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Warum Medienkompetenz wichtiger ist als Medienaskese

Orientierungssinn und Urteilsfähigkeit helfen uns, Komplexität und Unsicherheiten auszuhalten und die Realität besser zu verstehen. Es geht heute nicht nur um aktuelle technologische Entwicklungen, sondern ebenso - im Sinne der Philosophin Hannah Arendt - um Denken, Verstehen, Erleben und Handeln. Wir brauchen ein neues Denken, das in der Lage ist, viele Facetten und Perspektiven zu sehen, das große Ganze zu erfassen, aber auch ins Detail zu gehen und sich von alten Gewohnheiten und geistigem Ballast zu verabschieden. Denn wer nicht trennen kann, ist auch nicht urteilsfähig. Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, dass wir uns weder von Euphorie noch Panik und Pessimismus beherrschen lassen und richtig mit Komplexität umgehen können.

Der Autor und Digital Native Philipp Riederle erkannte das schon 2013. Die Aufgabe seiner Generation Y sieht er darin, Medienkompetenz weiterzugeben, das Internet besser zu machen, um selbst besser zu werden: „Früher war die wichtigste intellektuelle Waffe der Stift des Schriftstellers. Heute ist es das Smartphone. Wir können uns mitteilen. Und das bedeutet, … ein Teil dieser Welt sein und unseren Platz in ihr haben.“ Spezialkenntnisse können im Komplexitätszeitalter sehr schnell veralten. Deshalb sind Fortbildung, Qualifizierung, Prozess- und Medienkompetenz gleichermaßen erforderlich. Wo diese in den Nachhaltigkeitsstrategien von Unternehmen fest verankert sind, werden auch nachhaltiges Wachstum und der sozialen Teilhabe gefördert. Mit digitalen Medien kompetent umgehen zu können bedeutet auch, an zentralen Zukunftsfragen und deren Lösung aktiv teilzuhaben. Die zunehmende Bedeutung digitaler Medien sowie der Anstieg des Missbrauchs des Internets machen die Stärkung der Medienkompetenz zu einer unverzichtbaren Bildungsaufgabe schon in der Schule. Wenn Eltern ihren Kindern jedoch verbieten, mit Computern zu arbeiten und zu spielen, um sie vor den neuen Medien zu schützen, dann haben sie das Verhältnis von Mensch und Medien nicht verstanden.

So gab die memo AG vor einigen Jahren einen Schülerkalender heraus, der nicht nur die wichtigsten Nachhaltigkeitslabels enthielt, sondern die Schüler auch auf eine digitale Reise mitnahm. Er blieb deshalb kein reines Offline-Produkt: Über einen entsprechenden Hashtag konnten die „User“ zeigen, wie sie ihren Kalender nutzen und gestalten. Die Fotos konnten dann über ihre sozialen Netzwerke auf Facebook, Google+, Twitter, Pinterest oder Instagram hochgeladen werden. Tipps für mehr Sicherheit im Internet wurden gleich mitgeliefert und damit Medienkompetenz im Kleinen gefördert:

  • Verrate nicht alles – sei geheimnisvoll.

  • Nutze die entsprechenden Privatsphäre-Einstellungen für Deine (Daten-)Sicherheit.

  • Unterschiedliche Profile auf unterschiedlichen Plattformen.

  • Gesundes Misstrauen.

  • Deine Daten gehören Dir.

Das Beispiel steht stellvertretend für all die vielen kleinen Dinge und Initiativen, die Kinder und Jugendliche anregen, auf sich selbst achtzugeben. Medienkompetenz bedeutet für Claudia Silber, Leiterin Unternehmenskommunikation bei memo, „immer auf dem möglichst neuesten Stand der aktuellen Medien (online und offline) zu sein und diese in sinnvoller Art und Weise zu nutzen. Wer medienkompetent ist, kann heutzutage zuverlässig und wahrheitsgetreu berichtende Medien von den ‚schwarzen Schafen‘ unterscheiden (Stichwort: Fake News).“ Ein medienkompetenter Mensch ist für sie in der Lage, weder zu viel noch zu wenig Zeit mit den Medien zu verbringen und sich letztlich selbst ein Bild zu machen. Gerade in Zeiten von Fake News findet sie es extrem wichtig, dass bereits ab dem Vorschulalter Kinder an das Thema Medienkompetenz herangeführt werden: „Wir können Kinder nicht mehr von der digitalen Welt fernhalten (und sollten es auch nicht tun), aber wir können ihnen einen verantwortungsvollen Umgang mit den Medien beibringen.“

  • Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer: Vorwort. In: CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer. 2. Auflage. SpringerGabler Verlag. Berlin Heidelberg 2021.

  • Philipp Riederle: Wer wir sind und was wir wollen. Ein Digital Native erklärt seine Generation. München 2013.

  • Reclaim Autonomy. Selbstermächtigung in der digitalen Weltordnung. Herausgegeben von Jakob Augstein. Suhrkamp Verlag, Berlin 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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