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Vielfalt und Humanismus: Was uns hilft, Krisen besser zu meistern

Die Herausforderungen der aktuellen Krisen zeigen, wie wichtig es ist, verstärkt in den Ausbau resilienter Systeme zu investieren, um auch für künftige Herausforderungen besser gerüstet zu sein. „Resilient können sie aber nur sein, wenn auch Vielfalt und Veränderungen zugelassen werden“, sagt der Personalexperte und Geschäftsführer der GmbHs der Neumüller Unternehmensgruppe, die 2014 die „Charta der Vielfalt“ der Bundesregierung unterzeichnete.

Doch je durchlässiger und diverser die Welt darum herum wird, desto mehr zerbröselt die Macht. Schon Charles Darwin bemerkte: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert.“ Die Agrarwissenschaftlerin, Geographin und Bodenexpertin Dr. Andrea Beste verweist ebenfalls darauf, dass Verdichtung durch zu wenig Vielfalt und durch zu wenig Leben entsteht: „Wenn man den Acker falsch dünkt oder zu wenige verschiedene Pflanzen anbaut, haben die Bodenlebewesen nichts mehr zu tun und vor allem nichts mehr zu fressen, sie sterben einfach. Das tun sie auch, wenn Boden verdichtet.“ Monokulturen sind dauerhaft nicht überlebensfähig – das gilt gleichermaßen für Natur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Entscheidungen für Einzelmaßnahmen basieren hier nicht auf den Wünschen einzelner Personen, sondern sie sind in die strategische Entwicklung eingebunden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Nachhaltigkeit fest ins strategische Zielsystem integriert wird. Von 2010 bis 2013 gab es beim DFB beispielsweise eine Kommission Nachhaltigkeit, die allerdings keine wirksame Kraft hatte, weil die strukturelle Verankerung des Gesamtthemas fehlte und unter Nachhaltigkeit nur soziales und ökologisches Engagement verstanden wurde. Die Relevanz des Themas als Führungs- und Managementaufgabe wurde nicht erkannt bzw. erhört.

Dabei liefert es handfeste Instrumente, die auch darin unterstützen können, mit Krisensituationen besser umzugehen, indem unklare Zuständigkeiten und Versickerungseffekte in der Hierarchie durch professionelle Strukturen und Regeln aufgelöst werden. Es gibt dazu keine Alternative, um heute gleichzeitig Kontinuität und Flexibilität zu garantieren, weil Organisationen sonst nicht überlebensfähig sind. Mit dem Schmusekurs alter Männerbündnisse können heute keine nachhaltigen Veränderungen herbeigeführt werden. Oft wird bei solchen Bündnissen übersehen, wie wichtig es ist, auch auf richtige Strategien und Managementinstrumente zu setzen. Ein amateurhafter Umgang damit würde das System immer weiter schädigen.

Unverzichtbar ist auch die Stärkung und Befähigung der Mitarbeitenden - durch die Aktivierung der jedem Menschen innewohnenden persönlichen Veränderungskompetenz sowie die Ermutigung selbstverantwortlichen Handelns im Veränderungsprozess selbst. Allen sollte Wertschätzung entgegengebracht werden, damit ehrliche Kommunikation stattfinden kann. Wenn sie allerdings nur ein „Medium der Bewahrung“ des Alten ist, hat sie keinen Wert. Gerade wenn Meinungen unterschiedlich sind, hilft ehrlich gemeinte Wertschätzung, „weil sie dazu auffordert hinzuhören, Neues gelten zu lassen, Standpunkte aufzubauen, um dann gemeinsam ein lösungs- und handlungsorientiertestes Vorgehen für anstehende Entscheidungen zu finden“, so Werner Neumüller. Nur wer den Wert seines Gegenübers erkennt, wird die Erfahrung machen, dass sich dieser Mensch öffnet. Konflikte entstehen meistens dadurch, dass sich Unternehmen zu wenig auf die Besonderheiten der Generationen einstellen. In seiner Unternehmensgruppe - dessen Kerngeschäft die Rekrutierungsunterstützung über die Personaldienstleistung vor allem im akademischen Umfeld bezüglich Ingenieurqualifikationen und in Bezug auf Fachpflegepersonal ist – wird deshalb vor allem auf einen Kompetenzmix jüngerer und älterer Mitarbeiter gesetzt. Dadurch können sich unterschiedliche Stärken entfalten und ergänzen. „All dies führt zu einem gestärkten Miteinander, zu mehr gegenseitigem Respekt, Hilfsbereitschaft, Verbundenheit sowie einer höheren Teamorientierung und Flexibilität.“

Um die zukünftigen Herausforderungen noch besser zu bewältigen, muss noch dynamischer über optimierte Aus- und Fortbildungsinhalte diskutiert werden, so Neumüller. Zu fachlichen Qualifikationen müssen auch persönliche und zwischenmenschliche Fähigkeiten vermittelt werden – dabei sollte es auch um die Bedeutung des inneren Wachstums und Empowerment („Ermächtigung, Bevollmächtigung, Übertragung von Verantwortung“) gehen. Es verschafft Zugänge zu den eigenen Ressourcen, zu ungenutzten psychologischen Fähigkeiten und Handlungsweisen und wird auch in der Wirtschaft als wirksames Konzept in Management und Führung genutzt. Dazu gehören beispielsweise selbst- und gruppenbezogene Aktivitäten, Selbstwahrnehmung, Selbstkompetenz, Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und die Förderung selbstbestimmter und gleichberechtigter Teilhabe. Dabei geht es auch um Partizipation ohne Ausgrenzung.

Der Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. (BVkE) ist das Netzwerk katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe auf Bundesebene. Dazu zählen bundesweit rund 470 Einrichtungen und Dienste, die beratende, ambulante und (teil-)stationäre Hilfen zur Erziehung für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien anbieten. Außerdem stellen sie vielfältige niederschwellige sozialräumliche Unterstützungsangebote und differenzierte Angebote im Bereich der Jugendsozialarbeit bereit. Die verschiedenen Einrichtungen und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe bilden eine wichtige Infrastruktur für das Aufwachsen junger Menschen, die in der Phase des Übergangs von der Schule in eine Ausbildung und Beruf besonders unter Druck stehen. Die Kinder- und Jugendhilfe ist schon seit langem auf dem Weg zur Inklusion, prallte aber auch oft an deren Systemgrenzen ab. Im Bereich Diversity zeigt sich ein ähnliches Bild in deutschen Unternehmen. Trotz wachsender Aufmerksamkeit für das Thema gelingt das Vorankommen nur in kleinen Schritten - so die Einschätzung, die der German Diversity Monitor 2021 vorgenommen hat und deshalb von einem Diversitäts-Stillstand in der deutschen Wirtschaft spricht. Über 50 Prozent der untersuchten Unternehmen hätten kein systematisches Datenmanagement für Diversität und damit auch keine Transparenz.

Durch die Öffnung des achten Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) entstehen zumindest im sozialen Bereich neue Entwicklungsräume, die es ermöglichen, Barrieren für gemeinsame Bildung, Erziehung und Betreuung aller Kinder zu erkennen und abzubauen. Die Institution lebt davon, dass sie erwachsene Menschen findet, die für die Sache der Kinder- und Jugendlichen brennen und das ausmachen, was Dr. Klaus Esser, Vorsitzender des Bundesverbandes Caritas Kinder- und Jugendhilfe (BVkE), in einem Interview beschrieb. Auch hier kommt es darauf an, sich gegenseitig Kompetenzen zu vermitteln und in multiprofessionellen Teams zusammenzuarbeiten. Leider werden die Leistungen und die gesellschaftliche Bedeutung solcher Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe von der Öffentlichkeit und Politik nur unzureichend wahrgenommen. Dabei gibt es vieles, das sie mit Unternehmen verbindet, wie sich an den großen Themen Vielfalt und Nachhaltigkeit zeigt. Im Kleinen geht es in allen Bereichen darum, das eigene Leben als eine zu gestaltende Aufgabe anzunehmen und es mit Sinn zu erfüllen. Dabei kann die Beschäftigung mit dem Humanismus (vom lateinischen Begriff der "Humanitas": Menschlichkeit), der im 14. und 15. Jahrhundert seine Blütezeit hatte, wegweisend sein, denn Würde und Bildung, die freie Entfaltung des Menschen mit seinen Gaben und geistigen Fähigkeiten, standen im Mittelpunkt. Der Humanist Erasmus von Rotterdam (1466–1536) suchte einen harmonischen Ausgleich von Antike und Christentum in einem christlichen Humanismus. Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig, der sich 1942, bestürzt über die Vorgänge in Europa, zusammen mit seiner zweiten Frau Lotte in Brasilien das Leben nahm, beschäftigte sich in seinen späten Essays auch mit Erasmus von Rotterdam.

  • Sie förderten nicht das Trennende, sondern das BINDENDE.

  • Sie unterwarfen sich keiner „DENKEINSEITIGKEIT“.

  • Sie wollten Widerstreitendes vereinen und GEGENSÄTZE auflösen.

  • Sie beherrschten die LEBENSKUNST, ihr Leben frei und unabhängig zu gestalten.

  • Ihre LIEBE galt dem Wissen, der Kultur und der Bildung.

  • Sie haben Wege ins NEUE gewiesen.

  • Ihre NEUGIER umfasste alle Sphären der Welt.

  • Sie vereinten in sich alle Formen des SCHÖPFERISCHEN.

  • Sie waren VERSTÄNDLICHMACHER.

  • Als Vielwissende liebten sie die Welt gerade um ihrer VIELFALT willen.

  • Resilienz und Nachhaltigkeit: Was uns stark macht

  • Werner Neumüller: Gutes Klima: Warum Unternehmen einen Kompetenzmix aller Generationen brauchen. In: Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Heidelberg, Berlin 2020.

  • Dirk Steffens: Projekt Zukunft. Große Fragen, kluge Köpfe, Ideen für ein besseres Morgen. Penguin Verlag, München 2022.

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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