Dr. Bernd Slaghuis

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für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Tschüss, Chef! 10 Fragen, die Sie vor einer Kündigung mit "JA" beantworten sollten

Bild: 123rf.com, georgerudy
Bevor Sie Ihre Kisten packen, sollten Sie sich besser fragen: Bin ich wirklich bereit, zu kündigen?

Den Job einfach kündigen oder doch noch bleiben? Eine schwierige Entscheidung für alle, die sich nach einer beruflichen Veränderung sehnen. Diese zehn Fragen sollten Sie sich vor einer Kündigung stellen. 

Nach etlichen Jahren bei einem Arbeitgeber plagt Sie die Langeweile oder Sie spüren schon lange ein Gefühl chronischer Unzufriedenheit? Sie sehnen sich nach einem neuen Umfeld, möchten sich fachlich und persönlich weiterentwickeln oder wieder stärker mit einer Branche oder den Produkten Ihres Arbeitgebers identifizieren? Vielleicht fragen Sie sich sogar, ob Sie einfach kündigen sollten, ohne einen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche zu haben. Oder doch lieber noch bleiben und hoffen, dass alles irgendwann wieder besser wird? Hier sind 10 Fragen, die Sie sich vor einer Kündigung stellen und mit "JA" beantworten sollten, damit aus Stress, Langeweile oder Frust im Job keine übereilte Flucht, sondern eine gut überlegte Wechselentscheidung wird.

10 Fragen, die Sie sich vor einer Kündigung stellen sollten

1. Sind Sie wirklich bereit, die aktuelle Stelle samt Kollegen aufzugeben?

Jede Veränderung bedeutet, für etwas Neues auch Altes aufzugeben. Den täglichen Kontakt zu lieb gewonnenen Kollegen, bestimmte Aufgaben, die bisher Spaß machten oder besondere Vorzüge, die der jetzige Beruf oder Ihr Arbeitgeber mit sich bringen. Also, was geben Sie konkret alles auf, wenn Sie kündigen und sind Sie wirklich schon bereit, Abschied hiervon zu nehmen? 

2. Gibt es gar nichts mehr, das Sie von der Kündigung abhalten könnte?

Auch wenn Ihr Frust hoch ist, hätten Ihr Chef oder die Kollegen vielleicht doch noch eine Chance, Sie von einer Kündigung abzuhalten und wenn ja, womit? Was müsste geschehen, damit Sie bleiben? – Mehr Geld? Eine Beförderung? Neue Aufgaben? Eine offene Aussprache? Lohnt es sich, solche Themen mit Ihrem Chef oder den Kollegen zu besprechen und zu prüfen, ob es vielleicht doch noch eine gemeinsame Zukunft gibt? Und sofern es etwas gibt, wie wahrscheinlich ist es, dass das, was Sie von der Kündigung abhalten würde, tatsächlich in Zukunft eintritt?

3. Ist Ihnen klar, was Sie sich von einem Jobwechsel versprechen?

Die meisten Angestellten, die mir im Coaching gegenübersitzen und an eine Kündigung denken, sind frustriert auf der Flucht. Hauptsache weg ist ihre Devise. Doch weg vom alten Arbeitgeber sagt noch nichts über ein gutes Ziel für die Zukunft aus. Haben Sie sich Gedanken gemacht, was nach der Kündigung sein soll und was glauben Sie, warum es Ihnen nach einem Wechsel des Arbeitgebers besser gehen wird? Was genau ist Ihre echte Wechselmotivation und sind Sie sich sicher, dass diese Möglichkeiten zur Veränderung bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber nicht bestehen? Denn …

4. Haben Sie alle Möglichkeiten bei Ihrem Arbeitgeber geprüft?

Viele Arbeitnehmer denken, dass ihre Position bei einem Arbeitgeber in Stein gemeißelt ist. Auf die Idee, sich proaktiv nach alternativen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens umzuhören, darauf kommen sie meist nicht. Ist die Kündigung einmal ausgesprochen, ist es zu spät, um über interne Wechseloptionen nachzudenken. Also, über welche aus Ihrer Sicht vielleicht auch unrealistischen, jedoch attraktiven internen Veränderungsideen würde es sich lohnen, mit Ihrem Chef, anderen Führungskräften oder Mitarbeitern aus der Personalabteilung zu sprechen, bevor Sie endgültig Tschüss sagen?

5. Sind Sie in der Verfassung, um über Ihre Zukunft nachzudenken?

Im Coaching bemerke ich, dass es manchen Wechselwilligen extrem schwer fällt, über ihre berufliche Zukunft nachzudenken und über Ziele zu sprechen. Schon der flüchtige Gedanke an alles das, worunter sie in den letzten Wochen oder Monaten gelitten haben, treibt ihnen die Tränen in die Augen. Das Heute und Gestern bestimmt so sehr ihr Gedankenkarussel, dass in ihren Köpfen noch kein Platz für das Morgen ist. Auch hier wäre die Kündigung mehr übereilte Flucht als ein guter Beginn von etwas Neuem. Wie geht es Ihnen, wenn Sie an Ihre Ziele der nächsten Jahre sowie Ihre berufliche Zukunft denken? Sind Sie aktuell in einer guten Verfassung, um an Ihrer Zukunft zu arbeiten oder was können Sie zuerst Gutes für sich tun, um wieder neue Energie zu tanken? 

6. Wissen Sie, nach welchen Positionen und Arbeitgebern Sie suchen?

Wie soll es nach der Kündigung weitergehen? Das Gleiche, nur woanders? Eine neue Aufgabe bei einem Arbeitgeber in der gleichen Branche? Oder sogar eine größere Neuorientierung? Mit Ihrer Kündigung sollten Sie einen Plan in der Tasche haben, wohin Sie der nächste Schritt führen soll.  Aufgaben, in denen Sie Ihr Fach- und Erfahrungswissen nützlich einbringen und Ihre Stärken zum Einsatz kommen können. Unternehmen, mit deren Produkten oder Leistungen Sie sich identifizieren können. Chefs und Kollegen, die Ihren persönlichen Vorstellungen von guter Zusammenarbeit entsprechen. Ein Arbeitsumfeld, in dem Sie sich wohlfühlen und entfalten können. 

7. Kommen Sie damit klar, wie andere Ihre Entscheidung bewerten?

„Man kündigt doch nicht einfach so seinen Job!“ Dieses Denken ist immer noch in weiten Teilen unserer Gesellschaft präsent. Besonders dann, wenn Ihre aktuelle Situation von anderen Menschen in Ihrem Umfeld als Luxusproblem bewertet wird. Sie werden Ihnen einreden, dass Sie es doch jetzt schon gut haben und es vielen anderen Angestellten so viel schlechter geht. Also, wie stark stehen Sie selbst zu Ihrer Entscheidung und was werden Sie solchen Bedenkenträgern und Besserwissern antworten?

8. Haben Sie Lust auf Bewerbungen und Vorstellungsgespräche?

Naja, von Lust werden Sie vermutlich nicht sprechen wollen. Ich habe jedenfalls noch keinen Jobwechsler kennengelernt, der sich auf ein Vorstellungsgespräch freut. Doch klar ist: Wenn Sie nicht gerade Programmierer oder Pfleger sind und vom Arbeitsmarkt mit offenen Armen erwartet werden, werden Sie wahrscheinlich einige Bewerbungen schreiben und so manches Vorstellungsgespräch bis zur Unterschrift des nächsten Arbeitsvertrages führen müssen. Mal ehrlich, sind Sie hierfür bereit und auch neugierig darauf, was Ihnen der Arbeitsmarkt Gutes zu bieten hat?

9. Werden Sie drei Monate ohne Einkommen überbrücken können?

Kündigen Sie selbst den Arbeitsvertrag, droht Ihnen im Normalfall eine 3-monatige Sperre des Arbeitslosengeldes. Reichen Ihre Reserven, um die Kosten und den Lebensunterhalt in dieser Zeit zu decken? Sollten Sie zum Zeitpunkt der Kündigung noch keinen neuen Job in Aussicht haben, können sich Bewerbungsprozesse schnell über ein halbes Jahr und länger hinziehen. Finanzieller Druck ist ein extrem schlechter Berater beim Jobwechsel. Also, werden Sie zwischen Kündigung und Antritt eines neuen Jobs ausreichend finanziell versorgt sein?

10. Passt der Jobwechsel zu Ihrer privaten Lebensplanung?

Arbeit ist längst zum integralen Bestandteil des Lebens geworden. Was sind Ihre privaten Pläne für die nächsten Jahre und hätten Ihre Kündigung und der Wechsel des Arbeitgebers Auswirkungen hierauf? Sind sie aktuell räumlich gebunden? Was bedeutet ein Jobwechsel für Ihre Familie und Ihr soziales Umfeld? Auf was müssten Sie womöglich im privaten Lebensbereich verzichten und wie wichtig ist Ihnen das alles? Oder gibt es etwas, das sich privat durch die Kündigung verbessern soll und was bedeutet dies für Ihre Suche nach einem neuen Arbeitgeber?

Kündigen: Planen Sie Ihren Abschied und den Wechsel

Steht Ihre Entscheidung fest, dass Sie Ihren aktuellen Arbeitgeber verlassen werden, dann klären Sie den Trennungsprozess. Welche Kündigungsfristen sind zu beachten und was ist für Sie ein guter Kündigungstermin? Gibt es Aufgaben oder Projekte, die Sie erst zum erfolgreichen Abschluss bringen möchten, bevor Sie gehen? Vielleicht ist es Ihnen auch wichtig, Ihre offenen Themen in Ruhe an einen Nachfolger zu übergeben. Viele Angestellte möchten ihren Arbeitgeber im Guten verlassen und kein Schlachtfeld hinterlassen. Wenn auch Ihnen dies wichtig ist, dann klären Sie, was Sie in der verbleibenden Zeit dazu beitragen können.

Vielleicht existieren bei Ihrem Arbeitgeber auch Programme zum Personalabbau und Sie kommen in den Genuss einer Abfindungsregelung oder einer Outplacement-Beratung, die Sie bei der Orientierung und Suche nach neuen Positionen unterstützt. Vielleicht kann es auch sinnvoll sein, mit Ihrem Arbeitgeber offen darüber zu sprechen, welche Seite die rechtlich wirksame Kündigung ausspricht. Mit allen Konsequenzen, die hiermit verbunden sind – von der Berechnung des Arbeitslosengeldes bis hin zur Formulierung in Ihrem Arbeitszeugnis.

Bleiben: Gestalten Sie Ihre alte Arbeit neu

Falls Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt gegen die Kündigung entschieden haben, wird Sie ein „Weiter so!“ auf Dauer vermutlich nicht zufriedenstellen. Selbst wenn für Sie die Vorteile der Position beim heutigen Arbeitgeber wieder bewusster geworden sind und diese gegenüber einem Jobwechsel überwiegen, gibt es wahrscheinlich noch etwas, das Sie stört und in Zukunft weiter belasten wird.

Verfallen Sie jetzt nicht in eine Dienst nach Vorschrift-Haltung und gehen Sie nicht einfach wieder routiniert zum Tagesgeschäft über, sondern arbeiten Sie als Chef Ihres eigenen Lebens an den wichtigen Themen, die Sie in Ihren Antworten auf meine zehn Fragen identifiziert haben. Denn Ihr Job ist kein Gefängnis und auch als Angestellte besitzen Sie größere Gestaltungsspielräume, als Sie denken.

Ich wünsche Ihnen viel Klarheit und eine gute Entscheidung - ob Sie bleiben oder wechseln. 

Diesen und weitere Beiträge rund um neue Karrieren, Bewerbung auf Augenhöhe und gesunde Führung lesen Sie in meinem Karriereblog "Perspektivwechsel".

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Wer schreibt hier?

Dr. Bernd Slaghuis
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Karriere- und Business-Coach, Dr. Bernd Slaghuis

für Job & Karriere, berufliche Neurorientierung, Bewerbung

Karriere ist heute mehr als nur "höher, schneller, weiter". Seit 2011 habe ich über 1.800 Angestellte bei ihrem nächsten Schritt im Beruf begleitet. Von der Neuorientierung und Bewerbung bis zum Onboarding. Meine Erfahrungen teile ich hier als XING Insider, auf meinem Blog und als SPIEGEL-Kolumnist.
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