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Trends im deutschen Immobilienmarkt

Interview mit dem Immobilienexperten Matthias Krieger

Herr Krieger, welche Trends gibt es im deutschen Immobilienmarkt?

Ein wichtiger Trend ist beispielsweise die Individualisierung: Während die Babyboomer sehr viel stärker lokal verankert sind und Kollektivismus oder das kollektive „Wir“ eine große Rolle spielen, fallen bei ihren Nachfolgern Werte wie internationale und globale Verankerung und Individualisierung viel mehr ins Gewicht. Zudem gibt es heute mehr Single-Haushalte. Aber auch Klimaerwärmung, Ressourcenverknappung, demografischer Wandel und das weltweite Bevölkerungswachstum sind im Immobilienmarkt spürbar. Nachhaltigkeit und Gesundheit spielen eine immer wichtigere Rolle.

Da die Zahl der Weltbevölkerung stetig wächst, bedeutet das, dass weltweit wöchentlich 400.000 neue Wohnungen gebraucht werden. Immer mehr Menschen wollen dort leben, wo die Wirtschaft boomt und die Infrastruktur gut ist. Von dieser Entwicklung profitieren insbesondere die Metropolregionen. Entsprechend hoch sind die Immobilienpreise. Die teuerste Großstadt ist München, gefolgt von Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart, Berlin, Düsseldorf und Köln. Diese sieben Städte bezeichnet man auch als A-Städte.

Was bedeutet das?

Der Immobilienmarkt ist hier national und international von großer Bedeutung und steht auch schon länger im Fokus internationaler Investoren. Teuer sind aber auch die sogenannten Speckgürtel (das Umland der Metropolen).

Wer sind die Verlierer dieser Entwicklung?

Seit vielen Jahren existiert in Deutschland ein Süd-Nord-Gefälle und ein West-Ost-Gefälle, sprich: im Süden und im Westen Deutschlands ist die Lage für Immobilien attraktiver, und dementsprechend sind die Immobilien teurer als im Norden oder im Osten. Das wird auch dann wichtig, wenn man eine Immobilie verkaufen möchte. Der Rückgang der Immobilienpreise hängt stark mit den sinkenden Einwohnerzahlen in der jeweiligen Region zusammen. Je besser die Lage, desto wertbeständiger die Immobilie. Nur in den guten Lagen erzielen Sie das beste Preis-Nutzen-Verhältnis.

Was hat Sie veranlasst, den Ratgeber „Praxiswissen Eigentumswohnung“ zu schreiben? Wen möchten Sie damit erreichen?

Der Ratgeber ist vor allem für Käufer und Interessierte an einer Eigentumswohnung, die damit eine bessere Entscheidung treffen können und sich vor „Pfusch am Bau“ zu schützen. Viele Menschen sind verunsichert, weil sie noch nie eine Immobilie gekauft haben. Die Vermittlung der richtigen Schritte und die Erklärung komplexer Vorgänge nimmt ihnen die Angst und schafft Verständnis für die Bauträger.

Welche Kriterien sollten in eine Entscheidung für oder gegen eine Wohnung mit einbezogen werden?

Die von mir im Buch angegebenen Bewertungskriterien sowie deren Gewichtung stellen einen Vorschlag dar:

1. Lage, Lage, Lage

2. Sicherung der Bauqualität

3. Sicherung der Investition

4. Sicherung der Finanzierung

5. Bauleistungsbeschreibung

6. Notarvertrag bei Kauf vom Bauträger

7. Strukturierter Kauf- und Bauprozess

8. Megatrend Gesundheit (wohngesundes Bauen).

Wie kann eine Sicherung der Bauqualität gewährleistet werden?

Auch hier ist die Orientierung an der im Ratgeber enthaltenen Checkliste für die Sicherung der Bauqualität sinnvoll, denn sie erfasst die wichtigsten Faktoren, die dem Leser helfen, einzuschätzen, inwieweit ein Bauträger in der Lage ist, ausgezeichnete Bauqualität zu liefern. Diese Fragen stehen im Fokus:

Besitzt die Immobilie eine zukunftsfähige Gebäudetechnologie als Komplettlösung? Sind dabei Datenschutz und Datensicherheit berücksichtigt?

Gibt es die Möglichkeit der Bauüberwachung durch neutrale Fachinstitutionen? Können Sie die Creditreform-Auskunft einsehen?

Gibt es ein projektbezogenes Baucontrolling und einen Bauzeitenplan?

Haben Sie die vertraglichen Regelungen von Mängelbeseitigung und Abnahme des Gemeinschaftseigentums geklärt? Wie ist die Bemusterungssituation im Showroom?

Gibt es eine Qualitätsmanagementsystem-Zertifizierung mit regelmäßiger Überprüfung nach der europäischen DIN-Norm?

Wie ist die Reputation des Bauträgers? Gibt es positive Online-Bewertungen?

Hat der Bauträger Referenzen, Erfahrungsaustausch mit Kenntnissen über das nachhaltige Bauen mit Niedrigenergiestandards?

Wie können sich Käufer einer Neubauwohnung vor der Pleite des Bauträgers bzw. anderen Ereignissen und Entwicklungen schützen, die die eigene Investition gefährden?

Tatsächlich ist die Insolvenzquote im Baugewerbe überdurchschnittlich hoch. Die gute Nachricht lautet jedoch: Man kann sich wirksam vor einer Bauträgerpleite schützen. Dafür gibt es sogar gesetzliche Regelungen, die festlegen, dass der Bauträger erst bauen muss, bevor gezahlt werden muss. Am wichtigsten ist, dass der Bauträger vom Fach sein muss: Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen sich als „Bauträger“ bezeichnet, bedeutet nicht zwingend, dass es sich hier um einen Handwerks- oder Baubetrieb handelt! Ein Bauträger ist zunächst einfach nur ein Unternehmen, das ein Baugrundstück erwirbt und darauf eine Immobilie baut. Oft sind es Makler oder Vertriebsunternehmen.

Was gehört zu den Aufgaben des Bauträgers?

Er ist für die gesamte Bau-, Verkaufs- und Finanzabwicklung verantwortlich und haftbar – und immer erster Ansprechpartner. Das Exposé des Bauvorhabens und die Baupläne des Architekten sollten genau angeschaut werden. Geachtet werden sollte auf den Namen und die komplette Anschrift des Bauträgers. Zudem findet sich dort eine genaue Lagebezeichnung. Auch Grundrisse mit Maßstabsangaben und Nordpfeil sollten enthalten sein, ebenso ein Plan der Lage der Wohnung im Haus. Ausstattungsmerkmale, eine Preisliste mit einer genauen Quadratmeterpreisangabe und einem Preis für die Garage oder den Stellplatz sollten ebenfalls genannt sein. Empfehlenswert ist es auch, sich mit anderen Eigentümern beziehungsweise Käufern über deren Erfahrungen auszutauschen.

Was macht einen guten und kundenorientierter Bauträger aus?

Er wird die Eigentümergemeinschaft schon im Vorfeld aktiv zusammenbringen und so den Community-Geist pflegen, indem er sie beispielsweise zu Grundsteinlegung und Richtfesten einlädt. Viele Bauträger sind hier zögerlich, denn sie wollen nicht, dass sich die Kunden möglicherweise gegen sie verbünden, wenn der Pfusch am Bau auffliegt, den sie mehr oder weniger bewusst erzeugt haben. Beschwerden wollen sie unterdrücken – anstatt sie dazu zu nutzen, sich permanent zu verbessern.

Welche Fragen sind relevant, wenn es darum geht, genaue Zahlen in Erfahrung zu bringen?

Hier nur einige Fragen, an denen man sich orientieren kann: Wie ist es um Bonität und Eigenkapitalquote des Bauträgers bestellt? Sind beide hoch? Wie hoch ist das Ausfallrisiko einzustufen? Ist es durch (Bank-)Bürgschaften abgesichert? Seriöse Bauträger werden eine fünfprozentige Bürgschaft als Verlustgarantie liefern – diese sollte unbedingt eingefordert werden. Geklärt werden sollte auch, welche Vorauszahlungen gegebenenfalls geleistet werden müssen. Mehr zu diesem Thema ist in Kapitel 7 des Ratgebers zu finden.

Altbauten oder Bestandsimmobilien gelten als gute Anlageobjekte, die auch deutlich günstiger als Neubauwohnungen sind. Allerdings birgt der Kauf auch viele Risiken. Welche Aspekte sollten beim Kauf beachtet werden?

Der aktuelle Zustand des Gebäudes stellt oft den größten Nachteil bei einem Altbau dar. Handwerker sind derzeit sehr teuer beziehungsweise schwer zu bekommen. Renovierungsarbeiten erzeugen meist Staub und Schmutz und mindern so die Wohnqualität deutlich. Man sollte sich deshalb vergewissern, dass nicht nur die einzelne Wohnung, sondern die gesamte Wohnanlage in einem guten Zustand ist. Es darf keinen Instandhaltungsstau geben! Wenn Heizungsanlage, Dach, Dämmung, Elektroinstallationen, Stromleitungen, Fassade sowie Rohrleitungsnetz nicht mehr heutigen Normen entsprechen und technisch auf einem alten Stand sind, steigt das Risiko, dass sie ausfallen und bald ersetzt werden müssen.

Es sollte auch darauf geachtet werden, dass die Wohnung beziehungsweise das Haus einen guten energetischen Standard aufweist. Altbauten haben in der Regel keine gedämmten Wände – das kann immense Kosten verursachen.

Welche Tipps können Sie geben?

Es sollte auch geprüft werden, ob die Immobilie eventuell Bau- oder Bergbauschäden aufweist. Auch Fälle von mangelhaft befüllten Stollen aus dem Zweiten Weltkrieg kann es geben – die dann nach vielen Jahrzehnten einbrechen und ganze Häuser zum Absacken bringen können. Um sie zu erkennen, bedarf es teurer Gutachten, weil sie von Laien nicht einfach erkannt werden kann. Auch die Beschlussprotokolle der Eigentümerversammlungen sollten wegen eventuell anstehender Investitionen, bestehender Rücklagen etc. geprüft werden. Die Sanierung eines Altbaus beziehungsweise einer Bestandsimmobilie bietet keine Kostensicherheit, Handwerker sind schwer zu finden, und meistens gibt es mit ihnen Stress und Ärger. Auch Zeit– und Qualitätssicherheit gibt es nicht.

Weshalb sind Neubauimmobilien auch für Anleger attraktiv?

Hier gibt es weniger Ärger und keine Überraschungen bei einer Sanierung. Weitere Vorteile sind langfristige Sicherheit, bessere Vermietbarkeit, höhere Renditen, Einfluss auf Ausstattung etc. Ein großer Vorteil des Neubaus ist, dass die Wohnung nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen errichtet werden kann. Die Grundrisse stehen zwar meist schon relativ fest, aber in der Gestaltung der Oberflächen gibt es viel Spielraum, was den hohen Grad an Individualität unterstreicht. Einschränkungen ergeben sich beim Neubau fast ausschließlich durch den Bebauungsplan des Grundstücks.

In einer Musterhaus-Ausstellung bzw. in einer Musterwohnung kann die künftige Immobilie meist genau in Augenschein genommen werden. Ein weiterer großer Vorteil des Neubaus ist die energieeffiziente Bauweise. Dank neuester Technologien, moderner Fenster und Heizungsanlagen, guter Wärmedämmung und innovativer Baustoffe lassen sich starke Kosteneinsparungen erzielen. Dank dieser neuen technologischen Standards fallen auch Sanierungen und Reparaturen kurz- und mittelfristig weg. Denn typische Hausbestandteile wie Fassade, Dach oder Installation halten rund vierzig Jahre. Deshalb sind auch die Wohnnebenkosten und die Instandhaltungsrücklage verhältnismäßig gering.

Auch in Bezug auf Komfort und Bequemlichkeit hat ein Neubau die Nase vorn. Auch punktet er unter dem Aspekt der Sicherheit und des Diebstahlschutzes. Darüber hinaus gibt es in vielen neuen Wohnhausanlagen Stellplätze im Freien oder eine Tiefgarage. Neubauimmobilien stehen auch im Fokus der Anleger. Aufgrund der höheren Kaufpreise erzielen sie mit Neubauobjekten zwar meist niedrigere Anfangsmietrenditen. Allerdings sind die langfristigen Wertsteigerungsaussichten oft besser als bei Bestandsimmobilien. Deshalb könnte sich ein Investment insbesondere für Käufer lohnen, die eine längere Anlageperspektive haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person:

Matthias Krieger ist erfolgreicher Unternehmer. Er kennt alle Facetten des Bauens und Bauträgergeschäfts seit drei Jahrzehnten in Theorie und Praxis. 2013 zeichnete die TU München sein Unternehmen als das beste Bauunternehmen Deutschlands aus. Matthias Krieger ist zudem Buchautor, Stifter und ehemaliger Leistungssportler. Alle Autorenhonorare kommen der Dagmar + Matthias Krieger Stiftung zugute, die Jugendliche in den Bereichen Sport, Kultur und Bildung fördert.

Weiterführende Literatur:

Matthias Krieger: Praxiswissen Eigentumswohnung: Was Sie vor dem Kauf einer Neubauwohnung wissen sollten. BusinessVillage Verlag, Göttingen 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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