Wann brauchen Young Professionals und junge Führungskräfte ein Coaching?
Young Professionals und junge Führungskräfte sind gut ausgebildet und stark engagiert. Trotzdem geraten sie ohne die richtige Unterstützung an persönliche Grenzen. Den meisten jungen Talenten fehlt jedoch die Erfahrung, um zu erkennen, dass sie sich am Limit bewegen und Unterstützung brauchen. Hinzu kommt, das Unterstützungsangebote häufig aus einem Schamgefühl heraus abgelehnt werden.
Lässt man die "jungen Wilden" in dieser Phase allein, kann die Überforderung der jungen Talente schnell ernste Folgen haben. Die betroffenen Mitarbeiter/innen befinden sich in einer Abwärtsspirale, die im schlimmsten Fall sogar gesundheitliche Konsequenzen haben kann. Alternativ ziehen die Betroffenen auch gerne die Reißleine und kündigen. Beide Optionen sollten Führungskräfte und Unternehmen unbedingt vermeiden.
Wie Sie schneller den Unterstützungsbedarf bei Ihren jungen Talenten erkennen und was Sie dann am besten tun können, erfahren Sie hier.
Coaching & Unterstützungsangebote offen & positiv kommunizieren
Bevor ich auf die Indikatoren für Unterstützung eingehe, gilt es im Unternehmen das Coaching aus der "Du hast ein ernstes Problem"-Ecke herauszuholen. Als Coach werde ich häufig von Führungskräften oder Personalabteilungen mit der Bitte angesprochen, beim Mitarbeiter für ein Coaching zu werben. Selbstverständlich erkläre ich gerne, dass ein Coaching keine Therapiesitzung ist. Dieses Verständnis sollte bereits im Unternehmen durch eine offene und positive Kommunikation erzeugt werden.
Ein weiterer Vorteil: Wenn alle Mitarbeiter das Instrument des Coachings als Entwicklungschance kennen und verstehen, verliert es sein negatives Image. Ist das Image des Coaching im Unternehmen mit einem Seminar vergleichbar, wird es viel einfacher akzeptiert werden.
Persönliche Entwicklung muss ganz normal werden
Ein weiteres systemisches Defizit vieler Unternehmen ist, dass die persönliche Entwicklung & Zufriedenheit der Mitarbeiter nur zu besonderen Anlässen, wie z.B. dem Mitarbeiterdialog (Jahresgespräch) zur Sprache kommt. Wenn Führungskräfte und Unternehmen die Verantwortung zur persönlichen Entwicklung nur bei den Mitarbeiter/innen sehen, ist es kein Wunder, dass diese niemals bei der Firma um Unterstützung bitten werden.
Wie es besser geht:
Führungskräfte als "Enabler" der persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter/innen verpflichten.
Sobald junge Talente verstehen, dass die eigene Führungskraft eine Mit-Verantwortung für eigene Entwicklung trägt, sinkt die Hürde, um Unterstützung zu bitten. Von den Führungskräften kann dieses Verständnis am besten so transportiert werden, dass in regelmäßigen Abständen ein Gespräch gesucht wird.
Den Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen
Anders als im "normalen" Mitarbeitergespräch spielen in diesem Gespräch Aufgaben, Kennzahlen und Ziele nur eine sekundäre Rolle. Diese Tatsache gilt es gleich zu Beginn des Gespräches anzusprechen.
"Es geht in diesem Gespräch um DICH, Deine Entwicklung und Zufriedenheit!"
Erfahrungsgemäß wirken diese einleitenden Worte stark beruhigend. Viele junge Talente verbinden das Gespräch mit ihrem Chef/in mit einem Reporting von Leistung und Performance. Als sehr guter Gesprächseinstieg hat sich danach die einfach aber wirkungsvolle Frage "Wie geht es dir aktuell?" bewährt.
Dran bleiben, auch bei Floskeln und Ausreden
Leider müssen Führungskräfte in der Startphase des Gespräches häufig die "Floskel-Barriere" durchbrechen. Zu einfach und schnell geht vielen Young Professionals die "Alles gut!" Antwort über die Lippen.
Mein Tipp: Höflich und wohlwollend dran bleiben. Es hilft, nach der Floskel-Aussage eine kurze Pause zu machen und erneut zu unterstreichen, dass man es doch etwas genauer wissen möchte. Was auch gut funktioniert: "Das freut mich! Erzähl doch mal..."
Junge Talente zur Selbstreflexion führen
Ist das Eis gebrochen, gilt es den Fokus auf die Selbstreflexion zu richten. Junge Talente müssen lernen, sich und ihre Entwicklung selbst wahrnehmen zu können. In der Praxis haben sich in diesem Schritt Skalierungsfragen bewährt. "Auf einer Skala von 1-10 (schlecht-gut), wie zufrieden bist du mit dir aktuell ganz allgemein?" Aber auch ohne Skalierung sind hier offene Fragen sehr hilfreich, um die Selbsteinschätzung in Gang zu bringen.
-Wie gerne / mit welchem Gefühl kommst du aktuell zur Arbeit?
-Wenn du etwas verändern könntest, was wäre es & warum?
Nach dem Einstieg über eine offene Frage / Skalierungsfrage muss dann natürlich auch hier wieder über die Hintergründe gesprochen werden. Eine "Ich bin aktuell bei einer 9!"-Aussage kann dann beispielsweise anerkennend-interessiert weiter beleuchtet werden. "Das ist ja schön! Erzähl mal, wie machst du das denn?"
Ab wann sollte ein Coaching angeboten werden?
Neben relativ eindeutigen Signalen, wie einer geringen Skalen-Auswahl, gibt es weitere Signale, die Führungskräfte erkennen müssen.
-Wenn Young Professionals sich wiederholt um diese Gespräche drücken.
-Wenn die Einschätzung im starken Widerspruch zur eigenen Beobachtung steht.
-Wenn im Gespräch kein klarer Fokus bzw. absolut keine Selbsteinschätzung möglich ist.
Fallen Führungskräften diese Signale auf, muss auch nicht sofort ein Coaching angeboten werden. Besser ist, die eigene Beobachtung zu schildern und zu fragen, welche Hilfe sich der/die Betroffene wünscht. Häufig können erste Verbesserungen schon durch ganz einfache Schritte, z.B. in der Kommunikation, erreicht werden. Spätestens wenn der/die Betroffene nicht klar beantworten kann, wie eine Unterstützung aussehen kann, ist ein Coaching ratsam.
Coaching, auch wenn wirklich alles gut ist?
Was viele Führungskräfte und Unternehmen vergessen:
Coachings sind nicht nur ein Mittel um Defizite auszugleichen!
Ganz im Gegenteil. Ein Coaching ist ebenso ein Mittel, um Talente zu entdecken, Energie zu fokussieren, neue kreative Wege zu entdecken, Innovationen zu starten und noch viel viel mehr. Besonders bei den Young Professionals im Unternehmen gilt es daher die Wachstumspotenziale im Gespräch zu adressieren.
In diesem Sinne sollte das Motto in den Köpfen der verantwortlichen Führungskräfte lauten: Nicht ab wann MUSS, sondern ab wann KANN ich Young Professionals ein Coaching anbieten?
Appell an Führungskräfte und Unternehmen
Liebe Führungskräfte und Unternehmen, auch wenn man den Eindruck haben könnte, das Young Professionals wahre Selbstläufer in der Persönlichkeitsentwicklung sind, ist dem noch lange nicht so. Auch die gut ausgebildeten und engagierten Mitarbeiter kommen an persönliche Grenzen. Gleichzeitig sind die jungen Fach- und Führungskräfte noch nicht lange genug im Job, um die Instrumente zu kennen, mit denen ein Unternehmen die persönliche Entwicklung wirkungsvoll unterstützen kann. Darüber hinaus sind die Wege, die zu diesen Unterstützungsangeboten führen, ebenfalls ziemlich intransparent.
Wer möchte, kann mit folgendem kleinen Praxistest ganz einfach prüfen, wie der Kenntnisstand zu diesem Thema bei Ihren Young Professionals ist. Fragen Sie doch einfach mal 5 Mitarbeiter/innen, welche Unterstützungsangebote sie kennen, wie man sie bekommt und wie sie dazu stehen.
Spätestens nach diesem Praxistest werden Sie wissen, wo sie als Unternehmen stehen und worauf Sie demnächst den Fokus legen können. Wenn Sie danach Fragen dazu haben, wie Sie Unterstützungsangebote (z.B. auch Online-Seminare) im Unternehmen etablieren können und was ein Coaching (mit mir) auszeichnet, sprechen Sie mich gerne an. Oder teilen Sie diesen Beitrag mit Kolleginnen und Kollegen, die Handlungsbedarf haben.
Ich freue mich von Ihnen zu hören! Ihr Henryk Lüderitz