Verkehrswende: Was verbirgt sich hinter der Vision einer „Autokorrektur“?
„Ein entwickeltes Land ist kein Ort, an dem die Armen Autos haben. Es ist der Ort, an dem die Reichen die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen.“ (Enrique Peñalosa, Bürgermeister von Bogotá)
Städte müssen ihre CO2-Emissionen reduzieren und gleichzeitig widerstandsfähiger werden, um den extremen klimatischen Bedingungen besser gewachsen zu sein. Diese Herausforderungen lassen sich nur mit einer konsequenten Reduzierung des Autoverkehrs meistern (der motorisierte Verkehr ist der drittgrößte Verursacher von CO2-Emissionen in Deutschland). Früher war das Auto als Status- und Erfolgssymbol ein konkurrenzloses Objekt der Begierde. Auch der Führerschein galt als Initiationsritus vieler Generationen. Das hat sich inzwischen geändert – vielen ist eine BahnCard 100 heute sogar wichtiger als ein Dienstwagen.
Die Mobilitätsexpertin, Podcasterin und Autorin Katja Diehl führte in ihrem Buch „Autokorrektur“ über 40 Interviews mit Menschen über ihre individuelle Mobilität und fragte: „Willst du oder musst du Auto fahren?“ Befragt wurden aber auch Menschen, die nicht Auto fahren können oder wollen. Das Ergebnis: Viele würden sofort auf ein eigenes Auto verzichten, wenn sie ihre Mobilität frei gestalten könnten. Mehr als 50 Prozent der Befragten hätten sich für die BahnCard100 entschieden. Der größte Hinderungsgrund am Kauf war allerdings Preis. Die Gruppe derer, die nicht auf das Auto angewiesen sein wollen, ist nach Ansicht von Katja Diehl enorm, aber sehr heterogen, weshalb sie nicht als „großes Ganzes“ wahrgenommen wird. Hinzu kommt, dass das Auto - vor allem im ländlichen Raum – häufig noch vorausgesetzt wird. Die Gründe sind historisch bedingt: In der Nachkriegszeit geriet Deutschland in einen Rausch des Umbruchs, des Wirtschaftserfolges und der gesteigerten Mobilität. Nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer wurden an den Rand gedrängt. „Die automobile Prägung von Stadt und Land wurde zur neuen Normalität.“
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Warum kennen Angebote wie Google Maps nicht den sichersten Weg?
Die Vision ihrer #Autokorrektur beginnt auch beim Fußverkehr und orientiert sich nicht nur am Klimaschutz, sondern auch an der Stadtplanung, an den Kosten, an der Gesundheit, an der Lärmbelästigung, am Feinstaub, am Flächenverbrauch und an einer Vorstellung vom guten Leben, in der wieder der Mensch im Mittelpunkt steht. Erst dann ist es möglich, die Verkehrswende nachhaltig voranzubringen, „damit eine Mobilität entsteht, die wahlfrei, barrierefrei, inklusiv und klimaschonend ist.“ Dabei sollten Fahrräder und Fußgänger die gleichen Rechte wie Autos erhalten.
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Katja Diehl: Autokorrektur - Mobilität für eine lebenswerte Welt. S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2022.