Unternehmen verkaufen - Geben Sie Ihrem Steuerberater die passende Rolle?
Der Mensch ist ein soziales Wesen und wir alle brauchen Freunde. Spätestens, wenn wir in einer beängstigenden Lebenssituation stecken. Wie zum Beispiel der Unternehmer bei seinem ersten Betriebsverkauf. Dann wünscht er sich jemanden an der Seite, der ihm mit Rat und Tat neuen Mut zuspricht. Einen, der ihm Halt gibt. Ja, am besten noch praktisch hilft und mit anpackt. Und wer könnte dieser Vertraute beim Unternehmensverkauf sein? Wirklich der Steuerberater?
Eine Randnotiz, bevor wir uns ins Thema stürzen: Es gibt Steuerberater-Kanzleien, die explizit das Feld der M&A-Dienstleistung abdecken. Um diese spezialisierten Kanzleien geht es in den kommenden Zeilen nicht. Stattdessen sind diejenigen gemeint, deren Expertise ausschließlich in der klassischen Steuerberatung liegt. Gut, los geht’s …
Die Rolle Ihres Steuerberaters, wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen
Unbestrittener Fakt ist, dass der Steuerberater eine besondere Vertrauensstellung innehat. Ich habe mit über tausend Betriebsinhabern wegen des geplanten Firmenverkaufs zusammengesessen. Und egal, um welche Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl oder Branche es ging, in 50 % aller Fälle saß der Steuerberater des Unternehmers mit am Tisch. Und diese Tatsache spiegelt nur die Gespräche wider, bei denen ich anwesend war, also ein Consultant für Unternehmensverkäufe bereits hinzugebucht war. Ich bin mir sicher, dass bei der Gesamtheit aller angedachten Unternehmensverkäufe die Hinzuziehung des Steuerberaters noch viel eher und häufiger geschieht als nur bei 50 %. Zur Beleuchtung unseres Artikel-Themas müssen wir uns die Frage stellen: „Zu welchem Zweck?“
Unabhängig von der benötigten Expertise bei der steuerlichen Handhabung des Unternehmensverkaufs fallen mir noch zwei weitere Gründe für die frühe Einbindung des Steuerberaters ein:
a) Entweder ist die Mandatierung eines Unternehmensvermittlers geplant und der Steuerberater soll diesen mit beurteilen und aussuchen. Quasi als vertrauter Consigliere,
b) oder der Betriebsinhaber will den Unternehmensverkauf eigenhändig durchführen und hofft auf praktische Unterstützung durch den Steuerberater.
Schauen wir uns die Varianten a) und b) genauer an, und ergründen deren Sinnhaftigkeit …
a) Consigliere: Die besondere Vertrauensstellung des Steuerberaters.
Von allen Personen, die einen Unternehmer umgeben, ist der Steuerbarer einer der wenigen, der mit Rat und Meinung einen großen Einfluss auf den Betriebsinhaber ausübt. Dies liegt in der Natur der Sache: mit dem Steuerberater bespricht der Inhaber bereits intimste finanzielle Angelegenheiten (und damit verbunden auch privates). Wenn sich der verkaufswillige Unternehmer also wohler fühlt, wenn ihn sein Steuerberater zu den M&A-Gesprächen begleitet, sollte er diesen „Freund“-Faktor für sich in Anspruch nehmen.
Warum auch nicht? Der Steuerberater ist ein intelligenter und gut ausgebildeter Mensch. Mit Scharfsinnigkeit und Intuition kann er den Unternehmer mit Sicherheit unterstützen,
seriöse von unseriösen Unternehmensmaklern zu unterscheiden,
unvorteilhafte Honorarmodelle zu erkennen,
falsche Versprechungen zu entlarven und vor allem
durch pure Anwesenheit dem verkaufswilligen Betriebsinhaber Seelenfrieden zu verschaffen.
Jedoch waren der Großteil aller Steuerberater, die mir bei M&A-Mandantengesprächen begegnet sind, am Ende mit ihrer zugedachten Rolle überfordert. Nachvollziehbarer Weise fehlte den meisten die praktische Erfahrung beim Unternehmensverkauf. Das schürt Unsicherheit! Ob zum Beispiel die vorgestellte M&A-Strategie erfolgsversprechend ist oder nicht, wurde aus rein subjektiver Wahrnehmung beurteilt. Wahrscheinlich (?), um die eigene Anwesenheit zu rechtfertigen, haben viele Steuerberater zusätzlich den angehenden M&A-Prozess mit überkritischen Anmerkungen und einer ablehnenden Haltung unbewusst torpediert.
Daher die Empfehlung an alle, die ihr Unternehmen verkaufen wollen: Überfordern Sie Ihren Steuerberater nicht mit seiner Vertrauten-Rolle. Mit gut gemeinten Intentionen könnte er übers Ziel hinausschießen und Ihnen die Wahl eines passenden Beraters schwerer machen, als sie ohnehin schon ist. Stecken Sie vorab den Umfang der gewünschten Einmischung ab. Dann entsteht kein kontraproduktives Überengagement. Im Gegenzug wird Ihnen der Steuerberater für diesen konkret definierten Erwartungsrahmen dankbar sein.
b) Praktische Unterstützung: Welche dieser Kernpunkte kann Ihr Steuerberater abdecken?
Für die Aufbereitung der Unternehmenszahlen ist der Steuerberater die perfekte Wahl. Schließlich stammen diese aus seiner Feder. Bei der Durchführung des Unternehmensverkaufs geht es aber um viel mehr als die bloße Übergabe der BWAs oder Interpretation von Bilanzzahlen. Deswegen tut der Inhaber sowohl sich selbst, als auch dem Steuerberater keinen Gefallen, wenn der diesen zur Allzweckwaffe umfunktionieren will und als M&A-Transaktionsbegleiter einsetzt. Im Artikel „Betrieb verkaufen in Eigenregie? 5 Kernpunkte, die den Rahmen für Ihren Verkaufsprozess vorgeben!“ haben wir die wichtigsten Punkte für Ihren eigenhändigen Unternehmensverkauf beleuchtet. Bitte stellen Sie sich die Frage: „Welche dieser Prozess-Schritte könnte ich überhaupt erfolgreich auf meinen Steuerberater übertragen?“
Hier nochmal die Kernpunkte für Ihren Betriebsverkauf im Überblick:
Marktposition & Veräußerbarkeit
Vertraulichkeit & Mittelsmann
Unterlagen & Marketing
Käufersuche & Bonitätsprüfung
Verhandlungen & Kaufpreisfindung
Grundsätzlich: Der Firmeninhaber könnte eigenhändig sein Unternehmen verkaufen und den Verkaufsprozess vollumfänglich allein abdecken. Das geht. Das ist möglich. Überall da, wo es sich um Zahlen, Daten und Fakten Ihres Betriebs dreht, ist die zusätzliche Unterstützung durch den Steuerberater sinnvoll. Eventuell auch noch bei der Erstellung einer Unternehmensbewertung. Hierbei wird es aber schon eng. Denn eine Bewertung sollte nicht nur auf puren Unternehmenszahlen beruhen, sondern auch Markt- und Branchenbesonderheiten berücksichtigen. Hat Ihr Steuerberater hier noch den ausreichenden Einblick? Spätestens bei der Vermarktungsstrategie, Gestaltung von werblichen Unterlagen und der aktiven Suche nach potenziellen Käufern streichen 99 % aller klassischen Steuerberater die Segel.
Daher die Empfehlung an alle, die ihr Unternehmen verkaufen wollen: Wenn Sie sich beim eigenhändigen Firmenverkauf entscheiden, einige der notwenigen Prozess-Schritte - ganz oder teilweise - in fremde Hände zu geben, dann sollten Sie sich fragen, in wessen Hände. Können dessen Hände die vorgenannten Kernpunkte des Unternehmensverkaufs abdecken? Zumindest teilweise?
Fazit: Gerade wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen wollen, gilt: „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt …“
Wenn Ihr Steuerberater gewillt ist, behalten Sie ihn unbedingt als freundschaftlichen Vertrauten im Sinne des Artikel-Vorworts an Ihrer Seite. Verbündete zu haben gibt ein Wohlgefühl. Darüber hinaus hat er aber wahrscheinlich wenig Erfahrung im M&A-Geschäft. Sollten Sie sich also entscheiden, Ihren Firmenverkauf nicht vollends allein durchführen zu wollen, dann legen Sie diejenigen Kernpunkte des Unternehmensverkauf auch in diejenigen Hände, die damit bestens umgehen können. Ein Unternehmensbewerter sollte Ihr Unternehmen bewerten, ein Werbetexter könnte Ihre Verkaufsunterlagen erstellen, Ihr Anwalt könnte als Strohmann wirken, usw.
Liebe Leserin und Leser, wie ist Ihre Erfahrung? Wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen wollen, werden Sie Unterstützung in Anspruch nehmen? Wenn Sie klassischer Steuerberater sind, sind Sie schon von Mandanten um Transaktionsbegleitung gebeten worden? Wenn ja, in welchem Umfang? Bitte berichten Sie von Ihren Erfahrungen hier im Kommentarbereich. Gerne auch als persönlichen Xing-Chat. Ich sammle Ihre Erlebnisse anonymisiert und gestalte Ihnen daraus einen weiteren Input.
Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen.
Herzlichst, Ihr Carsten Seiffert