Dr. Alexandra Hildebrandt

Dr. Alexandra Hildebrandt

für Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Warum die strategische Implementierung von CSR in Unternehmen unverzichtbar ist: Interview mit Prof. Matthias Fifka

Prof. Matthias Fifka (privat)

Prof. Dr. Matthias S. Fifka ist Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft und Professor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Strategisches und Werteorientiertes Management, an der Universität Erlangen-Nürnberg. Zudem ist er Visiting Professor an der University of Dallas, der Shanghai Jiao Tong University, der Wirtschaftsuniversität Wien, der Maastricht School of Management, der École Supérieure des Sciences Commerciales d‘Angers und der Mahan Business School Teheran. Bis September 2013 war er Inhaber des Dr. Jürgen Meyer Stiftungslehrstuhls für Internationale Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit an der Cologne Business School (CBS).

In Forschung und Lehre beschäftigt er sich mit strategischem Management – insbesondere der strategischen Implementierung von Sustainability und Corporate Social Responsibility –, werteorientierter Unternehmensführung, Corporate Governance sowie internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Er war und ist in zahlreichen wissenschaftlichen Kommissionen und Beiräten tätig, z.B. für die Europäische Union, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales sowie den Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management e.V. (B.A.U.M. e.V.). Zudem ist er Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Seit Beginn des Jahres 2008 ist er Stellvertretender Direktor des Deutsch-Amerikanischen Institutes in Nürnberg und berät verschiedene Unternehmen und Organisationen in den Bereichen strategisches Management, Unternehmensführung, Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility und Corporate Governance.

Matthias Fifka promovierte im Jahr 2004 zum Thema Unternehmensverbände in den USA. Im Februar 2011 habilitierte er mit einer Arbeit zum gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen in Deutschland und den USA. Er hat die venia legendi in den Fächern Betriebswirtschaftslehre und International Studies (Auslandswissenschaft).

Herr Prof. Fifka, im Umgang mit den globalen Megatrends ist ein Wettbewerb um innovative Ideen und Konzepte gefragt, mit denen sich Unternehmen für die Zukunft rüsten können. Es gilt also, den globalen Wandel mitzubestimmen, anstatt vom ihm überrollt zu werden. Welche Voraussetzungen braucht es dafür?

Im Unternehmen braucht es dafür sowohl den Willen als auch die Fähigkeit zum Wandel. Dies ist zunächst leichter gesagt als getan, denn organisationale Trägheit und Widerstand gegen Veränderung sind in Organisationen weit verbreitet, gemäß dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht. Es gilt also zunächst, den Mitarbeitern die Notwendigkeit von Veränderung zu verdeutlichen und sie davon zu überzeugen. Zudem müssen die entsprechenden Strukturen und Prozesse geschaffen werden. So inflationär Begriffe wie „Agilität“ und „Flexibilität“ auch gebraucht werden, so notwendig sind sie. Veränderung ist heute nichts mehr, was alle paar Jahre einmal stattfindet, sondern ein Dauerzustand.

In zunehmendem Maße gewinnt auch der Umgang mit Chancen und Risiken im ökologischen wie sozialen Umfeld an Relevanz für die Bewertung und den Erfolg von Unternehmen. Weshalb stehen insbesondere die Angaben zur Responsible Corporate Governance, zu den Managementstrukturen und zur Unternehmensstrategie im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens im Mittelpunkt von Investoren, Analysten und zahlreichen anderen Stakeholder-Gruppen?

Hier hat sich die gesellschaftliche Erwartungshaltung geändert. Wir sind heute mit dem neoliberalen Paradigma, dass Unternehmen so viel Profit wie möglich erwirtschaften sollen und sonst keine weitere Verantwortung haben, nicht mehr zufrieden. Zu sichtbar sind in den letzten Jahrzehnten die sozialen und ökologischen Probleme geworden, mit denen wir konfrontiert sind, als dass man die Rolle von Unternehmen bei ihrer Bekämpfung vernachlässigen könnte. Zudem ist Unternehmenshandeln heute in hohem Maße transparent, vor allem bedingt durch soziale Medien. Wir wissen heute viel mehr über das, was Unternehmen tun, auch über ihr Fehlhandeln. Darin liegt übrigens auch die Logik von Investoren begründet. Der umsichtige Investor weiß, dass ein Skandal heute unmittelbar negative finanzielle Folgen hat, z.B. in Form des Einbruchs des Aktienkurses. Bei Unternehmen, die verantwortlich und nachhaltig handeln, ist das Risiko, in einen sozialen oder ökologischen Skandal verwickelt zu werden, zwar nicht ausgeschlossen, aber deutlich geringer. Deshalb sind sie das bessere Investment.

Um das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens sichtbar zu machen, reicht nicht nur ein Bekenntnis – vielmehr sind nachvollziehbare Nachweise erforderlich, die glaubwürdig Auskunft über das eigene Handeln geben. Doch wie sollten Unternehmen kommunizieren, und welche Rolle spielen CSR- und Nachhaltigkeitsberichte?

Unternehmen sollten umfassend und ehrlich berichten. Es gilt, auch die Dinge, die nicht so gut laufen, zu kommunizieren. Es glaubt ohnehin niemand, dass alles perfekt ist. Deshalb sollte man auch den Mut aufbringen zu sagen, „hier haben wir ein Defizit, aber wir haben es erkannt und wir arbeiten daran.“ Das ist dann auch gleich der zweite entscheidende Punkt. Es müssen Ziele formuliert und kommuniziert und Angaben zu gemachten Fortschritten gegeben werden. Das geht nicht ohne Messung. Quantifizierung und die Verwendung von Kennzahlen sind unabdingbar geworden, und dafür sind Nachhaltigkeitsberichte sehr gut geeignet. Sie dürfen aber keine reine „Zahlendrescherei“ sein, sondern müssen auch verbalen Erklärungswert besitzen und anschaulich sein.

Der Gesetzgeber auf europäischer und bundesdeutscher Ebene stellt Anforderungen an große Unternehmen, Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Am 31. März 2017 wurde das Gesetz zur CSR-Berichtspflicht auch vom Bundesrat beschlossen. Was hat das Gesetz bis 2019 bewirkt?

Das Gesetz hat auf jeden Fall Aufmerksamkeit für die Thematik geschaffen und eine öffentliche Diskussion in Gang gesetzt. Das ist sicherlich der größte Erfolg. Für die meisten börsennotierten Unternehmen war das Gesetz eher „kalter Kaffee“, weil sie ohnehin schon Nachhaltigkeitsberichte vorgelegt haben, die die geschaffenen gesetzlichen Anforderungen übersteigen. Veränderung hat es eher für die größeren Unternehmen der zweiten Reihe gebracht, die noch nicht berichtet haben. In Deutschland sind insgesamt etwa 500 Unternehmen von der Pflicht betroffen, das ist überschaubar.

Die meisten deutschen mittelständischen Unternehmen haben die Bedeutung von Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility (CSR) für sich erkannt. Allerdings tun sich viele von ihnen noch immer schwer mit einer strukturierten Implementierung und Kommunikation. Weshalb werden vor dem Hintergrund der Berichtspflicht die Erwartungen an sie künftig weiter steigen?

Obwohl Mittelständler nicht unmittelbar von der Berichtspflicht betroffen sind, geht das Gesetz nicht spurlos an ihnen vorüber. Denn es verlangt von den großen berichtspflichtigen Unternehmen, auch die Lieferkette in ihre Berichterstattung einzubeziehen. Deshalb geben viele der Berichtspflichtigen die Pflicht an ihre Lieferanten weiter und verlangen von diesen die Messung sozialer und ökologischer Indikatoren. Allerdings wäre es falsch, die Thematik rein auf das Berichten zu begrenzen. Lieferanten werden immer häufiger auch auf Basis ihres CSR ausgewählt, weshalb für Mittelständler sowohl die Notwendigkeit als auch die Chance besteht, dadurch bei der Akquirierung von Aufträgen punkten zu können.

Woran erkennt man die Qualität guter Aus- und Weiterbildungen zum CSR-Manager?

Hier gibt es mehr entscheidende Aspekte. Zunächst sollte eine solche Weiterbildung umfassend sein und die Teilnehmer zur Entwicklung einer Strategie befähigen. Viele Lehrgänge fokussieren eher auf eine spezifische Thematik, z.B. Kommunikation, Messung, Umweltmanagement etc. Unweigerlich geht damit ein bestimmter Zeitumfang einher. An einem Wochenende allein kann es keine fundierte Weiterbildung geben. Entscheidend sind natürlich auch die Dozenten. Hier gilt es zu prüfen, ob diese sich intensiv und langjährig mit der Thematik befasst haben. Leider gibt es heute viele, die sich berufen fühlen, etwas zur Thematik CSR zu sagen, die aber wenig Ahnung davon haben. Ich sage hier immer etwas scherzhaft: „Jeder der früher Feng Shui gemacht hat, macht heute CSR.“

Was sollten Unternehmen tun, um die Lernergebnisse noch besser zu verankern?

Die Teilnahme eines Mitarbeiters darf kein pro forma Akt bleiben. Ganz zentral bei der Verankerung im Unternehmen ist die Rolle der Geschäftsleitung. Gibt es von ihr keine Unterstützung, läuft das Thema unweigerlich ins Leere. Zudem gilt es, mehr und mehr Mitarbeiter für die Notwendigkeit und Bedeutung des Themas zu sensibilisieren. CSR ist ein Querschnittsthema, das viele Abteilungen betrifft, weshalb auch Mitarbeiter aus allen Bereichen ins Boot geholt werden müssen.

Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf seitens der IHKs?

Ein entscheidender Punkt ist sicherlich, dass die IHKs selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Lehrgänge zu CSR anzubieten, ist das eine. Selbst CSR im Unternehmensalltag zu implementieren, das andere. Weiterhin können die IHKs noch wesentlich mehr Aufklärungsarbeit leisten, doch leider behandeln viele von Ihnen das Thema eher stiefmütterlich. Interessanterweise trifft das so ein wenig die oben angesprochene Bereitschaft zum Wandel, die eben nicht durch die Bank da ist. Glücklicherweise gibt es jedoch auch einige IHKs, die dem Thema sehr verbunden sind und es treiben unter ihren Mitgliedern. Flächendeckend ist das jedoch nicht.

Warum kommt in aktuellen Diskussionen über die Weiterentwicklung von Nachhaltigkeit und CSR Digitalisierung als Phänomen oder als eigenständige Kategorie so selten vor?

Hier wurde an vielen Stellen der Zusammenhang nicht erkannt. Bei CSR denken wir oft an klassische Themen wie Mülltrennung, Arbeitssicherheit oder Energieeinsatz. Dass Digitalisierung auch in diesen Bereichen helfen kann, besser zu werden, z.B. durch Messung, alternative Verfahren oder Kommunikation, haben wir oft nicht auf dem Schirm. Dadurch wird viel Potenzial verschenkt.

Besteht die Gefahr, dass CSR Gefahr läuft, Industrie 4.0 zu verpassen?

Die Gefahr besteht leider aus den eben erwähnten Gründen. So wie sich Unternehmen wandeln, um mit der Dynamik und Komplexität ihrer Umwelt mithalten zu können, z.B. aufgrund von Entwicklungen hin zur Industrie 4.0, so muss sich auch CSR wandeln.

Warum brauchen wir den digitalen Fußabdruck? Benötigen Unternehmen nicht auch einen Digitalreport?

Beides wäre eine hilfreiche Sache, da dadurch der Umgang von Unternehmen mit dem Thema deutlich wird. Da gibt es ganz viele Aspekte, über die wir hier reden könnten. Zum Beispiel hat auch die Digitalisierung ganz erhebliche ökologische Auswirkungen. Wenn man sich vorstellt, dass eine Google-Suche die Energie verschlingt, die notwendig ist, um eine Tasse Kaffee zu erhitzen, dann wird der Zusammenhang leicht deutlich. Ein anderes Beispiel ist natürlich der Umgang mit Daten und Datenschutz. Das wird eines der großen Verantwortungsthemen des 21. Jahrhunderts sein.

Weshalb wird digitale Kompetenz künftig eine Schlüsselqualifikation für Arbeit und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sein?

Man mag Digitalisierung mögen oder nicht, aber es führt kein Weg an ihr vorbei. Immer mehr Prozesse und Arbeitsabläufe werden digital unterstützt oder gar durch Technologien ersetzt werden. Ich glaube nicht, dass wir durch die Digitalisierung einen massiven Wegfall von Arbeitsplätzen sehen werden. Schaut man in die Geschichte, so ist das nicht passiert. Man dachte auch, dass durch Mechanisierung und Industrialisierung immer weniger Arbeitskräfte gebraucht werden würden. Was aber tatsächlich passiert, ist, dass es zu Kompetenzverlagerungen kommt. Diejenigen, die nicht digital kompetent sind, werden mehr und mehr auf der Strecke bleiben.

Welche Anforderungen stellt der disruptive Wandel, der in vielen Branchen durch die Digitalisierung entsteht, an Manager und Führungskräfte?

Auch Führungskräfte müssen zunehmend in der Lage sein, mit der rasch ansteigenden Komplexität und Dynamik umzugehen. Das heißt, sie müssen selbst die Notwendigkeit und Chancen des Wandels erkennen und nutzen können. Das erfordert eine innere Bereitschaft und Fähigkeit zu kontinuierlichem Wandel. Nicht zu unterschätzen ist dabei die strategische Dimension. Starr an langfristigen Strategien festzuhalten, ist heute zum Scheitern verurteilt. Flexibilität und das Denken in Szenarien werden immer wichtiger. Ich muss in der Lage sein, eine Strategie kontinuierlich anzupassen, und strategische Alternativen im Köcher haben.

Wie werden sich Unternehmen, Management und Führung im Zeitalter der Digitalisierung verändern (müssen)?

Führung ist hier ein maßgeblicher Aspekt. Traditionelle, auf Anweisung und Hierarchie basierte Führungsstiele sind ein Relikt der Vergangenheit. Sie sind zu langsam und zu starr. Moderne Führung muss Mitarbeiter befähigen und motivieren, selbständig zu arbeiten, und auf diese Weise die individuellen Potenziale der einzelnen Mitarbeiter bestmöglich nutzen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Mitarbeiter immer häufiger eine solche selbstbestimmte Arbeitsweise einfordern. Dabei wird auch Sinnstiftung immer wichtiger. Menschen sind wenig und weniger bereit, lediglich zum Broterwerb einer Arbeit nachzugehen. Vielmehr wollen wir einen Sinn sehen, in dem was wir tun. Wir wollen unseren Betrag erkennen und den Mehrwert, den wir schaffen. Hier schließt sich der Kreis zu CSR, denn ein Unternehmen, das Verantwortung übernimmt, kann einen solchen Sinn stiften. Wer das vernachlässigt, wird schlicht und einfach immer weniger qualifizierte Mitarbeiter bekommen.

Weshalb brauchen wir eine Ethik für die Technologien der Zukunft?

Die ethischen Implikationen neuer Technologien können wir in vielen Fällen noch gar nicht überblicken oder sind gerade erst dabei, die Materie etwas zu durchdringen. Ein treffendes Beispiel ist hier das autonome Fahren. Die Entscheidungen, die der Computer, im Straßenverkehr trifft, hat viele ethische Implikationen, etwa das Verhalten des Autos im Falle eines Zusammenstoßes. Ausweichen und einen Fußgänger gefährden oder den Zusammenstoß in Kauf nehmen? Zudem stellen sich mehr und mehr Fragen danach, was ich mit neuen Technologien überhaupt darf. Wieviel Überwachung wollen wir? Ist es moralisch vertretbar, dass Computer aus unserer Nutzung sozialer Medien Persönlichkeitsprofile ableiten, was übrigens schon mit erschreckender Genauigkeit möglich ist? Wieviel Einflussnahme auf politische Prozesse ist akzeptabel? Die Liste an ethischen Themen ist nahezu endlos, und wir müssen uns ihr von Seiten der Wissenschaft und der Gesellschaft stellen. Dafür braucht es einen breiten Diskurs, an dem momentan leider nur wenige teilnehmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Wer schreibt hier?

Dr. Alexandra Hildebrandt
Dr. Alexandra Hildebrandt

Freie Publizistin und Autorin, Nachhaltigkeitsexpertin, Dr. Alexandra Hildebrandt

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Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".
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