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Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Was sich durch die Corona-Krise geändert hat

In der Pandemie waren plötzlich flexiblere Tages- und Wochenarbeitszeiten sowie Homeoffice und innovative Schichtmodelle möglich. Das hat eine neue Dynamik beim Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Gang gesetzt.

Das belegt die kürzlich veröffentlichte Prognos-Studie „Neue Chancen für Vereinbarkeit! Wie Unternehmen und Familien der Corona-Krise erfolgreich begegnen“ für das Bundesfamilienministerium. Befragt wurden 750 Personalverantwortliche beziehungsweise Geschäftsführungen von Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern in Deutschland. Ergänzend befragte das Allensbach-Institut demnach 1493 Väter und Mütter mit Kindern unter 15 Jahren.

  • In jedem zweiten von 750 befragten Unternehmen wurden familienbewusste Maßnahmen neu eingeführt oder erweitert.

  • 82 Prozent der Unternehmen gaben an, dass Kinderbetreuung ein zentraler Faktor für die Produktivität ihres Unternehmens sei.

  • Von den befragten Eltern sagten drei Viertel, dass ihnen nach einem Gespräch mit ihrem Arbeitgeber wirklich geholfen wurde.

  • Ein großer Teil der Väter hat mit den Arbeitgebern vereinbart, dass sie ihre Arbeitszeiten oder ihren Arbeitsort verändern, um sich um die Kinder kümmern zu können.

  • Die Mehrheit der Unternehmen unterstützt auch in der Krise eine aktive Vaterschaft.

  • In den Unternehmen entstand eine aktivere Kommunikationskultur.

  • Über das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in Unternehmen nun häufiger gesprochen.

Dass Unternehmen mit einer familienorientierten Unternehmenskultur besser für die Herausforderungen der Corona-Krise und für die Zukunft gewappnet sind, zeigen Beispiele aus der Praxis.

Konstanze Sterzel arbeitet als Art Director bei einem Familenbetrieb in Teilzeit - und das bereits seit Beginn ihrer Beschäftigung. Die Mutter zweier Kinder sprach das Thema schon beim Vorstellungsgespräch an. Für den Geschäftsführer war das kein Problem, denn er hat selbst Familie und ist sich der Herausforderungen bewusst. Seine Einstellung zeigt sich auch in seinem Leitsatz „Schaffe! Net schwätze“, der dem Unternehmer Reinhold Würth entlehnt ist. Es wird nicht von „arbeiten“, sondern von „schaffen“ gesprochen, das in der deutschen Hochsprache eine andere Bedeutung als „arbeiten“. Es hat einen eher neutralen Charakter – „schaffen“ ist dagegen positiv besetzt, weil dahinter die Idee eines „schöpferischen Prozesses“ steht. Jeder kann sich im Unternehmen gleichermaßen einbringen – ob Jung oder Alt, Vollzeit oder Teilzeit. Selbstverantwortung, Fairness und Wertschätzung sind hier die Grundlagen wirksamer Entscheidungen und Handlungen.

Die nachhaltige Unternehmenskultur kann natürlich über einen „normalen“ Tag bei Konstanze Sterzel nicht hinwegtäuschen: „Um 6 Uhr heißt es aufstehen, die Kinder fertig machen und in den Kindergarten und in die Schule bringen. Dann fahre ich in die Arbeit und starte nach 30-minütiger Autofahrt um 9 Uhr. Ich sitze dann bis 15 Uhr im Büro, das jeweils von Montag bis Freitag. Danach geht mein Tag als Mutter weiter.“ Die Betreuungszeit im Kindergarten ist so gelegt, dass sie das kleine Kind um 16 Uhr abholen kann (die Große ist schon sehr selbstständig).

Später möchte sie gern wieder in Vollzeit arbeiten, weil ihr ihre Arbeit viel Freude macht. Es würde ihr gefallen, wenn sie an einem der fünf Arbeitstage im Homeoffice arbeiten könnte, um sich wenigstens einmal wöchentlich die Fahrtzeit zu sparen. In Corona-Zeiten erhielten die Mitarbeiter die Möglichkeit zum Homeoffice oder zur Kurzarbeit.

Die besten Lösungen werden jetzt und künftig wohl Mischformen sein, die sich flexibel an den individuellen Bedarf der jeweiligen Teams anpassen lassen.

Weiterführende Literatur:

Werner Neumüller: Ehrlich weiter: Auf der Suche nach den Menschen. In: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018, S. 145-158.

Werner Neumüller: Gutes Klima: Warum Unternehmen einen Kompetenzmix aller Generationen brauchen. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. SpringerGabler Verlag. Heidelberg, Berlin 2020.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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