Warum Nachhaltigkeitsmanager „interne Unternehmensberater“ sind
Die Themen Umwelt- und Klimaschutz werden für Unternehmen immer wichtiger. Innerhalb der Organisationen muss es deshalb eine Person oder Abteilung geben, die sich maßgeblich und unabhängig von den einzelnen Fachbereichen dem Querschnittthema Nachhaltigkeit widmet.
Dabei sollten betriebswirtschaftliches Handeln, gesellschaftliche Verantwortung und Unternehmenskommunikation eine Einheit bilden. Ein Nachhaltigkeitsmanager sollte das erlernte „Handwerkszeug“ theoretisch und praktisch in seinem jeweiligen Tätigkeitsbereich anwenden können. Sein Alltag zeichnet sich durch ein breites Tätigkeitsspektrum aus. „Er sollte Experte und Multitalent in einem sein“, sagt Lothar Hartmann, der beim Ökoversender memo diesen Unternehmensbereich verantwortet. Ständige Weiterbildung zu allen relevanten Nachhaltigkeitsthemen ist deshalb „erste Pflicht“. Seit 1996 verantwortet Hartmann den Bereich Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagement bei memo. Er bewarb sich damals bei dem ökologischen Versandhändler, weil er die Chance erhielt, sich dort intensiv mit Nachhaltigkeitsaspekten zu beschäftigen und ein entsprechendes, für das Unternehmen maßgeschneidertes Managementsystem aufzubauen.
Da das Thema Nachhaltigkeit hier dezentral verankert ist, hat Hartmann vornehmlich Informations-, Beratungs- und Koordinationsaufgaben („interner Unternehmensberater“). Die komplette Durchführung von Projekten oder Maßnahmen durch ihn sind eher selten, denn die Umsetzung liegt in der Fachkompetenz der jeweiligen Bereiche, über deren Maßnahmen beispielsweise im Nachhaltigkeitsbericht berichtet wird. Wichtig ist auch, niemals zu glauben, dass irgendwann 100 Prozent erreicht werden, denn Nachhaltigkeit ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess.
Beratung, Koordination und Unterstützung aller Unternehmensabteilungen zu nachhaltigkeitsrelevanten Themen
Begleitung von Zertifizierung des Unternehmens nach verschiedenen Standards (z.B. ISO 9001, ISO 14001, FSC oder EG Öko Verordnung)
Begleitung von Implementierungsphasen und anschließende Auditierung des vereinbarten Regelprozesses im Rahmen des Managementsystems
Koordination und Kommunikation der Nachhaltigkeitsthemen
Koordination von Forschungsstudien sowie Zertifizierungen.
Ansprechpartner für die Stakeholder des Unternehmens
Erstellung des regelmäßig erscheinenden Nachhaltigkeitsberichts
Beteiligung an Projekten zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
Wahrnehmung von Unternehmensmitgliedschaften.
In dieser Funktion ist es immer wichtig, dass Maßnahmen wirtschaftlich bleiben und entsprechende Zahlen vorgewiesen werden können. Die Kosten für das Nachhaltigkeitsmanagement hängen von Umfang und Anzahl der einzelnen Nachhaltigkeitsprojekte ebenso ab wie von der Unternehmensentscheidung, Leistungen, insbesondere Arbeitszeitleistungen, im Nachhaltigkeitsbudget beziffern zu wollen oder bestimmte Positionen als On-top-Leistung zu definieren. Bei der Budgetplanung kommt es entscheidend auf die langfristige Zeitperspektive an. Viele Unternehmen stehen gerade vor der Frage, was besser ist: einen Nachhaltigkeitsmanager einzustellen oder aus den eigenen Reihen heraus Mitarbeitende zu Nachhaltigkeitsmanagern zusätzlich ausbilden zu lassen. Beides ist ein guter Weg. Da immer mehr Unternehmen CO2-neutral wirtschaften wollen, werden beispielsweise Umweltmanagementteams gegründet, das aus Vertretern der Fachbereiche zusammengesetzt sind, die zur CO2-Vermeidung oder –Kompensation beitragen können. Solche Nachhaltigkeitsteams agieren abteilungsübergreifend und fördern die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens.
Es trifft sich in regelmäßigen Abständen und unterstützt bei der strategischen Vorgehensweise im Nachhaltigkeitsbereich. Die Mitglieder müssen nicht unbedingt die Leiter der jeweiligen Abteilungen sein. Erwiesen ist, dass gerade Mitarbeiter auf einer unteren Hierarchieebene besonders interessiert und motiviert sind. Aus solchen Teams heraus, die in der Regel von einer Führungskraft geleitet werden, wird später meistens ein Nachhaltigkeitsbeauftragten ernannt. Wird die Stabsstelle direkt dem Vorstand oder der Geschäftsführung untergeordnet, kann sie Mitverantwortung für den unternehmensweiten Strategieentwicklungsprozess und die gesamte Organisationsentwicklung nehmen. In enger Abstimmung mit der Führungsebene können neue Strategien gemeinsam entwickelt und implementiert werden. Viele Unternehmen sind sich bewusst, dass etliche ihrer Nachhaltigkeitsaktivitäten noch keine Systematik haben. Es wird lediglich der gesetzliche Rahmen eingehalten. Viele Ansätze (Spenden, Sponsoring etc.) sind zwar geplanter, haben allerdings kaum etwas mit dem Kerngeschäft zu tun und keine Auswirkungen darauf.
Dennoch: Die meisten Unternehmen wissen durchaus, dass das strategische Nachhaltigkeitsmanagement in die DNA der Organisation integriert sein muss und denken, dass das Problem gelöst wird, wenn sie rasch einen Nachhaltigkeitsmanager einstellen, der schon alles machen wird. Die meisten argumentieren, dass sie keine Zeit haben, sich um das Thema zu kümmern. Vor diesem Hintergrund werden dann schnell Stellenausschreibungen aufgesetzt. Doch mit einem „erfolgreich abgeschlossenes Studium“ der Betriebswirtschaft oder Nachhaltigkeits-, Ressourcen- bzw. Umweltmanagement ist es längst nicht getan. Noch immer gehen viele Menschen davon aus, dass der Begriff Nachhaltigkeit nur die Umweltaspekte umfasst, aber genauso wichtig sind die Wirtschaftlichkeit und auch die soziale Verantwortung.
Es werden auch vielfältige personale und sozial-kommunikative Kompetenzen sowie Aktivitäts– und Handlungskompetenzen benötigt, weniger die reinen Fach- und Methodenkompetenzen. Diese bilden zwar die Basis, können allerdings ohne die weiteren Kompetenzen nicht funktionieren. Deshalb sollten die Ausschreibungen nicht zu eng verfasst sein – für die zu bewältigenden Aufgaben braucht es auch Menschen aus anderen Wirkungsgebieten wie den Geisteswissenschaften, der Architektur, den Naturwissenschaften oder jene, die sich das Thema über die Jahre in ihrem Berufsleben angeeignet haben, die mit ihm verwachsen sind und dadurch in der Lage sind, es richtig anzupacken. Eine einseitige Ausbildung und Herangehensweise an das Thema würde ihm eher schaden. 2013 kritisierte Benedikt Herles in seinem Buch „Die kaputte Elite“, dass seine betriebswirtschaftliche Ausbildung einer „Gehirnwäsche“ glich. Psychologie, Soziologie und Philosophie hatten in seinem Lehrplan keinen Platz. Die Methodik bestimmte den Inhalt seiner akademischen Ausbildung.
Das ist teilweise heute noch in der Ausbildung des Managementnachwuchses spürbar. Als er sein Buch schrieb, gab es aber auch schon etliche Beispiele für positive Entwicklungen (z.B. Leuphana und die Zeppelin University). Berufsbegleitend wählen viele Mitarbeitende aber auch eine Ausbildung als CSR-Manager. Das Zertifikat der IHKs vermittelt beispielsweise elementare Kenntnisse in den Bereichen CSR-Instrumente und Kommunikation, CSR und Nachhaltigkeitsmanagement sowie Wirtschaftsethik und Stakeholdermanagement. Das Wissen wird durch Fallstudien vertieft. Damit können Absolventen nicht nur passende Strategien konzipieren und umsetzen, sondern auch bei der Entwicklung und Einführung nachhaltiger Verfahren und Produkte tätig werden. Die Lehrgangsteilnehmer erhalten einen fundierten Überblick zur Einordnung ihrer relevanten Nachhaltigkeitsthemen und lernen, angeleitet von den Dozenten, das strategische CSR-Konzept gemäß international führender Nachhaltigkeitsstandards umsetzungsorientiert kennen:
Stakeholder-Analyse
Selbstverpflichtung/Nachhaltigkeitsstrategie
Realisation eines Nachhaltigkeitsmanagements
Controlling
Nachhaltigkeitsberichterstattung und -kommunikation gemäß international anerkannter Standards.
Die Module beschäftigen sich mit folgenden Inhalten:
Gesellschaftliche und unternehmerische Herausforderungen
Globalisierung, Klimawandel, Ressourcenknappheit, Demografischer Wandel, Strukturwandel, Einkommensungleichheit, Wandel des Sozialstaates
Social-Media und Konsumentenbewusstsein, Vertrauensverlust in Unternehmen, Rolle von NGO, Wirtschaftsethik, Konsequenzen für Organisationen
CSR-Verständnis, Begriffe und Konzepte: Was bedeutet CSR?
Entwicklungen, Bedeutung, Abgrenzungen
CSR-Handlungsfelder Arbeitsplatz/Personal, Markt, Umwelt und Gemeinwesen
Nutzen und Konfliktfelder von CSR
Institutionen und Initiativen, (Best-Practice-)Beispiele
CSR-Managementprozesse
Strategische Integration von CSR in das Kerngeschäft
Managementmodelle
Unternehmenswerte und -ziele Implementierung von CSR, praktisches Projektmanagement
CSR-Integration in die innerbetrieblichen Prozesse
Instrumente und Initiativen
Instrumente zur internen und externen Kommunikation
CSR-/Nachhaltigkeitsberichterstattung
CSR-Initiativen
Standards, Labels und Gütesiegel
Begleitende CSR-Transferarbeit und Abschlusspräsentation
Erarbeitung von Transferaufgaben
Entwicklung einer Projektarbeit zur organisationsspezifischen CSR-Entwicklung mit individuellem Handlungsplan Abschlusspräsentation mit Fachgespräch (Zertifikats-Prüfung).
Hier stößt die theoretische Vermittlung von Nachhaltigkeitsmanagement sehr schnell an ihre Grenzen. Auch Beharrlichkeit und Geduld sind vonnöten, um Nachhaltigkeitsziele trotz Widerständen und Hindernissen dauerhaft und aktiv zu verfolgen. Auch Glaubwürdigkeit und authentisches Handeln sind wichtig, ebenso eine hohe Kommunikationsfähigkeit, weshalb auch Personen aus der Kommunikationsbranche als geeignete Kandidaten in Betracht gezogen werden sollten. Entscheidend ist auch systemisches/ganzheitliches Denken, um die komplexen Nachhaltigkeitswirkungsketten im Unternehmen wahrzunehmen und zu verstehen.
"Soft Skills" sind dann notwendig, wenn vielleicht unpopuläre aber notwendige Maßnahmen im Unternehmen umgesetzt werden müssen. Hier sind oft Diplomatie, Konfliktlösungs- und Kompromissfähigkeit gefragt. Neben den persönlichen Kompetenzen sind die vorherrschenden Rahmenbedingungen im Unternehmen für die erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen wesentlich (glaubwürdiger Support der Geschäftsführung, eine in die Unternehmensstrategie integrierte Nachhaltigkeitsstrategie). Die große Vision von Unternehmen sollte es allerdings sein, dass sich alle Mitarbeitenden zu Nachhaltigkeitsmanager:innen weiter entwickeln. Denn das Thema ist niemals Sache eines einzelnen Menschen, sondern Aufgabe der Vielen.
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„Die Klimakrise fordert ein massives Umdenken und Handeln“. Interview mit Dr. Alexandra Hildebrandt
Controlling und Nachhaltigkeitsmanagement: Richtige Bewertung braucht Zahlen
Nachhaltiges Wirtschaften: Warum immer mehr Unternehmen auf Social Business setzen
Jürgen Schöntauf: Sinnstifter. Wie Unternehmen davon profitieren, soziale Verantwortung zu übernehmen. Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2016.
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. SpringerGabler Verlag, Berlin, Heidelberg 2020.