, wenn sie glaubwürdig vorgelebt werden. Erst dann sind sie eine wesentliche Grundlage für Vertrauen. Sie lassen sich in Unternehmen weder „installieren“ noch von oben herab bestimmen. Nur dann „haben die Mitarbeiter Vertrauen zu ihrem Arbeitgeber“, so Neumüller, der allerdings auch betont, dass Handeln nach ethischen Werten und Normen in der Personaldienstleistung von besonderer Bedeutung ist, „um die erhöhte Zufriedenheit der Bewerber, Mitarbeiter und Kunden zu erreichen.“

Um dies zusätzlich zu manifestieren, trat das Unternehmen 2012 „Ethics in Business“, der Werteallianz des Mittelstandes, bei. Die Mitgliedschaft in der Gilde wurde seit 2013 jährlich bestätigt. Ethik bietet Handlungsorientierung in Form von Normen, Prinzipien oder Werten, die eine Orientierungsfunktion haben, indem sie gemeinsame Maßstäbe für Handlungen schaffen. Kontrollmaßnahmen sind in einem solchen Rahmen nicht notwendig, weil darauf vertraut werden kann, dass sich alle Beteiligten fair verhalten. „Für mich definiert sich positive Ethik und Moral ganz zentral im gegenseitigen Vertrauen. Solange es keine Ethik und Moral gibt, ist zukunftsfähiges Wirtschaften schwierig“, bemerkt er. Auf die Frage, wo er die moralischen Grundlagen für sein Handeln findet, antwortete er vor einigen Jahren: an den Zehn Geboten und am „eigenen Gewissen“ – die innere Voraussetzung für echte Wert-Arbeit.

Neumüller vertritt eine ähnliche Grundhaltung wie Wolfgang Grupp, persönlich und unbeschränkt vollhaftender Eigentümer des Textilunternehmens Trigema, der stets betont, dass er gegenüber seinen Mitarbeitern Verantwortung übernimmt und dies „sehr ernst“ nimmt: „Kein Größenwahn, keine Gier, dem anderen nichts wegnehmen, kein Zwang zum Wachstum. Dafür viel Verantwortung.“ Wenn das irgendwann ein Problem werden sollte, und er diese Position innehat, „kann es nur einen Schuldigen geben – und der bin ich!“

Wo ein gemeinsames Verständnis von gesellschaftlicher Verantwortung wirksam werden soll, müssen sich auch alle einzelnen Akteure zu ihrer persönlichen Verantwortung bekennen. So gehört es zu den Grundregeln der Neumüller Unternehmungen, „dass jeder für sich und seine Ergebnisse persönlich verantwortlich“ ist. Auch bei Einstellungs- und Vorstellungsgesprächen wird das Thema Werte aufgegriffen. Die Führungsinstrumente Begleitung, Unterstützung, Feedback, Anerkennung und Kritik spielen hier ebenfalls eine wichtige Rolle.

Kultur des Gebens

Unternehmen profitieren davon, wenn sie soziale Verantwortung übernehmen, sagt Jürgen Schöntauf. Im Gegensatz dazu werden Unternehmen, die sich den gesellschaftlichen Fragen des 21. Jahrhunderts nicht widmen und sich ihrer Verantwortung entziehen, in der Bedeutungslosigkeit versinken. In seinem Buch „Sinnstifter“ zeigt er, dass Firmen, die Sinn stiften – für ihre Belegschaft und die Gesellschaft – langfristig erfolgreicher sind. Sinnstifter sind Unternehmer, die erkennen, dass ihre Unternehmen keine Inseln sind, sondern eingebunden in Gesellschaft und Umwelt agieren. Ihr Gewinn liegt nicht nur darin, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, sondern auch darin, Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt zu übernehmen. Die Unternehmer, mit denen er gesprochen hat, sind bereit, sich selbst zu hinterfragen und zu verändern. In den Gesprächen mit ihnen wird klar: Sinn lässt sich nicht herstellen, es ist ein längerer Prozess, eine Suche, auf die man sich einlassen muss.

„Werte sind Leitlinien zur Orientierung des Menschen, die Handlungsziele vorgeben und für die Sinnbildung bedeutsam sind.“ Viktor Frankl

Zum Nachhaltigkeits- und Unternehmensverständnis von Neumüller gehört auch, in die Ausgestaltung der Gesellschaft, in die Märkte bzw. Standorte zu investieren, in denen seine Firma tätig ist. Es zählt zu den über 90 % aller Unternehmen in Deutschland, die sich für Gemeinwohlzwecke engagieren und persönlich erhebliche Mittel für soziale und kulturelle Zwecke zur Verfügung stellen. Seit der Firmengründung werden karitative und sozialen Projekte unterstützt sowie Ausbildung, Bildung, Wissenschaft, Kultur und Sport gefördert. Beispielsweise wird ein Teil der jährlichen Erträge zum Aufbau einer gemeinnützigen Stiftung, der Consilatio Stiftung, verwendet. Der Stiftungszweck ist der Erhalt und die Förderung der Gesundheit von Kindern und deren Ausbildung.

Mitarbeiter und Führungskräfte möchten wirksam an einer sozialen Bewegung teilhaben, die über den eigenen Umkreis hinausreicht. Das betrifft mittlerweile auch verstärkt die jüngere Generation, die in einem sozialen System arbeiten möchte, das nicht nur der Gewinnmaximierung dient, sondern von Menschen für Menschen getragen und als sinnvoll erlebt wird. Mitarbeiter und Kunden fragen heute verstärkt danach, „wofür“ ihr Unternehmen steht. Wesentliche Treiber für diesen Kultur- und Werteprozess sind Globalisierung, der demografische Wandel, Diversifizierung und Vernetzung über Unternehmensgrenzen hinweg. All das führt zugleich zu einer Komplexitätszunahme. Keine Organisation wird in einer solchen Arbeits- und Lebenswelt überlebensfähig sein, wenn sie nicht ein stabiles Wertegerüst hat, das auf einem tragfähigen Fundament basiert.

Weiterführende Informationen:

Jürgen Schöntauf: Sinnstifter. Wie Unternehmen davon profitieren, soziale Verantwortung zu übernehmen. Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2016.

CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2017.

Werner Neumüller und Alexandra Hildebrandt: Tun statt reden. Personalverantwortung 21.0 von A bis Z. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

WERTEWANDEL mitgestalten. Gut handeln in Gesellschaft und Wirtschaft. Hg. von Brun-Hagen Hennerkes und George Augustin unter Mitarbeit von Thomas Hund. Freiburg i. Brei 2012.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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