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Neumüller Unternehmen

Visionäre von heute - Gestalter von morgen

Am Anfang ist immer ein Traum

Jede Veränderung beginnt mit einer klaren Vision, einem Durchblick zu einem möglichen Sinn und einer Ent-Scheidung zu handeln. Der Begriff „providentia“ sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, denn er benennt die Handlung und die Fähigkeit, sich in die Zukunft hineinzudenken. Voraussicht führt zum Vorherwissen der Dinge: „Das Vorausgesehene, das dem Gewollten entspricht, bedarf der Sorge, dass es auch eintritt, also der Vorsorge. Diese bedingt wiederum ein dem angestrebten Ziel angemessenes Handeln (actio) in jedem gegebenen Moment.“ (Ulrich Grober)

Am Anfang ist immer der Traum, für Karl Lagerfeld „die idealisierte Version einer nicht einfach zu realisierenden Realität“. Er lebte stets danach, seinen Träumen so nahe wie möglich zu sein: „Ich stehe zwar mit beiden Beinen auf der Erde, bin aber gleichzeitig - wie es in dem Rückert-Lied von Gustav Mahler heißt - der Welt abhanden gekommen.“ Das meint auch der Chemiker und Verfahrenstechniker Michael Braungart, wenn er sagt: „Träume, was du willst, um die Zahlen kümmere dich später.“ Wer sich nur an Zahlen orientiert, schränkt sein Sichtfeld ein und richtet seinen Blick nicht mehr auf die Möglichkeiten und Chancen, sondern nur auf „den Acker der Realitäten vor seinen Füßen, den er umzupflügen hat“. Dadurch wird auch das eigene Handeln auf ein Ziel hin eingeschränkt.

Aber neue Märkte entstehen nur durch einen geschulten Chancenblick und geniale Einfälle kreativer Menschen, die oft nicht nur eine charismatische Persönlichkeit haben, sondern auch besonders wortstark sind und den Mut haben, Dinge einfach auszudrücken. Arrogante Intellektualität ist ihnen fremd. Das, was wesentlich und machbar ist, braucht keine komplizierte Gebildetensprache. Vor dem Wort kommt für sie immer die Tat. Richard Branson steht stellvertretend für viele von ihnen: „Wenn mir jemand sagt, das geht nicht oder so geht’s nicht, dann werde ich alles daransetzen, diese Meinung zu widerlegen. Schließlich basiert meine Geschäftsphilosophie schon lange auf dem Motto: ‚Ist doch ganz egal, tun wir’s einfach!‘“. Dabei werden sie geleitet von Neugier, Entschlossenheit und Zielstrebigkeit, aber auch von einer positiven Grundeinstellung.

Visionäre wie Richard Branson oder Steve Jobs zeichnen sich zudem durch einen ausgeprägten Möglichkeitssinn mit einem unbegrenzten Raum alternativer Denk- und Handlungsweisen aus. Mit ihm verbunden ist auch das formlose Leben des essayistischen Menschen, den Robert Musil in seinem Fragment gebliebenen Werk „Der Mann ohne Eigenschaften“, an dem er von 1921 bis zu seinem Tod 1942 arbeitete, beschrieben hat: Ulrich, die Hauptfigur des Romans, ist ein junger Mathematiker und Wissenschaftler, der mit einem Möglichkeitssinn ausgestattet ist und beschließt, „essayistisch“ zu leben. Es erfordert eine „paradoxe Mischung aus Genauigkeit und Unbestimmtheit“ - ein Beginn auf etwas hin, ohne genau zu wissen, worauf es am Ende hinausläuft.

Für den Sozialpsychologen Harald Welzer ist eine exakte Wirklichkeitstüchtigkeit mit der Neugier darauf verbunden, was wohl aus dem werden mag, was man denkend und handelnd beginnt. Es geht um eine Art „Schubs“ in die Richtung, „die man für vielversprechend hält. Und dann schauen, was herauskommt.“ Der Mensch mit dem Möglichkeitssinn erweist sich am Ende als viel nachhaltiger als der mit dem Wirklichkeitssinn. Er lässt sich gleichermaßen von seinem inneren Willen und von der Welt führen - "mit einer Neigung zu allem, was ihn innerlich mehrt“.

Wer Möglichkeits- und Wirklichkeitssinn in sich vereinen kann, sieht die Erscheinung der Dinge in ihren Zusammenhängen und wirkt im Geiste des deutschen Universalgelehrten Alexander von Humboldt (1769-1859), dem bekanntesten Vorreiter des modernen vernetzten Denkens. In ihm sammelte sich alles, was später auseinander fiel: die Disziplinen Mineralogie, Botanik, Zoologie, Geschichte und die Genres Statistik, Erdvermessung, Landesaufnahme und Landschaftsbeschreibung. Er bestieg den Chimbarozo und faszinierte den Berliner Wissenschaftsbetrieb mit seinen Vorlesungen über den Aufbau des Firmaments oder den Streit um die Erdwärme. Dabei illustrierte er seine Vorträge mit eigenen Erfahrungen. Humboldt war Wissenschaftler und Unternehmer in einer Person.

Heute wäre er ein Entrepreneur, der nicht den üblichen Karrierepfad beschritten und keine Risiken gescheut hätte. „Vorzeige-Deutscher“ und „Mutmacher-Deutsche“ nannte ihn einst „DER SPIEGEL“, denn er verkörperte eine Haltung wie sie auch Visionäre von heute haben. Was von ihm bleibt ist die Erkenntnis, dass es sich lohnt, einen Traum zu haben, „wie auch immer er aussehen mag“ und ihn mit Zähigkeit zu verfolgen, „ein Leben lang und selbst dann noch, wenn es letztlich in den finanziellen Ruin führt.“ Alle guten Unternehmer haben das Scheitern niemals gefürchtet, gingen Risiken ein und hatten die Demut zu erkennen, warum sie gescheitert sind. Auch das gehört zur Nachhaltigkeitsdiskussion, weil sie dadurch wird, was sie sein sollte: persönlich und schwer zu kopieren.

Wir machen die Welt neu!

Das Neue entsteht immer dann, wenn es eine Offenheit gegenüber dem Möglichen gibt, das bereits im Wirklichen verankert ist. Dieser Thematik widmet sich der Sammelband „Visionäre von heute – Gestalter von morgen“. Hier steht nicht im Fokus, wer oder was Menschen sind, vielmehr geht es darum, was sie aus sich (selbst) und ihrem Leben machen. Dabei steht nicht das Sein im Vordergrund, sondern das Können. Das Buch entstand unter dem Vorsatz, die Perspektive möglichst breit zu ziehen und biografische Ansätze, Ideen und Thesen aus den interdisziplinären Bereichen zusammenzubringen. Dabei geht es nicht um eine Ansammlung von Fakten, sondern um Lebenserzählungen und Handlungsmotiven von Menschen in einer stetig sich wandelnden Welt, in der Wissen allein die Zukunft nicht sichern kann. Wir leben in einer Zeit, in der sich alte Gewissheiten wie finanzielle und körperliche Sicherheit, Geschlechterrollen, soziale Schichten, religiöse Bindungen, nationale Grenzen auflösen oder aufzulösen scheinen. Neue Leitlinien und Identitäten sind bestenfalls verschwommen in Sicht. Gerade in Zeiten der Unsicherheit braucht es deshalb Können, um mit neuen Problemen umzugehen.

Vorgestellt werden Menschen, die neben ihrer Neigung zu handeln auch bereit sind, zu geben und zu teilen. Zu den Autorinnen und Autoren gehören Felicitas Birkner, Wolfgang Grupp, Karin Helle, Horst Herberg, Alexandra Hildebrandt, Manja Hies, Tatjana Kiel, Wolfgang Köbler, Dagmar Fritz-Kramer, Olaf Krebs, Matthias Krieger, Tobias Loitsch, Fredmund Malik, Reiner Meutsch, Tina Müller, Werner Neumüller, Claus-Peter Niem, Tim Polifke, Ina Schmidt, Jonathan Sierck, Nicole Simon, Alexander Stoeckel, Thi Loan Strasser, Marion Weissenberger-Eibl, Philipp von der Wippel und Tobias Wrzesinski.

Jede/r von ihnen hat auf seine Weise eine Vision in die Welt gebracht, Resonanz geschaffen und etwas bewegt. Alle vereinen den Träumer, Realisten und Kritiker in sich. Sie schaffen (ihre) Zukunft, indem sie Träume entwickeln und sie dann mit kritischem Blick in Realität umwandeln. Der von Walt Disney geprägte Begriff Imagineering steht für ihre Koordination. Aber auch Neugier gehört zu ihren wichtigsten Eigenschaften. Sie brauchen sie, um auf Änderungen in ihrem Umfeld zu reagieren und zu lernen. Ohne neugierige Fragen und Erkenntnisdrang, ohne Versuch und Irrtum könnten sie ihren Weg zu mehr Erkenntnis nicht gehen.

Voraussetzung für erfolgreiche und nachhaltig ausgerichtete Unternehmen sind das gelebte Widerspiegeln der Vision, der Unternehmenswerte sowie der strategischen Zielsetzung im täglichen Tun und Handeln. Von besonderer Bedeutung sind hier nicht nur die Führungskräfte, sondern die gezielte Einbindung im Rahmen eines kontrollierten Employer Branding. Nur wenn Corporate Social Responsibility (CSR) als Unternehmensstrategie auch mittels Markenführung im Bewusstsein der Mitarbeiter verankert wird, ist es als strategische Ausrichtung ein konkreter Wettbewerbsvorteil. Wolfgang Köbler, Partner und Vorstand der KSW Vermögensverwaltung AG in Nürnberg, beschäftigt sich vor diesem Hintergrund in seinem Beitrag mit Unternehmensethik in der Vermögensverwaltung: „Unsere Mitarbeiter verkörpern Werte, die in der Branche in dieser Form selten zu finden sind. Sie empfinden diese Werte nicht als Schranken, sondern als eine ethische Basis für den Umgang mit Mandanten. Wir sind stolz darauf, dass unsere Werte nicht etwas sind, das allein in schicken Marketingbroschüren und auf unserer Webseite propagiert wird, sondern dass sie tatsächlich von unserem Team gelebt werden. Denn wir sind überzeugt davon, dass Imagewerbung nur funktioniert, wenn sie den tatsächlichen Gegebenheiten im Unternehmen entspricht. Für unsere Kunden müssen die von uns gelebten Werte als Realität spürbar sein. Dann fühlen sie sich bei uns rundum gut aufgehoben.“

Literatur:

Visionäre von heute – Gestalter von morgen - 2018 Inspirationen und Impulse für Unternehmer. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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