Wann ist Führung unattraktiv geworden?
Eine Führungsrolle oder die Leitung eines Unternehmens zu übernehmen, so scheint es, ist für Millennials und Generation Z kein erstrebenswertes Ziel mehr. Wie kommt’s?
Ein Artikel der Süddeutschen Zeitung hat mich vor Kurzem zum Nachdenken gebracht. Er trug den Titel „Millennials wollen nicht mehr Chef oder Chefin sein.“ Ich habe mich gefragt: Ist das wirklich so oder ist es eine gefühlte Wahrheit? Ich bin zum Schluss gekommen, dass ich diesen Eindruck teile. Nur, woran liegt das?
Die fehlende Balance
Ich unterstelle mal, ein wichtiges Thema ist die Work-Life-Balance. Den kommenden Generationen ist diese Balance so wichtig – die wollen ihr Privatleben wirklich ausleben, genießen – Zeit haben, egal ob mit Kindern oder ohne. Für viele kommt ein 9-to-5 Job nicht mehr in Frage. Wir diskutieren als Gesellschaft über eine 4-Tage-Woche, da habeneine Führungsrolle oder Unternehmensleitung schlechte Karten – denn die erwarten es zumindest in Phasen auch mal 8-to-8 oder auch 24/7. Ich frage mich nur: Führt die ganze Diskussion vielleicht in eine falsche Richtung?
Menschlich kann ich es natürlich nachvollziehen. Nur, unternehmerisch frage ich mich: Wie wollen wir denn alles am Laufen halten? Im Handwerk, der Gastronomie, der Hotellerie, an den Bahngleisen und am Flughafen – da fehlt es an allen Ecken und Enden an Personal! Alle wollen das schöne Leben leben, aber keiner will es verfügbar machen.
Viel Arbeit, wenig Sinn?
Die Protagonistin in der Süddeutschen findet, mit Führung käme „viel Arbeit, wenig Sinn“. Darum sei Führung für sie nicht interessant. Ich sehe sehr viel Sinn in meiner Arbei: Mein Unternehmen bildet junge Menschen aus, es trägt zum Produkt und Image des Wirtschaftsstandortes Deutschland bei. Aber vor allem ermöglicht man als Unternehmer·in Menschen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Wir schaffen etwas Wichtiges: Arbeitsplätze.
Man sei lieber kreativ und wolle mitgestalten, heißt es in dem Artikel. Und wieder muss ich mich fragen: Führen unsere Gespräche in die falsche Richtung? Denn, ein Unternehmen zu führen, Ideen zu entwickeln, Strategien und Kampagnen zu entwerfen: das sind kreative, gestalterische Tätigkeiten!
Gestaltungsspielraum Galore!
Ich engagiere mich ehrenamtlich für mehrere Projekte und stelle explizit auch meinen Mitarbeiter·innen Zeit dafür zur Verfügung. Ich habe diese Möglichkeit, weil ich die Chefin bin – weil ich Themen setze und die Regeln mitgestalte. Ich habe meine Stiftung in 2020 gegründet und wir haben im letzten Jahr bereits 70.000 Bäume gepflanzt. Hätte ich das als Angestellte in meiner Freizeit auch geschafft? Vielleicht, aber sicherlich nicht so schnell. Meine Position und meine Verantwortung öffnen mir Türen – auch, um Gutes zu tun.
Meine Position und meine Verantwortung öffnen mir Türen – auch, um Gutes zu tun.Vanessa Weber
Gerade das Führen in KMUs und kleinen Unternehmen bedeutet, dass man sich mit seiner Philosophie besonders gut einbringen kann. Das ist eine große Chance – in großen Konzernen nur eingeschränkt möglich. Darum ist die Frage der Nachfolge für mich so ein spannendes Thema. In die Fußstapfen treten und dann die eigenen Spuren hinterlassen, Veränderung anzutreiben, die Richtung zu verändern. Wir haben uns vom Händler zum Dienstleister entwickelt. In vielen Branchen müssen völlig neue Kernaufgaben gefunden werden.
Verantwortung übernehmen
Ich denke, die Angst vor der Verantwortung ist groß. Und es stimmt: An der Spitze kann es einsam werden, besonders wenn man unpopuläre Entscheidungen treffen muss. Aber ich sehe in meinem Alltag noch viel größere Hürden als Angst. Ich sehe bei vielen jungen Menschen, dass sie sich durch kleinste Verpflichtungen gestresst fühlen. Ich glaube ja, dass wir als eine Generation von Helikoptereltern dazu beigetragen haben – wir haben versucht, die Jungen vor allem zu schützen und jetzt sind sie schlecht gewappnet. Führungskräfte und Unternehmer·innen müssen durch Krisen navigieren, blöde Situationen aushalten und auch mal frustrierende Tätigkeiten ausführen. Den nachfolgenden Generationen fehlt die Resilienz.
Digital stark aber zwischenmenschlich schwach
Was fehlt noch? Basic Skills, die man als Führungskraft, vor allem als moderne Führungskraft benötigt. Spontane Interaktionen, persönliche Gespräche, mal eine Debatte führen. Telefonieren! Ich erlebe viele junge Leute, die alles lieber schriftlich machen. Und wenn es schwierig wird, wird geghostet. Dann wird der Kontakt blockiert. Das ist natürlich als Führungskraft nicht drin.
Im Kontrast dazu erlebe in meiner Arbeit viele ambitionierte Gründer·innen mit großen Ideen. Es macht mir Spaß mit jungen, idealistischen, energetischen Menschen zu arbeiten. Aber die, die um des Gründens willen gründen, eine Idee aufbauen, umsetzen, skalieren und dann abstoßen – bestätigen die nicht meinen Eindruck? Fehlt da nicht auch der lange Atem, die Durchhaltekraft, die Führungsverantwortung? Als Unternehmer·in oder in der Geschäftsführung muss man auch mal dranbleiben, mal was aushalten, dann weitermachen – nach vorne gucken, Dinge nach vorne bringen.
Als Unternehmer·in oder in der Geschäftsführung muss man auch mal dranbleiben, mal was aushalten, und dann weitermachen.Vanessa Weber
Aufgaben lösen, Probleme bewältigen, das sind Grundfähigkeiten der Selbstständigkeit und des Unternehmertums. Gerade deshalb ist die Frage der Nachfolge für mich so ein spannendes Thema. In die Fußstapfen treten und dann die eigenen Spuren hinterlassen, Veränderung anzutreiben, die Richtung zu verändern. Wir als Werkzeug Weber haben uns vom Händler zum Dienstleister entwickelt. In vielen Branchen müssen völlig neue Kernaufgaben gefunden werden.
Die Türen stehen offen
Bis 2030 werden 130 000 Unternehmen ohne Führungspersonen dastehen. Wenn das nicht eine offene Einladung an alle ist! Und damit meine ich alle. Es ist ein Irrglaube, dass man den Master und den MBA haben muss und Abschlüsse die besten Leader hervorbringen. Ich habe nicht studiert. Nie war es leichter, als Quereinsteiger Verantwortung zu übernehmen. Wir brauchen fähige Menschen mit ausgeprägten Soft Skills, modernen Leadership Ideen und Flexibilität, sich immer neuen Situation anzupassen. Aufgaben lösen, Probleme bewältigen, das sind Grundfähigkeiten der Selbstständigkeit und des Unternehmertums. Sind das nicht genau die Millennials und Gen Z-ler – die, die mit wenig Sicherheit und viel Veränderung großgeworden sind?
Das Bild der Führungskraft muss sich verändern. Micromanagement ist out, Führung auf Augenhöhe ist gefragt. In einigen Gründer·innen sieht man diese Veränderung: sie leiten Start-ups und sind jung, dynamisch, cool. Warum ist das Bild der Unternehmer·in immer noch so geprägt vom old-fashionend Mann im Nadelstreifenanzug?
Es ist alles möglich. Die Wege für Veränderung in den Führungsetagen sind geebnet. Aber das klappt alles nur, wenn es auch jemand diesen Weg einschlägt und die Veränderung mitträgt. Nicht meckern, sondern machen heißt die Devise. - Also auf geht’s!
Wie seht ihr das? Diskutiert gerne mit!