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Verbrauchertrendstudie: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Jahr 2022?

Die Welt der Dinge ist nicht losgelöst von der Welt des Handelns.Menschen hingen schon immer von den greifbaren Dingen ab, weil sie identitäts- und sinnstiftend sind. Was heute nottut, ist eine „allgemeine Wertschätzung des Vergnügens an einer tieferen und länger bestehenden Beziehung zu den Dingen", schreibt der deutsche Historiker Frank Trentmann, der am Birbeck Collage der University of London forscht und lehrt, in seiner umfassenden „Warenbiografie" der letzten 500 Jahre. Darin beschäftigt er sich nicht nur mit dem Ausmaß und den Folgen der globalen Arbeitsteilung, sondern auch mit Brillen, Uhren, Messern, Gabeln und zahlreichen Haushaltsgegenständen.

Der Titel seiner Konsumgeschichte lautet „Herrschaft der Dinge", im englischen Original: „Empire of Things". Trentmann fragt, wie es dazu kam, dass wir uns mit immer mehr Dingen umgeben. Er plädiert für mehr Bewusstheit der Menschen, die sich nicht nur als Konsumenten betrachten sollten, sondern auch als weitsichtige engagierte Bürger mit „historischer Vorstellungskraft". Denn Dinge geben uns unsere Geschichte(n) zurück. Ein Verzicht darauf würde bedeuten, die eigenen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu schwächen. Wer nachhaltig handelt, hat die Dinge und die Geschichten dahinter buchstäblich begriffen.

Jährlich liefern 30.000 Verbraucher:innen in über 25 Ländern Informationen zu den unterschiedlichsten Aspekten des menschlichen Lebens wie Wünschen, persönliche Werte, zukünftige Weltanschauung, Sorgen, Lebensstile, Konsumverhalten. Auch für 2022 wurde eine Studie angefertigt.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • 74 Prozent der Deutschen machen sich Sorgen um das Thema Umweltverschmutzung.

  • 69 Prozent fürchten sich vor dem Klimawandel.

  • Über zwei Drittel der Befragten wünschen sich, dass Unternehmen umweltbewusst agieren (z. B. Nutzung umweltfreundliche Materialien für die Produktion von Waren).

  • Vor allem bei jüngeren Generationen („Glamour Green“) steht Nachhaltigkeit im Fokus: Das Thema wird mit Lebensfreude und Status verbunden.

  • Im Bereich der Fast Moving Consumer Goods wird die Nachfrage nach Nachhaltigkeit ebenfalls deutlich: Fleisch- und Käseersatzprodukte konnten ein Umsatzplus von 44 Prozent erzielen, bei pflanzlichen Milchersatzprodukten waren es 36 Prozent.

  • Das Umsatzplus für Lebensmittel in Bioqualität beträgt 14 Prozent.

  • Bei nachhaltigen Produkten können vor allem Produkte punkten, die ein Zusammenspiel aus sozialer und ökologischer Verantwortung sowie Lebensfreude verkörpern.

  • Im Bereich der technischen Konsumgüterhaben nachhaltige Produkte ebenfalls gute Wachstumschancen (Energieeffizienz wird z. B. bei der Wahl von Haushaltsgroßgeräten immer wichtiger).

  • In der Pandemie erreichte der Online-Handel ein Wachstum von 56 Prozent.

Die Corona-Pandemie zeigte aber auch, dass Waren aufgrund von Lieferengpässen fehlen können – viele Unternehmen kamen nicht an Material. Die Folgen der „Mangelwirtschaft“, für die auch die DDR ein Beispiel ist, waren gravierend. Die Erwartungshaltung der Überflussgesellschaft, dass alles einfach da sein müsse, wurde enttäuscht. Das führte allerdings auch dazu, dass alte Konsumgewohnheiten immer mehr infrage gestellt wurden. Nischen-Akteure wie Öko-Pioniere, darunter die memo AG in Greußenheim, profitierten plötzlich von dieser Entwicklung, die dem Immer-Mehr, Immer-Schneller und der Überschreitung der ökologischen Grenzen zahlreiche Möglichkeiten sinnvollen Tuns entgegengesetzt.

Der Mensch und seine Dinge

Frank Trentmann: Herrschaft der Dinge. Die Geschichte des Konsums vom 15. Jahrhundert bis heute. Aus dem englischen von Klaus-Dieter Schmidt und Stephan Gebauer-Lippert. DVA, München 2017.

Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Von Lebensdingen: Eine verantwortungsvolle Auswahl. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Nachhaltigkeit begreifen: Was wir gegen die dummen Dinge im Zeitalter der Digitalisierung tun können. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin 2021.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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