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Was im Plastikzeitalter von uns bleibt

Das Meer als weltweit größte Müllhalde

Generationen dieser Erde haben über Jahrhunderte viele ökonomische, gesellschaftliche und kulturelle Errungenschaften hinterlassen, Einsichten und Erfahrungen. Doch was bleibt von uns? Es wird der Abfall sein. Die weltweit größte Müllhalde liegt heute im Stillen Ozean: „Zwischen Hawaii und der kalifornischen Küste schwimmen Millionen Tonnen Müll im Meer", schreibt der schwedische Schriftsteller und Theaterregisseur Henning Mankell in seinem Vermächtnis „Treibsand“. Der Autor erinnerte sich noch an eine Zeit, als Abfallreste in eine alte Zeitung eingerollt wurden, die dann in einem Abfalleimer und später an einem Ort landete, wo der Inhalt verrottete, ohne dass weiter eingegriffen werden musste. Die Epoche, in der er aufwuchs, nannte er „Kartonzeitalter“. Später wurde es vom „Plastikzeitalter“ abgelöst. Er beschreibt, wie sich das Plastik allmählich in sämtlichen Lebensbereichen durchsetzte – bis der letzte Korkschwimmer an Land getrieben war. Es folgten Milchkartons und Plastikflaschen, das niemand mehr einsammelte.

Es ist ein Irrtum zu denken, dass etwas, das ins unendliche Meer geworfen wird, hier für immer versinkt. Jährlich landen etwa acht Millionen Tonnen Abfall im Meer – das entspricht einer vollen Lastwagenladung pro Minute. Bis zu 100.000 Meeressäuger und eine Millionen Meeresvögel verenden jedes Jahr an dem Plastikmüll. Eine im November 2017 vorgestellte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ergab, dass jeder Bundesbürger jährlich 37,4 Kilogramm Abfall aus Plastikverpackungen „produziert“ - über sechs Kilogramm mehr als der EU-Durchschnitt. Die Studie basiert auf Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat. 2015 waren es etwa 322 Millionen Tonnen. Wird Plastikmüll nicht recycelt oder verbrannt, sondern auf Deponien geschafft, landet es durch Verwehungen oder Fortspülungen oft im Meer.

Warum wir unser Verhalten ändern sollten

Wenn wir unser globales Verhalten nicht verändern, wird es laut aktuellen Berechnungen schon im Jahr 2030 mehr Müll als Fische im Meer geben. Die UNO hatte Anfang 2018 anlässlich des Weltumwelttags eindringlich vor den Gefahren durch Plastikmüll gewarnt, der einige Meeresregionen “in Plastiksuppe” verwandelt. Nur etwa neun Prozent des weltweit jemals hergestellten Plastiks seien recycelt worden – fast 80 Prozent blieben hingegen auf Müllhalden, in Ozeanen und Wasserstraßen, wo es tausende Jahre dauere, bis sie komplett abgebaut seien. Wird Plastikmüll nicht recycelt oder verbrannt, sondern auf Deponien geschafft, landet es durch Verwehungen oder Fortspülungen oft im Meer.

Derzeit treiben rund fünf Billionen Kunststoffpartikel in den Weltmeeren, jährlich kommen acht Millionen Tonnen Plastikmüll hinzu. Er verrottet nicht, sondern verwittert nur langsam. Folglich wird das Plastik, das über lange Zeiträume im Wasser bleibt, durch Sonnenlicht, Wind und Wellen in immer kleinere Teilchen zersetzt. 77 Prozent allen Mikroplastiks, das in den Ozeanen schwimmt, kommen von privaten Haushalten. Ein Großteil unserer Bekleidung besteht aus Synthesefasern, die während des Waschvorgangs Mikroplastikpartikel freisetzen. Davon betroffen sind besonders Fleece-Materialien, denn die Partikel mit einem Durchmesser von unter 5 mm werden von Kläranlagen nur teilweise herausgefiltert und gelangen über das Abwasser in Flüsse, Seen und Meere, wo sie sich in der Nahrungskette anreichern. In Form von Plastikpartikeln haben Forscher beispielsweise Polyethylen und Nylon in den Meeren gefunden - sogar in Speisefischen und Meeresfrüchten. In Nord- und Ostsee wird Mikroplastik auch von Speisefischen und Meeresschnecken gefressen.

Biologen haben vor einiger Zeit prognostiziert, dass bald 99 Prozent aller Seevögel mit ihrer Nahrung Plastikreste verschlucken werden. Vielen dieser Tiere droht der Tod durch zu viel Plastik im Bauch (Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung). Diese Umweltbelastung zu reduzieren, ist das Ziel des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes „TextileMission“. Der Startschuss dafür fiel am 1. September 2017. Ziel ist es, die Belastung der Umwelt durch Mikroplastikpartikel zu reduzieren, die Textilien aus Synthesefasern bei der Haushaltswäsche freisetzen. Projektpartner sind acht Organisationen aus der Sportartikel-Industrie, der Waschmaschinen- und der Waschmittelbranche, der Forschung und dem Umweltschutz.

Woran nachhaltige Produkte zu erkennen sind

Für Bio-Läden und Bio-Onlineanbieter hat der Bundesverband Naturkost Naturwaren Kriterien für ökologische Wasch und Reinigungsmittel festgelegt, die nur gentechnikfreie Enzyme erlauben, mehr biologische Abbaubarkeit als der Gesetzgeber fordern und viele problematische Stoffe ausschließen. Echte Öko-Waschmittel, die beispielsweise im Onlineshop memolife erhältlich sind, werden von externen Kontrollstellen wie ECOCERT (eine Organisation zur Bio-Zertifizierung, die Inspektionen in über 80 Ländern durchführt) und Ecogarantie (das Qualitätssiegel überprüft Kosmetik-, Wasch- und Reinigungsprodukte sowie Meersalz auf der Basis eigener Kriterien und ­denen der EU-Öko-Verordnung) zertifiziert und tragen deren Siegel. Eine Zertifizierung setzt unter anderem voraus, dass alle eingesetzten pflanzlichen Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen und in ökologisch einwandfreien Produktionsabläufen verarbeitet werden.

Die aus Großbritannien stammende Marke Lush bietet Seifen an, die frei von Tierversuchen und zu 83 Prozent vegan sind und zu 100 Prozent palmölfrei. Statt Plastik setzt das Unternehmen inzwischen auf wasserlöslichen, essbaren Schimmer, auf Reispapierkonfetti oder Knallzucker. Damit möchte das Unternehmen insbesondere die Meeresbewohner schützen, die durch kleinste Plastikteile in ihrer Existenz bedroht sind.

Das Verbraucherportal Codecheck hilft dabei, bedenkliche Inhaltsstoffe in Pflegeprodukten zu erkennen und unproblematische Produkte zu finden. Gemeinsam mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland wurde im Oktober 2016 eine Studie präsentiert, nach der jedes dritte untersuchte Gesichtspeeling Mikroperlen aus Polyethylen (Microbeats) enthält. Die Greenpeace-Publikation „Vom Waschbecken ins Meer“ fasst erstmals die Schädlichkeit gängiger Mikrokunststoffe in Kosmetik- und Pflegeprodukten zusammen, die beim Duschen über den Abfluss in die Umwelt gelangen. „Pflegt mit Plastik“ werden die Verbraucher gewarnt. Gezeigt wird, dass die konventionelle deutsche Kosmetikindustrie häufig Mikrokunststoffe einsetzt, sich aber Mikroplastik-frei nennt. Das sei eine Täuschung an den Verbrauchern, die ohne Vorwissen keine Chance hätten, „umweltschädliches Plastik in Kosmetik zu vermeiden.“

Greenpeace verweist auf Inhaltsstoffe in Pflegeprodukten, die giftig für Meeresorganismen sein sollen, zeigt aber auch, welche von der Kosmetikindustrie trotz unbekannter Umweltfolgen eingesetzt werden. Eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie reicht nicht aus, da sie etliche Schlupflöcher enthält und dem Vorsorgeprinzip widersprechen.

Das Edelsalz "Fleur de Sel" zählt zu den teuersten Meersalzen der Welt. In mühsamer Handarbeit von der Wasseroberfläche abgeschöpft, gelten die sogenannten „Salzblumen“ als Feinkost. Forscher vom Institut für Biologie und Chemie des Meeres an der Universität Oldenburg untersuchten es und fanden in sechs der elf Meersalz-Proben winzige Plastikgranulate oder Teilchen von Plastikfolie, wie „Der Spiegel“ Mitte Januar 2018 berichtete. Bei einer Sorte war eine Kunststoff-Faser sogar mit bloßem Auge deutlich zu erkennen. Nachgewiesen wurden vor allem die Kunststoffarten Polyethylen (PE), Polypropylen (PP) und Polyethylenterephthalat (PET), die als typischer Bestandteil von Verpackungsmüll bekannt sind. Die Untersuchung zeigte allerdings auch, dass in klassischem Meersalz deutlich weniger Mikroplastik enthalten war, als in dem vergleichsweise teuren Fleur de Sel.

Ein gesetzlicher Grenzwert für den Gehalt an Mikroplastik wurde noch von keinem europäischen Land festgelegt. Die im Fleur de Sel gefunden Mengen an Mikroplastik gelten derzeit für den Menschen noch als unbedenklich, obwohl Experten davon ausgehen, dass die Kunststoffpartikel samt Schadstoffe mit der Nahrung aufgenommen werden und gesundheitliche Folgen nicht auszuschließen sind.

Am 28. Mai 2018 hat die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf vorgestellt, um die Verschmutzung der Meere durch Plastik zu bekämpfen. Verboten werden sollen Einwegprodukte, für die es leicht verfügbare Alternativen gibt. Für Produkte wie Luftballons sollen zusätzlich auffällige Warnhinweise vorgeschrieben werden, die die Verbraucher über die Umweltrisiken aufklären. Auch sollen künftig 90 Prozent aller Getränkeplastikflaschen gesammelt werden, damit sie recycelt werden können. Angestrebt ist zudem eine deutliche Reduzierung von Plastikverpackungen für Nahrungsmittel.

„Wir müssen das Wasser schützen, wenn wir das Leben bewahren wollen“, sagt der Wasserbotschafter und Expeditionsschwimmer Ernst Bromeis. Er glaubt an die Kraft von Geschichten und daran, dass auch ein Wort die Welt verändern kann. Weil Zahlen nicht wirklich beeindrucken und rasch vergessen werden. Deshalb brauchen sie eine Seele, ein Gesicht und eine persönliche Geschichte, die ins Herz geht und dort bleibt. In seinem Buch „Jeder Tropfen zählt“ widmet er sich seiner Geschichte. Er ist davon überzeugt: „Wenn wir wirken – ob schreibend, erzählend, berührend, mahnend, liebend -, verändern wir immer die Welt.“ Auch Charlotte Schüler hatte vor einigen Jahren genug vom unachtsamen Umgang mit der Welt und lebt seitdem (nahezu) plastikfrei. Ihren Alltag dokumentiert die junge Münchnerin auf ihrem Blog plastikfreileben.de und in den sozialen Medien. Mit einfachen Mitteln lassen sich alte Gewohnheiten nach und nach verändern. Auch die Vorschläge im gemeinsamen E-Book „Gut zu wissen“ mit der Kommunikationsexpertin Claudia Silber sind mühelos in die Tat umzusetzen und werden durch Hintergrundwissen, zahlreiche DIY-Anleitungen und Checklisten ergänzt.

Weiterführende Literatur:

Ernst Bromeis: Jeder Tropfen zählt. Schwimmen für das Recht auf Wasser. Rüffer & Rub Sachbuchverlag GmbH, Zürich 2016.

Henning Mankell: Treibsand. Was es heißt, ein Mensch zu sein. Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2015.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut zu wissen... wie es grüner geht: Die wichtigsten Tipps für ein bewusstes Leben. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Verpackt oder unverpackt? Warum Stoffkreisläufe eine Frage der Nachhaltigkeit sind. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt: Gut in Mode: Wissenswertes über nachhaltige Bekleidung und Textilien. Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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