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Verkehrswende: Warum Lastenräder eine eigene Infrastruktur brauchen

Vor allem in Großstädten hat das Lastenrad die Chance, der „Firmenwagen 2.0“ zu werden, schrieb mir kürzlich ein Blogleser. „Wenn die private Nutzung der Arbeitslastenräder von der Organisation aktiv gefördert wird, bleiben die Bikes sicher auch in top Zustand.“ Die Vorteile liegen buchstäblich auf der Straße. Vor allem in Ballungsgebieten entwickelt sich Lastenräder zu einer kostengünstigen und sauberen Alternative zum Auto: Die praktischen Zwei- bzw. Dreiräder sind sicher, unkompliziert und schnell:

  • Speziell elektrisch unterstützte Cargo-Bikes können in vielen Fällen Dieseltransporter und andere Lieferfahrzeuge ersetzen.

  • Der urbane Transport kann deutlich beschleunigt werden.

  • Lärm, Verkehrsdruck und Abgase werden deutlich reduziert.

  • Verzögerungen durch Staus werden vermieden, und die Parkplatzsuche inklusive Kosten entfallen.

  • Kosten für die PKW-Versicherung, Steuern und das Tanken entfallen.

  • Leider hinkt die Infrastruktur in Deutschland noch weit hinterher.

Problematisch ist beispielsweise die Schaffung genügender Abstellmöglichkeiten in den Kernstädten, denn ein Lastenrad benötigt Platz für zwei bis drei Fahrräder. Die für Logistik und Transport wichtigen Schwerlasträder sind breiter als normale Fahrräder. Auch Radwege, die gut mit Lastenrädern befahren werden können und dabei einen sicheren Abstand zum Pkw-Verkehr gewährleisten, müssen breiter sein. Ein Zusammenschluss von Unternehmen aus der Lastenrad-Branche, darunter GreenPack, Swobbee, ONO, BAYK, Radkutsche, SaR Radlogistik, Carla Cargo, hat schon vor einiger Zeit gemeinsam mit dem Radlogistikverband Deutschland einen Offenen Brief an den Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB), den Deutschen Städtetag, das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sowie die verkehrspolitischen Sprecher:innen der im Bundestag vertretenen Parteien geschrieben. Gefordert wurde darin die Stärkung von Cargobikes als nachhaltige Mobilitätsalternative sowie der Ausbau einer geeigneten Infrastruktur, die Handlungsbedarf in diesen Bereichen erfordert:

  • Ausbau des Radwegenetzes und Einrichtung von Rad-Schnellstraßen

  • Abbau von Hürden für die Errichtung von Ladestationen für E-Cargobikes im öffentlichen Raum

  • Adäquate Ladeinfrastruktur (ein öffentliches Netz aus Akku-Wechselstationen)

  • Bauliche Veränderungen für eine dauerhafte Integration in bestehende Verkehrssysteme

  • Schaffung eines Rechtsrahmens, der die aktuelle und künftige Bedeutung von Lastenrädern berücksichtigt und die Bedingungen E-Cargobikes verbessert

  • Berücksichtigung der höheren Kosten für Schwerlastenräder mit höheren Förderbeträgen

  • Ausbau und Förderung von Lastenrad-basierten Logistikkonzepten.

Ein wesentlicher Treiber dafür ist der Online-Handel. Die richtige Verzahnung sämtlicher Nachhaltigkeitsaspekte ist derzeit noch im Kleinen zu finden, beispielsweise bei Öko-Pionieren, die aus ihrer Nische heraus agieren und Ermöglicher einer nachhaltigen Mobilitätswende sind: Da ein wesentlicher Teil der Kund:innen der memo AG in Großstädten angesiedelt ist, arbeitet der Öko-Versender mit Radlogistik-Unternehmen zusammen. Anstatt konventioneller Zustellfahrzeuge setzen sie Elektro-Lastenräder ein, die durch 100 % Ökostrom komplett emissionsfrei unterwegs sind. Mit einem Pilotpartner wurden die ersten Pakete innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings bereits im September 2016 zugestellt. Nach den dauerhaft positiven Erfahrungen in Berlin konnten inzwischen in insgesamt zwölf deutschen Städten geeignete Partnerunternehmen gefunden werden. Die Anbindung weiterer Städte ist mittelfristig geplant. „Seit 2016 konnten wir insgesamt eine Steigerung der Zustellungen mit Elektrolastenrädern um knapp 18 % verzeichnen.

Die meisten Radlogistik-Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten bzw. eine Zusammenarbeit planen, sind Startups oder sehr junge Unternehmen. Neben den zusätzlichen Versandkosten, die wir bisher nicht an unsere Kund:innen weitergeben, besteht die große Herausforderung darin, den kompletten Versandprozess mit den erforderlichen Schnittstellen zur Übermittlung der Versandinformationen und Kundenbenachrichtigungen organisatorisch und technisch abzuwickeln“, heißt es im memo Nachhaltigkeitsbericht.

Da einigen der Unternehmen vor allem in der Anfangsphase die finanziellen Ressourcen für die erforderliche Infrastruktur fehlen, werden einige der Partner:innen auch bei der Anschaffung geeigneter Lastenfahrräder unterstützt. „Bis heute haben wir bereits sechs Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Trotz aller Herausforderungen, setzen wir aus Überzeugung den Weg der Radlogistik konsequent fort“, sagt Claudia Silber, Leiterin der Unternehmenskommunikation bei memo. Da Würzburg die „Heimatstadt“ des Unternehmens ist, erfolgt auch hier die Belieferung mit dem Lastenrad. Die Pakete werden aus dem eigenen Lager in Greußenheim mit dem firmeneigenen Elektrofahrzeug nach Würzburg zu den Partner:innen transportiert, d h. der komplette Warenversand 100 % emissionsfrei.

Seit April 2019 wird in Würzburg mit zwei Dienstleistern, dem Berufsbildungswerk Caritas Don Bosco gGmbH und Radboten GbR zusammengearbeitet. Bisher werden die doppelten Versandkosten für Paketdienstleister und Radlogistiker nicht an die Kundschaft weitergegeben. Auch die Anschaffungskosten für eigene Elektrolastenräder trägt das Unternehmen selbst. Es hat erkannt, dass es als Versandhändler „Teil des Problems“ ist – deshalb wird in Eigeninitiative gehandelt. Bei allen Vorteilen, die eine nachhaltige Radlogistik mit sich bringt, gibt es dennoch einen Wermutstropfen, denn sie ist etwas teurer als die konventionelle Auslieferung per Paketdienst. Im Sinne der eigenen Verantwortung werden die höheren Kosten allerdings in Kauf genommen und nicht an die Kundschaft weitergegeben.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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