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Tun statt reden: Warum wir eine Kultur des Machens brauchen

Uhrmacher statt Zeitansager

Ein Erfolgsgefühl kommt bei Menschen, die Dinge ins Laufen zu bringen wollen, selten auf – vor ihnen liegt immer die neue Herausforderung. Sie stehen für eine Kultur des Machens, die wir dringend brauchen: Sie packen an und wollen Lösungen finden unter den gegebenen Bedingungen, haben Freude am Kampf, den sie auch als ein Ringen um Lebenssinn verstehen, weichen keiner Unbequemlichkeit aus und sorgen dafür, dass Ziele erreicht werden und die Richtung stimmt. Denn wie schon Seneca sagte: „Wenn man nicht weiß, welchen Hafen man ansteuert, ist kein Wind günstig.“ Pragmatiker wandern nicht ziellos umher, um irgendwann festzustellen, dass sie den Gipfel erreicht haben - vielmehr haben sie eine konkrete Vorstellung ihrer Route. Und sie wissen, was sie brauchen: ein Basislager und geeignete Mitstreiter. Den Weg zum Erreichen ihrer Ziele teilen sie in möglichst überschaubare Etappen ein und stellen den Weg nicht infrage.

Sie sind keine „Zeitansager“ wie viele Manager, sondern „ticken“ auch unternehmerisch wie ein Uhrmacher, der ausprobiert, jedes Rädchen kennt, sich Details widmet, dabei aber niemals das Ganze aus den Augen verliert. Macher setzen so lange die Teile zusammen, bis sich die Zeit „bewegt“, auch wenn Rahmenbedingungen selten so perfekt wie im Lehrbuch sind, und Erfolg nicht ohne das Risiko des Misserfolgs zu haben ist. Macher zeichnet Entschiedenheit (im Sinne von positiver Sturheit) und Eigensinnigkeit aus, zu der es auch gehört, „Nein“ sagen zu können. Sie sind auch mal anstößig und können gerade deshalb Anstöße geben.

Was es heute braucht, sind zupackende und ergebnisorientierte Manager, für die Aufwand und Ergebnis in einer vernünftigen Relation stehen, die handeln und fähig sind, komplexe Sachverhalte zu verdichten. Ein wichtiger Aspekt ist aber auch, anderen zuzuhören – vom Taxifahrer bis zum Vorstandsvorsitzenden: Wer noch lieber zuhört als selbst spricht, der hört niemals auf zu lernen. Wer hinhorcht, erfasst auch Strömungen schneller und das „Angebot“ des Augenblicks. Zuhören und Wort halten schließen sich für Macher nicht aus. Sie haben es nicht nötig, sich hinter einer komplizierten Managementsprache zu verstecken. Das Problem ist heute eher, dass es immer weniger Menschen gibt, die eine deutliche Sprache verstehen und hören wollen. Wer deutlich spricht, nimmt nicht nur Kritik, sondern auch das Unperfekte in Kauf. Das ist immer noch besser ist als aalglatt, langweilig und wirkungslos zu sein.

Viele Führungskräfte wollen perfekt sein, schreibt der Businessexperte Hermann Scherer in seinem Buch „Glückskinder“, „das ist der Grund, warum sie miserabel sind. Die meisten sind schlecht, weil sie gut sein wollen. Perfektionisten haben gleichviele Chancen wie Pragmatiker, sie sehen sie jedoch nicht.“ Die PR-Aufschneider der Gegenwart, die Zutaten wie Imageaufbau, Stilberatung und Positionierungsstrategien in die Lebenssuppe streuen und die Persönlichkeit manipulieren, sind Machern suspekt. Sie sind aufgrund ihrer eigenen inhaltlichen Substanz präsent, sie müssen sich nicht zurechtbiegen und brauchen keine Anleitungen darüber, wie man sich am besten in Szene setzt. Und weil instinktsichere Menschen nicht herumeiern, kommt auch die Organisation nicht ins Strudeln.

Verstehen bedeutet, einverstanden zu sein. Deshalb ist Kommunikation für Macher eine Führungsaufgabe, um Veränderungen nicht hinterherzulaufen, sondern mitzugestalten. Dazu werden kooperative Netzwerke benötigt, um die dynamischen Veränderungen rasch umzusetzen. Die Herausforderung besteht darin, vor allem mutige Übersetzungsarbeit für einen unabdingbaren Bewusstseinswandel zu leisten. Dazu braucht es gut funktionierende Schnittstellen zwischen den Abteilungsbereichen, die aufs Fertigmachen und Loslegen eingeschworen werden sollen. Misserfolge und Scheitern sind keine Schande. Verantwortungslos wäre es, Dinge nicht versucht zu haben.

Wie wir unsere Macherqualitäten im digitalen Zeitalter stärken können

Dass uns die Digitalisierung Instrumente an die Hand gibt, „zu Machern zu werden“, bemerkt Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom, im Bildungsmagazin des Stifterverbandes (Carta 2020). Dazu gehört das Programmieren, dessen Werkzeuge und Kenntnisse wir nicht anderen überlassen sollten. Wer die digitale Transformation selbst mitprägen will, muss verstehen, wie sie funktioniert und darf keine Angst vor dem digitalen Wandel haben. Das beste Mittel gegen die Angst vor der Digitalisierung ist Aufklärung und Bildung. Deshalb ist es unabdingbar, dass bereits im Grundschulalter begonnen wird, die entsprechenden Grundkompetenzen zu stärken. Denn Programmieren ist genauso wichtig wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Ohne die Grundfertigkeit des digitalen und vernetzten Denkens („Computational Thinking“), das Instabilitäten und Komplexitäten berücksichtigt, werden wir den Code der Neuen Welt, die Bedeutung der Daten und die richtigen Anwendungen niemals verstehen. „Programmiere oder werde programmiert“, sagt der Medientheoretiker Douglas Rushkoff.

Wer es „kann“, ist ein echter Macher. Um einer zu werden, braucht es neben Wissen bestimmte Fähigkeiten, die man üben kann. Voraussetzung ist Kreativität. Deshalb macht es Sinn, in die Debatte zum digitalen Wandel auch Künstler einzubeziehen, weil man von ihnen lernen kann, wie sich Umfelder schaffen lassen, in denen sich eine Kultur des bewussten Lernens entwickeln kann. In seinem Buch „Sunday Sketching“ gibt Christoph Niemann Einblick in seine kreativen Schaffensprozesse. Im Mittelpunkt stehen auch Begriffe, die im Zusammenhang mit der digitalen Transformation besonders wichtig sind: „Handwerk“ und „üben“:

• Handwerk und Routine helfen uns im Komplexitätszeitalter, nicht verrückt zu werden.

• Große Kunst verlangt Handwerk und Geschick, aber es kommt noch etwas hinzu, das nicht kontrollierbar und planbar ist.

• Es genügt nicht, sich nur aus Handwerk zu konzentrieren, weil man dann Scheuklappen entwickelt.

• Wenn gerade etwas gut läuft, sollte man die Richtung ändern.

• Erfolge der Vergangenheit sind eine Bürde.

• Wirklich brauchbare Ideen kommen während des Arbeitsprozesses.

• Der strengste Kritiker seiner Arbeit sollte man selbst sein.

• Social Media ist heute ein unverzichtbares Instrument – auch für Feedbacks der eigenen Arbeit. Allerdings sollten Likes und Faves nicht mit echter Qualität verwechselt werden, denn sie sind kein wahrer Maßstab für kreativen Wert.

• Große Ideen lassen sich nicht erzwingen: Um sie hervorzubringen, braucht es die Konzentration auf das eigene Handwerk, eine angstfreie Umgebung sowie Zeit zum Nachdenken und Experimentieren. Alles andere ist Zufall.

Übung unterstützt uns darin, unsere Macherqualitäten zu verbessern. Voraussetzung ist allerdings ein neues Denken, das in der Lage ist, viele Facetten und Perspektiven zu sehen, das große Ganze zu erfassen, aber auch ins Detail zu gehen.

Wo es viele Worte gibt, wird ein Thema oft nicht ernst genommen

In Zeiten zunehmender Akademisierung und schrumpfender Geburtenzahlen wird es jedoch immer schwieriger, ausreichend qualifizierte Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen. Besonders rar sind Informatiker (die IT-Lücke hat sich im Zuge der Digitalisierung in den letzten Jahren verdoppelt). Die Wirtschaft wirbt dafür, dass sich viele junge Menschen entweder für eine technische, naturwissenschaftliche oder IT-Ausbildung entscheiden bzw. für ein entsprechendes Studium. Das Interesse der Studienberechtigten an einer dualen Berufsausbildung ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Inzwischen verfügen mehr Ausbildungsanfänger über eine Studienberechtigung als über einen Hauptschulabschluss. Ebenfalls nahm die Zahl der Ausbildungsplätze, die Betriebe, Praxen und Verwaltungen nicht besetzen können, im Zeitverlauf zu. Dies sind Ergebnisse aus dem Datenreport 2018 des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), der den vom Bundeskabinett verabschiedeten Berufsbildungsbericht 2018 ergänzt.

Deutschland wird für seine duale Ausbildung weltweit bewundert, doch wie sie ausgestattet ist, ist Ländersache: Die Länder koordinieren den schulischen Teil der Ausbildung, und das Bundeswirtschafts- und das Bildungsministerium sind für den betrieblichen Teil zuständig. Außerdem kommt der Einfluss von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften hinzu. Die Hochschulen können nur ihre wissenschaftliche Ausbildung steuern - in der Regel hat dies allerdings nichts zu tun mit den praktischen Erfahrungen, die junge Menschen in Unternehmen sammeln, denn dafür sind die Kammern und die Unternehmen zuständig.

Die Praxiserfahrung ist auch eine der größten Schwachstellen der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge: Nicht nur Studenten bemängeln zu wenig praktische Erfahrungen im Studium, sondern auch Absolventen und Führungskräfte. Wo es viele Worte gibt, wird ein Thema oft nicht ernst genommen und somit Wesentliches verdeckt. „Tun - nicht nur reden!" ist deshalb das Credo des Unternehmers und Autors Werner Neumüller, der sein unternehmerisches Handeln auch als soziale Aufgabe versteht. Kerngeschäft der inhabergeführten Neumüller Unternehmen ist die Rekrutierungsunterstützung im Kundenauftrag über die Personaldienstleistung.

Werner Neumüller ist unter anderem Mitherausgeber des Buches „Visionäre von heute – Gestalter von morgen“. Darin widmet er sich in einem sehr persönlichen Beitrag den Quellen seiner Motivation, reflektiert wichtige Aspekte seiner Lebensgeschichte, hinterfragt den Akademisierungstrend in Deutschland, zeigt Möglichkeiten anderer chancenreicher Bildungs- und Karrierewege und widmet sich den passenden Bedingungen, damit sich bestimmte Fähigkeiten wie Pragmatismus, Entscheidungsfreude, Fleiß und Reflexionsvermögen, Resilienz und Gemeinschaftsgefühl nachhaltig entfalten können.

Um die Probleme der Gegenwart gemeinsam zu lösen, sollten Unternehmen ihre Verbindung zu den Universitäten und Fachhochschulen vertiefen. „An den Studenten sei es indessen, schon während des Studiums mehr Praxiserfahrung zu sammeln.“ (Friederike Lübke). Hier setzt auch Neumüller an: So werden innerhalb der Unternehmensgruppe regelmäßig Praktikumsplätze vergeben. Zukünftige Hochschulabsolventen erhalten Stipendien (geschlechtsunabhängig und ausschließlich anhand von vorher festgelegten u.a. sozial orientierten Merkmalen).

Ausgewählt werden die Auszubildenden hier anhand ihrer Bewerbungsunterlagen und persönlicher Bewerbungsgespräche. Seit dem Wintersemester 2011 bilden die Neumüller Unternehmungen Duale Studenten der Fachrichtung Dienstleistungs-/Personalmanagement aus. Die ehemalige Berufsakademie in Mosbach ist heute ein Standort der staatlichen Berufsakademie Baden-Württemberg. „Pro DHBW Mosbach” wurde gegründet, um die Zukunftsentwicklung der Akademie und des dualen Systems zu fördern und für die Wirtschaft zusätzliche Fachkräfte- und Führungsnachwuchs auszubilden. Als Förderpartner beteiligt sich die Neumüller-Gruppe an der Finanzierung von Informationsveranstaltungen und Material für Abiturienten, der Gewinnung von zusätzlichen Ausbildungsbetrieben durch die Akademie, sowie an Projekten verschiedener Fachbereiche. Das Unternehmen gibt Know-how, wo Bedarf besteht. Die Bewerber erhalten über die Mitarbeit in anspruchsvollen Projekten bei Neumüller die Chance, in renommierte Firmen einzusteigen.

Mit diesem Engagement verbunden ist die Überzeugung, dass es heute nicht mehr so weiterlaufen kann wie bisher. Wer zusammen handeln möchte, muss vorher fähig sein, komplexe Sachverhalte auch „zusammen" zu denken. Es braucht Synthesen, gemeinsame Entschlüsse, Klarheit, Vertrauen und Tun. Gefragt ist heute deshalb eine Könnensgesellschaft, in der es wirksam werden kann.

Weiterführende Informationen:

Friederike Lübke: Wie steht es um den Ingenieurnachwuchs? In: DIE ZEIT, 14.4.2016, S. 70.

Werner Neumüller, Alexandra Hildebrandt (Hg.): Visionäre von heute – Gestalter von morgen. SpringerGabler Verlag 2018.

Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Werner Neumüller, Alexandra Hildebrandt (Hg.): Visionäre von heute – Gestalter von morgen. SpringerGabler Verlag 2018.

Werner Neumüller und Alexandra Hildebrandt: Tun statt reden. Personalverantwortung 21.0 von A bis Z. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Christoph Niemann: Sunday Sketching. Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Knesebeck Verlag 2016.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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