Warum Humor die Würze des Lebens ist
Interview mit dem Karikaturisten, Schnellzeichner, Schriftsteller und Bildhauer Lutz Backes
Herr Backes, welche Rolle spielt der Humor für Sie?
Ich habe ein paar Talente mitbekommen, wofür ich nichts kann. Vor allem meinen "englischen Humor", was mir eine englische Theaterregisseurin konstatierte, als sie in Zürich mein Lustspiel "Nasch mich, ich bin der Honig" inszenierte, und ich sie erstaunt fragte: "Wieso? Die Engländer mögen doch keine deutschen Komödien." - "Aber du hast einen englischen Humor", war ihre Antwort. Der hat mich auch mit seinem Abstand zu den Dingen und der Selbstironie überleben lassen. Und weil das so ist, denke ich, habe ich das alles mitbekommen: mein Talent und mein Humor, um es den Menschen weiterzugeben, damit sie für ein paar Minuten Freude haben. Die verstorbene Schauspielerin, Schriftstellerin, Fernsehgröße im Südwesten und Grand Dame der Pfalz, Elsbeth Janda, sagte zu mir nach einem Besuch meiner Komödie in Mannheim, die von einem "seriösen" Kritiker verrissen wurde: "Lutz, mach dir nichts draus. Ich habe für zwei Stunden meinen ganzen Alltagsscheiß vergessen." Das entschädigt.
Sehen Ihre Karikaturen anders aus als bei einem Menschen, den Sie besonders mögen?
Nein. Das kann ich auch gar nicht beeinflussen, sondern nur mein Gegenüber.
Was macht für Sie einen guten Karikaturisten aus?
Er muss humorvoll sein, verschiedene Zusammenhänge in einem einzigen Bild darstellen können, mit kritischem Blick auf die Unzulänglichkeiten, er braucht literarische Begabung, den Einfall, den er in Zeichnungen umsetzt, und er muss seine Einfälle so zeichnen können, dass ein anderer sie nachvollziehen kann. Dazu muss er kein großer Zeichner sein. Wenn er es ist, umso besser.
Wer von den von Ihnen Karikierten hat einen besonders nachhaltigen Eindruck bei Ihnen hinterlassen?
Gert Fröbe, nachzulesen in meinem rororo-Taschenbuch "Lacher, Löcher, Lampenfieber" (Bubec 1990).
Wer hat Sie positiv oder negativen überrascht?
Da gibt es einige. Negativ in Erinnerung habe ich z. B. Maximilian Schell, dann Heinz Erhardt und andere Komiker. Im Positiven sind es O. W. Fischer und Willy Birgel, die man mir vorher als eitel geschildert hatte. Die waren prima. Als Erich Kästner in Nürnberg war und meine Skizze gesehen hat, sagte er: "Au Backes, die ist ja gewaltig!" Meine Schauspiellehrerin Mary Claus-Albers, Cousine vom großen Hans, hatte mich auf seine Gedichte aufmerksam gemacht. Bei meinem ersten Engagement als Solist im Nürnberger Kabarett, dem Keller im "Bamberger Hof" des Hoteliers und Drehbuchautors Müller-Nürnberg, trug ich auch Kästners Gedicht: "Sogenannte Klassefrauen" vor. Gezeichnet habe ich ihn zwei Mal, das zweite Mal für mein Buch "Köpfe mit Köpfchen". Marcel Reich-Ranicki habe ich zweimal gezeichnet: einmal 1971 beim PEN-Zentrum, das in Nürnberg tagte, das andere Mal ebenfalls für mein Buch "Köpfe mit Köpfchen".
Die Karikatur von 1971 hat er mit schallendem Lachen angesehen und mir signiert. Er hatte wirklich Humor. Auch George Bush (Senior), Gesine Schwan und Willy Brandt haben einen positiven Eindruck in mir hinterlassen. Für Rudi Carrell habe ich viermal für eine Sendung gearbeitet: dreimal mit Zeichnungen und einmal für das "Laufende Band". Ich hatte ihn auch mehrfach karikiert und dann für das "Laufende Band" als Statuette gefertigt. Die Frau am Band hatte sie erkannt und sich gemerkt. Dafür durfte sie dann mit Rudi im 3-Sterne-Lokal essen gehen. Die Statuette war 2016 vom 18. März bis 6. November in Österreich auf der Schallaburg südlich von Melk/Niederösterreich ausgestellt. Die Ausstellung hieß "Die 70er Jahre - damals war Zukunft". Rudi war ein sehr umgänglicher Mensch, nur drei Tage vor der Live-Sendung sagte er zu jedem Mirarbeiter: "Was ich jetzt bis nach der Sendung sage, oder ich Euch zusammenputze, ist anschließend vergessen, auch wenn es noch so schlimm ist." Denn er starb fast vor Lampenfieber und war in den Tagen vorher nicht mit Senf zu genießen.
Sind die Künstler-Karikaturen zum großen Teil Auftragsarbeiten oder entstanden sie "aus dem Bauch" heraus, aus Interesse am jeweiligen Menschen?
Die Künstlerkarikaturen waren zu 90 Prozent Auftragsarbeiten, vor allem von der Toto-Lotto-Zeitschrift. Da hatte ich auf dem Titelblatt alle 14 Tage die Porträt-Karikatur eines berühmten Künstlers, von dem ich seine sechs Glückszahlen und die Unterschrift einholte. Die Serie lief zehn Jahre. Meist schrieben die Künstler noch einen Satz an die Fans dazu. Manche waren recht witzig und gekonnt formuliert. Ab und zu kamen Aufträge von Zeitungen hinzu. Manchmal bekamen die Künstler von Toto-Lotto sogar einen Gewinn, mal drei und mal vier Richtige. Nur Ihr Nachnamensvetter, mein Freund und Förderer Dieter Hildebrandt, bekam seinen Wunsch nicht erfüllt. Er schrieb darunter: "Ich möchte mal in Bonn 6 Richtige."
Haben Sie den Künstlern Ihre Bilder aus Zuneigung geschickt? Und kamen immer Reaktionen?
Wenn sie die Karikatur wollten, bekamen sie diese von mir geschenkt. Toto-Lotto hat sie mir dann extra zum Honorar bezahlt. Manche luden mich zum Essen ein, z. B. Ernst Deutsch, Helmut Schmid und seine Frau Liselotte Pulver, Maria Schell, Cornelia Froboess und Mann. Marianne Koch karikierte ich damals erst für die Frankfurter Rundschau und dann für meine Toto-Lotto-Serie. Das muss Anfang 2000 gewesen sein, ich weiß es nicht mehr genau, wo und wann. Wir hatten eine Veranstaltung in einem Krankenhaus in NRW mit vielen Zuschauern, sie hielt einen Vortrag über Altwerden und moderierte. Dann sagte sie meine Bühnen-Zeichen-Show an und war sehr nett, geradezu herzlich. Ich versprach auch, niemandem zu verraten, wann ich sie gezeichnet hatte (Ende der 60er Jahre). Das war ihr aber egal. Der kürzlich verstorbenen Barbara Rütting gratulierte ich zu ihrem 80. Geburtstag und fragte sie, ob sie sich noch an mich erinnere. Sie schrieb mir: "Jeden Tag, denn wenn ich in mein Haus komme, hängt Ihre Karikatur im Flur." Schön, gell?
Zur Person:
Lutz Backes wurde am 16. Juli 1938 in Mannheim geboren und wuchs in Ladenburg auf. Der Karikaturist, Schnellzeichner, Schriftsteller und Bildhauer lebt in Nürnberg (seit 1957). Der Sohn eines Bankdirektors und akademischen Kunstmalers arbeitete mit 17 Jahren neben der Schule als Reporter bei der RNZ und den Weinheimer Nachrichten, wo ihn Redakteur Heinz Winkler für die Karikatur entdeckte. Backes machte eine Lehre als Industriekaufmann und studierte nebenbei am Nürnberger Konservatorium Sprechtechnik und Dramaturgie. Er arbeitete als Dramaturg, Autor und Chargenspieler am Neuen Theater und beim Kabarett Hintertreppe. Anfang der 1960er-Jahre arbeitete er als Schauspieler, Autor und Regisseur. 1964 entdeckte ihn Dieter Hildebrandt für die Lach- und Schießgesellschaft als Hauskarikaturist. 1967 entwarf er das Logo der Sportartikelfirma PUMA, das weltberühmt wurde. 1968 unterschrieb er den Vertrag mit New Yorker Cartoon-Agentur ROTHCO, seither Veröffentlichungen von politischen und Portrait-Karikaturen weltweit. 1973 leitete ihn der berühmte italienische Karikaturen-Bildhauer Giorgio Gabellini zur Bildhauerei an. Es entstanden zahlreiche Karikaturen-Köpfe und -Statuetten. 1976 nahm er den Künstlernamen BUBEC für Karikatur und Kabarett an. Er fertigte 25 Jahre Portrait-Karikaturen für das HANDESLSBLATT. 1990 erschien sein erstes Buch mit Karikaturen und eigenem Text für rororo. 1995 erschien seine erste Boulevard-Komödie. Bis 3/2008 war er Chefredakteur (Deutschland) bei der in allen EU-Ländern verbreiteten Zeitschrift „Eurojournal pro management“.
Weltweit zeigte er über 300 Solo-Ausstellungen, zeichnete Teller-Designs für ROSENTHAL-Porzellan, entwarf Pokerkarten für ASS und Verpackungen für BAHLSEN. Er war Gast-Dozent an der FH Mainz für Karikaturen und der UNI GRAZ für „Innovation und Kreativität“. Ausgewählte Auszeichnungen: Preis der Weltausstellung Montreal (1977 und ’79); Preis des Presseamts der Türkei (’77); Preis des Kulturministers von Italien ’81, Venedig-Preis ’86; „Tiè“ - Karikaturist des Jahres (Italien ’91); „Goldene Palme“ von SanRemo (’91 für sein Lebenswerk und ’99 für sein Buch „Köpfe mit Köpfchen“); Orden „Humoris Causa“; „Man of Achievement“ der Uni Cambridge; Eintrag ins „Goldene Buch“ der Stadt Schwetzingen. Seit 2008 fertigt er naturgetreue Bronze-Büsten. Seine bedeutendste Arbeit ist das Denkmal der Stadt Beelitz bei Potsdam (2012). Weiterführende Informationen: http://www.lutz-backes.com/ und www.BUBEC.de.
Weiterführende Literatur:
Bubec 1998: Köpfe mit Köpfchen. 50 Jahre Buchmesse Frankfurt und ihre Autoren gesehen vom Karikaturist Bubec. Mit signierter Originalzeichnung auf dem Titelblatt. K.F.Schimper Verlag / Deutsche Post, Schwetzingen
Bubec (1990) Lacher, Löcher, Lampenfieber: Künstlers Freud und Leid. Rowohlt Verlag, Reinbek